Aus den Feuilletons

Deutsche Brettspiele in den USA der letzte Schrei

Ein selbstgebautes "Mensch ärgere Dich nicht!" Brettspiel von 1950 ist am 25.06.2015 im Spielzeugmuseum in Nürnberg (Bayern) zu sehen.
Ein selbstgebautes "Mensch ärgere Dich nicht!" Brettspiel von 1950 ist am 25.06.2015 im Spielzeugmuseum in Nürnberg (Bayern) zu sehen. © picture alliance / dpa / Daniel Karmann
Von Hans von Trotha |
Die Deutschen sind derzeit in Italien geradezu verhasst, berichtet die "Zeit". In den USA ist "Germany" dafür endlich mal cool, meint die "Welt". Vor allem deutsche Brettspiele haben es den Amerikanern angetan.
Im Sommer setzt auch das Feuilleton auf Reiseberichte. Da das Feuilleton aber nicht der Reiseteil ist, müssen es Reisen der besonderen Art sein. Die ZEIT bringt gleich zwei, eine davon in die "Diktatur der Hoffnungslosigkeit". So ist ein Bericht von Caspar Shaller aus dem Kosovo überschreiben. "Das Kosovo", so das Fazit, "wird von seinen Menschen verlassen. Viele wollen nach Deutschland. Die meisten scheitern. Niemand glaubt, dass es in der Heimat jemals aufwärtsgehen wird."
Auch in der anderen ZEIT-Feuilleton-Reise geht es indirekt um Deutschland, aber mit ganz anderem Tenor:
"Nirgends in Europa", berichtet Eva Reski, "ist Deutschland derzeit so verhasst wie in ... Italien." "Die Euro-Krise ist in Italien vor allem eine Deutschland-Krise: Nicht nur in den Paralleluniversen von Facebook und Twitter hat ein neu erwachter Revanchismus seine tollsten Blüten hervorgebracht ... Das Wochenmagazin 'Espresso' warnt vor Deutschland als 'Viertem Reich' ... . Der 'Corriere della Sera' wirft Deutschland einen 'Regel-Fetischismus' vor, im Radio werden Berlusconis Ausfälle gegen Angela Merkel ('Fettarsch') und gegen den damaligen Europaparlamentarier Martin Schulz ('KZ-Aufseher') plötzlich als politische Weitsicht gepriesen, und auf Volksfesten kann man mit Bällen auf die Bilder einer Angela Merkel in SS-Uniform werfen."
"Warum sind unsere Städte so hässlich?"
Beliebt ist im Sommer auch der Binnenreisebericht, also Neues direkt aus Deutschland, nicht auf dem Umweg über Länder, in denen die Menschen entweder von Deutschland träumen oder die Deutschen besonders hassen. Schön ist das aber auch nicht unbedingt. "Warum", fragt zum Beispiel Nils Minkmar in der FAZ, "sind unsere Städte so hässlich? Und warum so teuer? Beides", behauptet er dann auch noch, "könnte man ändern".
Dazu müsste man aber in Berlin die Traufhöhe abschaffen. Auch sonst setzt Minkmar auf den Staat, den er zu "einfachen, fast minimalistischen Veränderungen der Regeln" auffordert.
In der SÜDDEUTSCHEN, sie bringt ihren Architektur-Binnenstädtereisebericht als Feuilleton-Aufmacher, lobt Till Briegler dagegen einen ganz anderen Ansatz: In Hamburg hat eine "neue Lust am Selbstgestalten ... sich in einem 'St.-Pauli-Code' verschriftlicht". Eine sogenannte "Plan-Bude" hat "aus 2000 Beiträgen herausgefiltert, was Bewohner für eine lebenswerte Stadt halten." – Ob das jetzt ausgerechnet in Sankt Pauli wirklich wird?
Germany ist cool in den USA
Wer im Ausland Gutes über Deutschland hören will, scheint derzeit bis in die USA reisen zu müssen.
"Endlich", berichtet Iris Alanyani in der WELT, "ist, was aus Deutschland kommt, mal cool, ohne Rollkragenpulli oder 'Wim-Wenders-Glasses' zu tragen, wie eckige schwarz gerahmte Brillen in Amerika auch gern genannt werden. Und es hat nichts mit Nazis zu tun oder Ossis. (...) 'Eurogames' sind der letzte Schrei in den USA. Und mit 'Eurogames' sind vor allem 'German board games' gemeint – Brettspiele aus Deutschland."
Gewürfelte Ehrenrettung, könnte man sagen. "Das Gegenteil von Eurogames", lernen wir übrigens, nennen "amerikanische Spielenthusiasten ... 'Ameritrash'."
"Dating Queen" kommt ins Kino
Womit wir bei der Comedienne Amy Schumer wären, deren anlaufenden Kinofilm Marie Schmidt in der ZEIT so erklärt:
"Frauen sind natürlich genauso kompetent darin, miese Idioten zu sein, wie Männer. Das wollte nur sehr lange niemand sehen. Inzwischen gibt es aber eine kleine, komische Film- und Fernsehtradition der spezifisch weiblichen Dämlichkeit, gepaart mit rücksichtsloser Promiskuität und Gnadenlosigkeit gegenüber eigenen und fremden Körperteilen. All das ist noch frisch genug, um als befreiend durchzugehen und vom Effekt der vertauschten Rollen zu profitieren. ... . Dieser Typus geht jetzt allmählich in die Massenkultur über, was auch ein Verdienst der Komikerin Amy Schumer ist."
Im FAZ-Interview wird Frau Schumer gefragt, ob sie wisse, dass ihr Film "Trainwreck" im deutschen Kino "Dating Queen" heißt. "Ja", lautet die Antwort, "und wie ich höre, wird der französische Titel des Films "Crazy Amy" sein. Das wird sicher lustig – ganz zu schweigen davon, wenn sie meine Stimme synchronisieren. Hoffentlich nehmen sie eine Frau."
Wie sehr wir im Kino nämlich den "Ameritrash" durch schwachsinnige Übersetzungen von Filmtiteln selbst produzieren, diesem Phänomen widmet sich der Regisseur Werner Kranwetvogel aus gegebenem Anlass im FREITAG. Er nennt es einen "Blick in den Abgrund des Irrsinns" und meint, beweisen zu können: "Der Wahnsinn hat Methode". Nämlich: "Den deutschen Übersetzern ist die Lautstärke wichtiger als die Klarheit".
Na, wenn das die Italiener lesen ...