Aus den Feuilletons

Die emanzipatorische Kraft des Push-up-BHs

04:23 Minuten
Eine Kleiderpuppe trägt blaue Unterwäsche, daneben hängen weitere BHs auf Bügeln.
Die Bekleidung der weiblichen Brust ist Thema in der "Welt". © Imago / Dean Pictures
Von Arno Orzessek |
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In der "Welt" macht sich Sarah Pines Gedanken über das Unbehagen am weiblichen Busen in Zeiten von #MeToo und der Body-Positivity-Bewegung. Überraschender Schluss der Autorin: Der Push-up-BH steht für Befreiung, weil er schützt und verdeckt.
Wilde lange Haare, sehr, sehr knappes Top, schwarze Leggins, derbe schwarze Schnallen-Stiefel und die wuchtige E-Gitarre vor dem Schoß: So zeigt sich auf einem Foto in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG die schottische Sängerin KT Tunstall.
Bitte unterstellen Sie nicht, wir würden nur des Fotos wegen auf den Artikel zu sprechen kommen, in dem es um das Tunstall-Album "Wax" geht. Nein! Uns gefällt der Tunstall’sche Aphorismus, den die NZZ zitiert:
"‚Der Mensch ist ja einerseits ein aussergewöhnliches spirituelles Wesen, das dann und wann aber trotzdem auf die Toilette muss und an den Wochenenden oft recht dumme Sachen mit seinem Körper anstellt.‘" KT Tunstall in der NZZ.

"Gute Brust, böse Brust"

Auch nett anzusehen: Die Aphrodite, die in der Tageszeitung DIE WELT den Feuilleton-Aufmacher "Gute Brust, böse Brust" bebildert. Die Frage unter der Aphrodite – "Völlig unrealistischer Idealbusen?" – leitet über zu den Gedanken, die sich Sarah Pines zum "Unbehagen an dem weiblichen Busen" in Zeiten von #MeToo und der Body-Positivity-Bewegung macht.
Zur Erklärung: "Body Positivity" meint die ehrlich-zustimmende Betrachtung des eigenen Körpers, so wie er halt ist, nämlich nicht makellos. Nach kenntnisreichem Überblick über die aktuelle Busen-Debatte wägt Pines zwei Arten der Busen-Bedeckung gegeneinander ab:

Der Post-MeToo-Busen

"Obwohl der Push-up von bestimmten feministischen Strängen als phallisch kritisiert wird, da er die Brust in eine enge Form, den hominiden Körper in die Po-und-Brust-raus-Haltung zwingt, bietet er, gerade weil er Nippel, Stehkraft und Haut durch einheitliche Formgebung eher unter- als überbetont, eine Form der schützenden Bekleidung (wie ein Fahrradhelm). Der Push-up ist theatralisch und machtvoll, er zeigt die Macht derer, die ihn tragen. Der Post-MeToo-Busen hingegen, der BH, der Nippel durchschimmern lässt, inszeniert den weiblichen Oberkörper als Ort der Ambivalenz, als Unentschiedenheit, letztendlich Verletzlichkeit", meint die WELT-Autorin Sarah Pines.

Ausstellung über bedeutende Künstlerinnen

"Stadt der Frauen" - Stadt mit d-t - heißt eine Ausstellung im Wiener Unteren Belvedere, die von der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG gefeiert wird. Worum es geht, erklärt die Unterzeile: "Freuds Wien weist eine lange Tradition an bedeutenden Künstlerinnen auf. Selbstverständlich mischten sie den Kulturbetrieb auf – bis die Nazis kamen. Eine grandiose Ausstellung zeigt nun ihre Meisterwerke."
Nur nebenbei: Dass die SZ in der Würdigung der Ausstellung "Stadt der Frauen" zur zeitlichen Einordnung der Werke von "Freuds Wien" spricht, erscheint uns nicht restlos durchdacht. Aber hören wir Carin Lorch zu – namentlich ihrer Begeisterung über die 30er-Jahre-Gemälde "Verhör I" und "Verhör II" von Friedl Dicker:
"Einerseits schildern die Bilder die Befragung durch Behörden, der Schreibtisch und die Schreibmaschine sind da, sogar die tippenden Hände einer Sekretärin. Andererseits löst sich alles in Abstraktion auf, in kreidige Wände und schlierig übermalte Aussichten. Augen werden zu schwarzen Flecken, Hände zerlaufen in einem Rot, das auftrocknet wie Schorf. Solche Räume, solche Körper werden Künstler wie Mark Rothko oder Francis Bacon erst nach dem Krieg malen, wenn überhaupt einer von ihnen" - urteilt Catrin Lorch in der SZ.
Auch eine starke Frau: die Britin Reni Eddo-Lodge, Autorin des Bestsellers "Warum ich nicht länger mit Weißen über Hautfarbe spreche". Wir empfehlen Ihnen das Interview der TAGESZEITUNG mit Eddo-Lodge zur Lektüre, schlagen aber final die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG auf.

Edita Gruberovás Abschied von der Opernbühne

Jürgen Kesting beschreibt, wie die Sopranistin Edita Gruberová in München Abschied von der Opernbühne genommen hat:
"Dann beschenkte Edita Gruberová ihre Bewunderer mit einer auch darstellerisch grandiosen Finalszene, nach zwanzig Minuten mit atemberaubendem Gesang, der noch einmal den ganzen Glanz ihrer Jugend aufstrahlen ließ, abtretend wie die Königin: ‚Ich regiere nicht mehr. Geht!‘ Danach stand sie in Stürmen des Beifalls, überschauert von Rosenblättern, die vom Bühnenhimmel regneten und blickte versonnen auf die von ihren Getreuen entrollten Plakate, die sie als Edita, die Unvergleichliche, feierten."
Sollte jetzt jemand jammern, "heute ging's ja nur um Frauen!", antworten wir ihm mit einer SZ-Überschrift: "Bleib locker, Mann!"
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