Aus den Feuilletons

Die Saison der Feuer

Ein Feuerwehrmann ist von hinten zu sehen, wie er in den brennenden Wald schaut.
06.09.2020, USA: Hilflose Versuche, den Waldbrand im Sierra National Forest in Kalifornien zu löschen. © Neal Waters/ Sputnik/ dpa
Von Tobias Wenzel |
Frühling, Sommer, Herbst und Winter - das war früher. Heute haben wir die Feuer- und die Regenzeit. So schreibt der US-amerikanische Autor T.C. Boyle im "Spiegel". Er lebt in Kalifornien und sieht Versäumnisse bei US-Präsident Trump.
"Das alte Wechselspiel der Jahreszeiten gibt es nicht mehr", schreibt der US-amerikanische Schriftsteller T.C. Boyle im neuen SPIEGEL zu den verheerenden Waldbränden in Kalifornien. "Einst sprach man vom Herbst. Heute ist es die Saison der Feuer, die sich vom Sommer bis in den Winter zieht und erst endet, wenn der Regen kommt. Wenn er denn kommt."
Boyle lebt in Kalifornien und setzt wegen der Rußpartikel in der Luft beim Spazierengehen eine Atemschutzmaske auf. "Dürfen wir auf Rettung hoffen?", fragt Boyle. Seine indirekte Antwort: "Am Montag flog der autokratische Nihilist, der gegenwärtig das Weiße Haus okkupiert, zu einem Fototermin nach Kalifornien. Der Regierung des Bundesstaates warf er vor, die gefährliche Lage selbst verursacht zu haben, da sie es versäumt habe, die Kiefernnadeln in den Wäldern gründlich zusammenzuharken", schreibt Boyle über den Klimawandelleugner Donald Trump. "Offenbar war ihm entgangen, dass 57 Prozent der kalifornischen Wälder Staatsbesitz sind und von Trumps Bundesbehörden unterhalten werden."

Gesellschaftliche Unterschiede

"Eselei ist zuerst eine Schwäche des Denkens und des Redens", versucht der Soziologe und Autor Wolfgang Sofsky in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG Dummheit in Worte zu fassen. "Geschreibsel entsteht, wenn andere weiterschreiben, was jemand vorgeschrieben hat. Es speist sich aus dem Angelesenen. Bodenlos schwebt so das Gerede über der Welt", schreibt Sofsky, der wohl davon ausgeht, selbst kein Esel zu sein, vermutlich, weil er so schön die Dummheit anderer definieren kann:
"Man verwechselt das grammatische Genus mit dem biologischen Sexus und vermischt alles im 'sozialen Geschlecht'. Dabei hat weder der Hocker noch der Seufzer einen Penis", schreibt er. "Man glaubt, mit der Beseitigung von Wörtern, Symbolen oder Statuen ließen sich unerwünschte gesellschaftliche Unterschiede einebnen."
Wenn man Shakespeare als Rassisten bezeichnet, nur weil er den "Kaufmann von Venedig" geschrieben hat, dann geht das dem Kabarettisten Gerhard Polt zu schnell. Er diskutiert lieber ausführlich und will zum Beispiel verstehen, wie Reichsbürger ticken. Das verrät Polt der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG: "Ich würde mich unter Umständen gerne mit so einem Reichsbürger zusammensetzen, ein, zwei Halbe trinken und seine Welt kennenlernen. Wo hebt der sein Gewehr auf? Wen würde er sofort erschießen? Wem würde er eine Gnadenfrist geben? Man muss solche Leute gut kennen, in ihr Hirn und die Innereien hineingelangen, um zu verstehen, an was sie glauben."

Wie Goethe entscheiden

Im Laufe eines Lebens glaubt man so einiges, trifft viele Entscheidungen. Goethe war ein "Meister richtiger Entscheidungen", heißt es in der WELT. Eckhart Goebel rezensiert "Sich entscheiden. Momente der Autobiographie bei Goethe", ein Buch von Martina Wagner-Egelhaaf. Goethes Kunst habe darin bestanden, so die Literaturwissenschaftlerin, sich nicht für eine von zwei Alternativen zu entscheiden, die ihm das Leben bot, sondern nach einer dritten Alternative zu suchen und die dann zu wählen.
Zum Beispiel, indem er 1775 auf dem Weg nach Italien kehrtmachte, sich aber letztlich auch gegen Frankfurt und seine Verlobte Lili Schönemann und stattdessen für Weimar entschied. Auf Goethes Entscheidungsfindung habe auch der soziale Kontext Einfluss gehabt, lernt der Rezensent aus dem Buch.
Goethes Liebesgeschichte mit Friederike Brion habe funktioniert, solange sie in Sesenheim geblieben sei. Als Friederike mit ihrer provinziellen Familie aber einmal Goethe in Straßburg besucht und sich dort in unvorteilhaftem Licht gezeigt habe, sei Goethes Entscheidung gegen Friederike herangereift. Eckhart Goebels Kommentar: "Man sollte nicht in Bielefeld wiedersehen, wen man auf Capri kennengelernt hat."
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