Aus den Feuilletons

Die Berlinale startet ohne Publikum

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Filmszene aus Daniel Brühls Regie-Debüt "Nebenan". Zwei Männer sitzen an der Theke in einer Bar.
Eine Berlinale ohne Publikum ist wie eine Kneipe ohne Gäste. Daniel Brühls Regiedebüt "Nebenan" ist im Berlinale-Wettbewerb. © Reiner Bajo
Von Tobias Wenzel · 28.02.2021
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Am Montag startet die Berlinale für Branchen- und Medienvertreter. Diese können sich fünf Tage lang sämtliche Filme im Netz anschauen, während das Publikum bis Juni warten muss. Das sei „das Gegenteil eines Events“, lesen wir in der "FAZ".
"Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?", fragt, wie immer zu Beginn dieser satirischen Interviewrubrik, die TAZ. Und Friedrich Küppersbusch antwortet diesmal: "Niemand hört einem zu."
"Und was wird in dieser Woche besser?"
"Friseure offen!"
Küppersbuschs Antwort ist deshalb komisch – wer weiß, ob gewollt oder unfreiwillig –, weil er selbst kaum noch Haare hat und die noch vorhandenen ausschließlich als Stoppeln trägt. Er könnte also einfach selbst mit dem Rasierer drübergehen.

Was fehlt, ist das Publikum

Ob sich die Macher der Berlinale wohl gleich für Montag früh einen Friseurtermin gesichert haben? "Das Gespenst ist aus der Kiste", schreibt Andreas Kilb in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG und meint eben dieses Filmfestival. Das beginnt nun als Veranstaltung für Branchen- und Medienvertreter. Die können die Filme des Festivals streamen. "Was fehlt, ist das Publikum", schreibt Kilb melancholisch.
"Und der Applaus, der Jubel, der alles verändert, der eine Vorführung zum Ereignis, ein Branchengerücht zur Wahrheit, ein unbekanntes Talent zum Genie der Stunde macht. Das Klatschen der Hände, das Leuchten der Augen, sie fehlen am meisten, weil sie die Routine des Audiovisuellen, die auch das Kino längst im Griff hat, für einen Augenblick unterbrechen, für den einen unvergesslichen Film."

Spagat zwischen Digitalem und dem Realem

Fünf Tage Filme streamen, und das nur für Branchen- und Medienvertreter, während das Publikum bis Juni warten muss, sei "das Gegenteil eines Events", schreibt Kilb weiter in der FAZ.
"Aber ein Ereignis sind diese 71. Berliner Filmfestspiele dennoch, schon deshalb, weil noch kein Festival so konsequent den Spagat zwischen dem Digitalen und dem Realen gewagt hat."
Kathleen Hildebrand entdeckt sogar in den Rahmenbedingungen für das Streaming noch Spannung. Das erläutert sie in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG so:
"Jeden Tag der Woche kann man eine bestimmte Anzahl von Filmen für genau 24 Stunden ansehen. Dann ist Schluss. Und zwar wirklich: Auch wer einen Film schon zu zwei Dritteln geguckt hat, wird um Punkt sieben Uhr morgens unterbrochen. Wenn da noch nicht klar ist, ob das Mädchen den Jungen kriegt oder die Zombie-Apokalypse noch abgewendet wird: Pech gehabt. Ganz so gemütlich wird es also doch nicht."

"Wir konnten drei russische Attentatsprogramme identifizieren"

Sein gemütliches Leben war Eliot Higgins wohl zu langweilig. Vor wenigen Jahren hatte er noch einen Bürojob und zockte stundenlang Computerspiele, erfährt man aus dem Interview, das die SZ mit Higgins geführt hat.
Denn Higgins hat das Recherchenetzwerk Belllingcat gegründet und durch Indizien äußerst plausibel gemacht, dass der russische Geheimdienst FSB für den Giftmordanschlag auf Alexej Nawalny verantwortlich ist.
"Die Entdeckungen, die wir nun machen, schockieren uns", sagt Higgins. "Der russische Staat vergiftet auch Menschen, die in der Öffentlichkeit wenig bekannt sind, Aktivisten und sogar Leute aus dem Kunstbereich. Wir konnten drei russische Attentatsprogramme identifizieren."
Das ist dann vielleicht wirklich spannender als Computerspiele.
Nach schmutziger Politik zum Schluss noch etwas zum Saubermachen. Hans Zippert spricht in der WELT gar von einer "Wunderseife". Die eignet sich laut Hersteller zu 18 verschiedenen Verwendungszwecken. Damit könne man unter anderem die Wäsche waschen, aber auch Haustiere, Topfpflanzen und Babys.
Zippert sind die Anwendungsmöglichkeiten der Flüssigseife allerdings noch nicht genug. Und so dichtet der Satiriker einfach ein paar dazu: "Ein Fläschchen reicht aus, um 500 Kilo Schwarzgeld zu waschen, und wenn man 30 Sekunden damit gurgelt, sind keine Coronaviren mehr nachweisbar."
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