Aus den Feuilletons

Die königlichen Narren

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Spaniens König Felipe und Königin Letizia beim traditionellen Pascua Militar, einem Empfang zum Dreikönigstag.
"In westlichen Demokratien spielen Herrscherhäuser jene Rolle, die in den Königsschlössern einst die Hofnarren innehatten: Sie dürfen sich fast alles erlauben." © picture alliance / Juan Carlos Rojas
Von Klaus Pokatzky · 21.02.2021
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"Die Briten haben Spaß mit den Royals, wir Ärger mit den Hohenzollern", heißt es im Berliner Tagesspiegel. Die königlichen Erben hätten heute die frühere Rolle von Narren an den Königshäusern inne, schreibt dort Frederik Hanssen.
"Aufgepasst", ruft uns die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG zu. "In fast jeder Geste, jeder Darstellung von Bewegung lässt sich ein antikes Motiv erkennen", führt uns Johan Schloemann in die Zeiten von Aristoteles und Asterix, von Cicero und Cäsar zurück:
"Manches davon ist zwar universell menschlich, vieles aber geprägt davon, wie einmal Künstler des Altertums den menschlichen Körper und seine Kleidung geformt haben. Muskeln, Haltungen, Faltenwurf."Den Faltenwurf kannten damals auch die Männer in ihren geschlechtsneutralen Bekleidungen. Die Haltungen wollen wir jetzt nicht nur auf den Körper beziehen, sondern auch auf das, was uns ein Aristoteles an ethischem Verhalten und an Tugenden gelehrt hat.

Wolfgang Thierse entdeckt die Identitätspolitik

"Wir brauchen eine neue Solidarität", heißt es da in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG. "Wurde Zugehörigkeit früher über Konfession und später über Ideologie signalisiert, so hat diese Funktion heute der Begriff Identität übernommen", schreibt Wolfgang Thierse.
"Themen kultureller Zugehörigkeit scheinen jedenfalls unsere westlichen Gesellschaften mittlerweile mehr zu erregen und zu spalten als verteilungspolitische Gerechtigkeitsthemen", meint der sozialdemokratische Politiker und frühere Bundestagspräsident.
"Fragen ethnischer, geschlechtlicher und sexueller Identität dominieren, Debatten über Rassismus, Postkolonialismus und Gender werden heftiger und aggressiver." Und dazu gehört dann nicht nur der Rechtspopulismus, dazu gehört auch die "Cancel Culture": eine von vielen als übertrieben empfundene politische Korrektheit.

Mehrheitsentscheidungen sind essenziell für Demokratien

"Wo früher scharfe Gesellschaftsanalyse stand, herrscht heute selbstherrliches, pseudoreligiöses Eifertum", meint die Tageszeitung DIE WELT. "Etwa zeitgleich avancierte die geschlechtersensible Sprache und kulturelle Sensibilität zur im akademischen Sektor verpflichtenden Kommunikationsform", schreibt Sara Rukaj – und erinnert den Kulturpressebeschauer da wehmütig an seinen Lateinunterricht, in dem es mit den männlichen und weiblichen und sächlichen Formen so einfach war.
"Der unabdingbare Respekt vor Vielfalt und Anderssein ist nicht alles", findet Wolfgang Thierse in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN. "Er muss vielmehr eingebettet sein in die Anerkennung von Regeln und Verbindlichkeiten, übrigens auch in die Akzeptanz von Mehrheitsentscheidungen." Das nennen wir Demokratie: eines der schönsten Wörter aus der Antike.

Die Royals heute sind vergleichbar mit den Hofnarren damals

Auch die Monarchie kommt da her. "Die Briten haben Spaß mit den Royals, wir Ärger mit den Hohenzollern", heißt es im Berliner TAGESSPIEGEL in unseren deutsch-republikanischen Zeiten, wo die alte preußische Hohenzollern-Dynastie heftig um alten Besitz kämpft.
"In konstitutionellen Monarchien erhalten die Herrscherhäuser zumeist gewaltige Apanagen, also Zuwendungen aus Steuergeldern", schreibt Frederik Hanssen. "Gewissermaßen als Trostpreis dafür, dass sie im jeweiligen Staat nur noch eine rein dekorative Funktion einnehmen."
Ist das Cancel Culture? Auf jeden Fall gilt das nicht für eine Königin Elisabeth II., die in den letzten Jahrzehnten nicht nur das Vereinigte Königreich, sondern auch das Commonwealth zusammengehalten hat. Aber Frederik Hanssen mag die Royals einfach nicht: "In westlichen Demokratien spielen sie jene Rolle, die in den Königsschlössern einst die Hofnarren innehatten: Sie dürfen sich fast alles erlauben."
Wie schön, dass diese parlamentarischen Monarchien zugleich besonders stabile Demokratien sind...
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