Aus den Feuilletons

Die Welt des Nagib Machfus

04:13 Minuten
Der Nobelpreisträger für Literatur, der Ägypter Nagib Machfus, am 20. Oktober 1988 in seinem Lieblingscafé "Ali Baba" am Tahrir-Platz in Kairo.
"An ein Museum hat er nie gedacht", schreibt die NZZ über Nagib Machfus. Jetzt hat er trotzdem eins bekommen. © dpa - Bildarchiv / AFP
Von Burkhard Müller-Ullrich · 10.11.2019
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Nagib Machfus ist der einzige arabischsprachige Literatur-Nobelpreisträger. Nach einem islamistisch motivierten Attentat musste er mit 83 neu schreiben lernen. Die NZZ widmet sich dem neu eröffneten Museum für den vor 13 Jahren verstorbenen Ägypter.
Da wir Journalisten immer gern mit Mythen aufräumen, fangen wir jetzt mal in Dänemark an. "Der Mythos von den netten Dänen, der ist auch Quatsch", sagt nämlich ein Däne in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. Naja, ein halber Däne, denn ein Elternteil ist deutsch. Als Schriftsteller macht Knud Romer seinen Mitdänen das Land auf ganz lustige Weise madig. Dass sie zum Beispiel im Happiness-Index der Vereinten Nationen immer weit oben stehen, erklärt er so:
"Wenn wir diese Fragebögen ausfüllen, dann sind wir entweder betrunken oder wir haben Antidepressiva geschluckt, oder aber wir sind ironisch." Der Grund für seinen Auftritt als Interviewpartner der SZ liegt übrigens in einer Ausstellung, die gerade in Kopenhagen eröffnet wurde: Sie ist ganz und gar Deutschland gewidmet, "eine adaptierte Version der 2014 von Neil MacGregor fürs Britische Museum kuratierten Ausstellung ‚Germany, Memories of a Nation‘".
Und das ist für Knud Romer die Gelegenheit, den Dänen ins Gesicht zu sagen, wie deutsch sie sind: Vom Christbaum bis zum Volkslied – alles vom südlichen Nachbarn importiert. Die Dänen wollen es bloß nicht wahrhaben.

Thomas Manns 133-bändige Goethe-Ausgabe

Übrigens haben wir es heute nur mit nationalkulturell orientierten Museumsprojekten zu tun. In der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG berichtet der Schriftsteller Michael Kleeberg von einem literarischen Erinnerungsort in Kalifornien. Thomas-Mann-Fans erbeben ja schon bei der Nennung der Adresse: 1550 San Remo Drive in Pacific Palisades.
"Ein Pilger, der am Horizont die Türme von Santiago de Compostela erblickt, kann sich dem Numinosen nicht näher fühlen als ich auf der Fahrt dem Hügel zu, auf dem die bedeutendste Literatur entstand, die im zwanzigsten Jahrhundert auf Deutsch geschrieben wurde."
Soweit der emphatisch-ekstatische Sound Kleebergs, der dort einem Festakt der besonderen Art beiwohnte: der Rückführung von Thomas Manns 133-bändiger Goethe-Ausgabe. Sie hatte einst durch ihre massive materielle Präsenz das Heim des Exilanten quasi zu einem geistigen Bollwerk gemacht.
Seitdem der deutsche Staat das Haus gekauft hat, ist daraus nicht nur ein Erinnerungsort, sondern auch eine Begegnungsstätte geworden. Außerdem vielleicht auch ein Zukunftslaboratorium für die deutsche Kultur und dabei, so fordert Kleeberg, dürfe nur ein Kriterium entscheidend sein: nämlich Exzellenz.
Dieser Exzellenzgedanke allerdings stehe, so fürchtet er, "ein wenig quer zum Selbstverständnis des deutschen Staats, dem es mehr um die Demonstration ausgewogenster demokratischer Korrektheit zu tun ist als um das kulturelle Repräsentantentum eines Thomas Mann, was dann im ungünstigsten Fall zu einer Ansammlung wohlmeinender Mediokrität führen könnte".

Nagib-Machfus-Museum in Kairo eröffnet

Ein ganzer Palast aus dem 18. Jahrhundert ist einem anderen Schriftsteller - und wie Thomas Mann Literaturnobelpreisträger - geweiht, ein ottomanisches Herrschaftshaus in der Altstadt von Kairo, nur wenige Meter von der Al-Azhar-Moschee entfernt. Die Rede ist von dem vor dreizehn Jahren gestorbenen Nagib Machfus, und dreizehn Jahre hat es vom Konzept bis zur Eröffnung dieses Museums gedauert, über das die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG berichtet.
Die Ausstellung ist natürlich sehr biografisch angelegt: "Er stand jeden Morgen um 5 Uhr auf, las die Zeitungen und ging dann zu Fuß zur Arbeit. Von 16 bis 19 Uhr schrieb er. Beständig und ruhig kam er voran, ein breites, solides Oeuvre schaffend, stets in möglichst schnörkellosem Hocharabisch gehalten."
Im Oktober 1994 stach ihm ein islamistischer Attentäter in den Hals. Der Dichter überlebte knapp. "Ein Raum im neuen Museum dokumentiert, wie Machfus im Alter von 83 Jahren neu schreiben lernen musste."
"An ein Museum hat er nie gedacht", lautet die Überschrift des NZZ-Artikels. Aber die bloße Existenz des Museums ist jetzt auch ein Statement für den Traum von geistiger Freiheit in Ägypten.
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