Aus den Feuilletons

Die Straße als Trainingsgelände der Demokratie

Demonstranten halten Plakate mit der Aufschrift "Alle für Gerechtigkeit" bei Straßenprotesten in Rumänien in die Höhe.
Straßenproteste gegen die Justizreform in Rumänien im November. © AP / Vadim Ghirda
Von Adelheid Wedel · 27.12.2017
Die "Zeit" schreibt über die Straße als Ort, den besonders heute wieder Bürger für ihre Meinungsäußerung nutzen. Der grüne Europaparlamentarier Claude Turmes sieht in seinem neuen Buch eine politische Chance für Europa. Und die "Süddeutsche Zeitung" bespricht den dritten Band der Autobiografie von Mark Twain.
"Die Straße als Trainingsgelände der Demokratie" – darüber meditiert Robert Kaltenbrunner in der Wochenzeitung DIE ZEIT. "Viele meinen", schreibt der Autor, "der städtische Raum werde nur noch durch Marathon, Schlagermove und andere Festivals der guten Laune belebt und spiele für die politisch-gesellschaftliche Entwicklung keine Rolle mehr".

Öffentlicher Raum eminent wichtig für Bürger-Äußerungen

Das allerdings ist seiner Meinung nach "eine Fehlwahrnehmung", denn "unübersehbar und lautstark erproben diverse Bürgerproteste die Macht der Straße, um ihre Forderung nach Freiheit oder ihren Protest kund zu tun. So zeigen die Aufmärsche der Protestbewegungen unterschiedlicher politischer Couleur aktuell die eminente Bedeutung des öffentlichen Raums als Ort für das Abladen von Zorn bis hin zu offener Fremdenfeindlichkeit, zur allgemeinen Stimmungsmache im Umgang mit Flüchtlingen, für das Artikulieren von Angst oder Ohnmacht gleichermaßen. Ebenso lassen bedeutende Gegenreaktionen auf den Straßen und Plätzen nicht lange auf sich warten, die für Anstand und Einfühlsamkeit einstehen."
Und so verteidigt der Autor die Bedeutung der Straße als Trainingsgelände der Demokratie, auch wenn "hier keine Lösungen entwickelt und schon gar keine Gesetze formuliert werden, aber hier wachsen neue Themen, hier gewinnen politische Bewegungen ihren körperlich-spürbaren Rückhalt". Und angesichts totalitärer Tendenzen in Ländern wie Ungarn, Polen oder der Türkei verweist Kaltenbrunner auf die Stadt mit ihren Plätzen und deren zentrale Bedeutung für die Verteidigung von Demokratie und Freiheit.

Turmes sieht politische Chance für Europa

Ebenso in der ZEIT erfahren wir aus einer Rezension, dass der Europaparlamentarier Claude Turmes "eine politische Chance für Europa sieht. Seit fast zwei Jahrzehnten an allen energiepolitischen Schlachten führend beteiligt", wird keinem anderen, fraktionsübergreifend in Brüssel wie in Straßburg, ein so großer Sachverstand für das Thema Energiewende zugeschrieben wie dem luxemburgischen Grünen. "Turmes sieht in der Energiewende die Chance für Europa, sich auf demokratischem Wege neu zu politisieren, aber auch ein Vehikel, um den Kontinent international zu positionieren."
Dabei setzt er nicht nur auf Technik, sondern "auch auf soziale und institutionelle Neuerungen". Einschränkend bemerkt der Rezensent zu Turmes Buch im Münchner Ockom Verlag, dass er das Lied vom grünen Wachstum etwas zu laut intoniere, mögliche Konflikte, etwa zwischen Wirtschaftswachstum und Energieeinsparung oder zwischen dem Ausbau erneuerbarer Energien und dem Naturschutz würden kaum angesprochen.
Heinrich August Winkler, einer der produktivsten Historiker Deutschlands, behandelt in seinem neuesten Werk über den Westen die Zeit ab 2015. Es enthält ein Postskriptum für den Juni und den Juli 2017. "Endete Band 4 recht hoffnungsvoll, so überwiegt jetzt Skepsis", meint Eckhard Jesse in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG. Ausdruck findet das allein schon im Titel des Bandes: "Zerbricht der Westen? Über die gegenwärtige Krise in Europa und Amerika", erschienen im C.H. Beck Verlag, München.

Dritter Band von Twains Autobiografie erschienen

In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG lesen wir, dass im Berliner Aufbau Verlag der abschließende dritte Band von Mark Twains Autobiografie erschienen ist. "Dort", so schreibt Harald Eggebrecht, "gibt Twain noch einmal den Gesellschaftsreporter seiner selbst – und den Chronisten des Lebens und Sterbens in seiner Familie". Das Buch, in dem er verspricht, letzte Geheimnisse zu offenbaren, glänzt mit einem typisch Twainschen Titel: "Die Nachricht von meinem Tod ist stark übertrieben".