Aus den Feuilletons

Die Mühen der Literaturkritik

Menschenschtraube: Andrang beim Bachmann-Preis in Klagenfurt
Andrang beim Bachmann-Preis in Klagenfurt © Deutschlandradio / Kolja Mensing
Von Gregor Sander · 30.06.2016
Ist ein Stück Literatur, das keines sein will, schon deshalb zwangsläufig Literatur und keinesfalls banal? Das fragt sich der "Tagesspiegel" anlässlich des Auftritts von Stefanie Sargnagel in Klagenfurt und mutmaßt: Darauf fällt die Jury nicht rein.
Kritiker, Lektoren und Agenten geben sich am Wörthersee ein Stelldichein beim Bachmannpreis. Ach ja, und gelesen wird natürlich auch. Aber Judith von Sternburg macht sich unter der Überschrift "Kunst und Jammer der Kritik" in der BERLINER ZEITUNG erstmal Sorgen um die eigene Zunft:
"Kritik, im besonderen Literaturkritik hat es nicht schon immer gegeben und die Welt wird sich auch in Zukunft weiterdrehen ohne sie. Aber dass sie zermahlen wird zwischen finanziell angeschlagenen Redaktionen, auf Teufel komm raus meinungsbehauptenden Internetkommentaren und diffusen Buch- und Ausgehtipp-Wünschen eines eisern vergnügungswilligen Publikums: Das hat sie nicht verdient."
Noch aber gibt es sie ja. So zitiert der Kritiker Gerrit Bartels im Berliner TAGESSPIEGEL die Wiener Autorin Stefanie Sargnagel, die den Wettbewerb in Klagenfurt eröffnete und bisher eher mit kurzen Blog-Texten aufgefallen ist.
"Ich möchte lieber Gelehrte sein, nur ohne die anstrengende Leserei, oder ich möchte Asketin sein, aber ohne den ganzen Verzicht."
Aber da fällt die Jury nicht drauf rein, freut sich Bartels. Auf ein Stück Literatur, das genau das nicht sein will, also Literatur sein muss und keineswegs banal sein kann.
In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG hofft Alex Rühle allerdings ketzerisch:
"Dass der Ausflug nach Klagenfurt nebst Erstellung eines Langtextes eine einmalige Pflichtübung bleibt und Sargnagel danach genau so weitermacht wie bisher, einfach ins Internet schreiben, zwischendurch die Synapsen mit Bier schmieren und das eigene Leben weiterleben. Statt es den Juroren plötzlich novellenkompatibel zu apportieren."
Einen Favoriten haben die Feuilletons beim Bachmannpreis noch nicht ausgemacht.

Powerpop mit Luftballons

Die britische Band Coldplay ist den Erfolg seit vielen Jahren gewöhnt. 70.000 Fans strömten am Mittwoch ins Berliner Olympiastadion und auch das Hamburger Volksparstadion ist für Freitag ausverkauft.
"Coldplay erschaffen für zwei Stunden eine kunterbunte Parallelwelt, in der all die Horrormeldungen von Terror, Krieg und Flucht unendlich weit entfernt zu sein scheinen", schreibt Nadine Lange im TAGESSPIEGEL. Das gefällt allerdings nicht allen. So stöhnt Markus Schneider in der BERLINER ZEITUNG:
"Ich kann mich an kein Konzert dieser Dimension erinnern, dass sein Volk mit einem derartigen Overkill an Sinnesreizen überrollte."
Feuerwerk plus Luftballons plus Konfetti und der Powerpop der Band, waren einfach zu viel für den Kritiker:
"Man fühlte sich wie in einem spektakulär platzenden Feen-Magazin für Fünfjährige. Nach einer halben Stunde war man bereits überfordert bis zur Hirnflauheit."

"Bravo" für Erwachsene - ein Aprilscherz?

Von einer merkwürdigen Mutation berichtet die SZ auf ihrer Medienseite. Die "Bravo" will mit einem neuen Heft eine neue Leserschicht gewinnen: die Eltern. Was sich liest wie ein Aprilscherz wird bald gedruckte Wahrheit sein, berichtet Karolin Meta Beisel.
"Das Titelbild wirkt sehr erwachsen, viel Schrift, sanfte Farben, ein schmusendes Paar um die 20. Am Kiosk soll das offenbar Eltern anlocken, genauer: Mütter."
Also die, vor denen man früher die Pop-Postille eher versteckt hat. Mehr als verwirrend, das Ganze, und im Sonderheft "Dr. Sommer" der Bravo-Eltern aus dem Bauer-Verlag geht es auch nur um ein Thema:
"Alle Texte richten sich von Thema und Ansprache direkt an die Jugendlichen, von 'Bleib’ cool: Mit der Zeit kriegt man(n) seinen Penis immer besser in den Griff!' über 'Überleg dir gut, ob du einen Jungen verführen willst, wenn er gerade ein wichtiges Fußballspiel schaut' bis zu diesem hübschen Tipp: 'Check regelmäßig deine Größe, wenn du wissen willst, wie schnell du wächst.'"
Karolin Meta Beisel vermutet dahinter folgendes Kalkül:
"Die Eltern sollen den Teenies diese neue Version der Bravo hinlegen."
Denn: "Anders kann man dieses Experiment kaum verstehen."
Als ob man Pubertierenden heute noch irgendetwas "hinlegen" könnte. Da scheint ja die Aprilscherzvariante am 1. Juli noch wahrscheinlicher.
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