Aus den Feuilletons

Des Deutschen Haus

04:20 Minuten
Einfamilienhaus- und Doppelhaus-Neubauten in einer neuen Siedlung.
Bauen am Stadtrand: Für viele Deutsche ist ein Einfamilienhaus weiterhin der Inbegriff des Glücks. © picture alliance /dpa/ Robert B. Fishman
Von Hans von Trotha · 01.03.2021
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Zwei Drittel der Deutschen wünschen sich ein Einfamilienhaus. Und zwar auch deshalb, weil die Stadtplanung nichts Besseres zu bieten hat, verteidigt der "Tagesspiegel" den deutschen Traum. Wolle man zukünftig ökologischer wohnen, müsse dringend anderes her.
Auf in den Kulturkrieg? Das wäre zumindest ein Feld, von dem die Feuilletons berichten. Hierzulande bricht gerade eine Art Kulturkrieg los, in dem es ans deutsche Eingemachte geht, nämlich ans Einfamilienhaus.

Die ökologische Relevanz einer beliebten Wohnform

Im TAGESSPIEGEL fährt Falk Jaeger schweres Geschütz auf: Er verteidigt die "Bauklötze am Stadtrand. Das Einfamilienhaus bleibt die beliebteste Wohnform – weil es an neuer und ökologischer Stadtplanung fehlt", meint er.
Es geht nicht um die Ästhetik dieser Bauklötze ("wahrscheinlich gibt es mehr Schweizerhäuser in der Norddeutschen Tiefebene als in der Schweiz", bemerkt Jaeger), sondern um die Frage "nach der gesellschaftlichen und ökologischen Relevanz dieser von zwei Dritteln der Deutschen gewünschten Wohnform."
Jaeger hat die Lösung zur Befriedung: Der "Königsweg", meint er, "kann nur ein radikaler Wandel des Wohnungsbaus sein. Einerseits, um den Bewohnern ganz real Gleichwertiges oder gar Besseres zu bieten, andererseits, um das Image des Einfamilienhauses zu relativieren und die Attraktivität anderer Wohnformen zu steigern."

Schwere Zeiten für die BBC

In England ist dagegen tatsächlich Kulturkrieg. Ja, Gina Thomas fragt in der FAZ unumwunden: "Ist das ein Kulturkrieg?"
"Die BBC erlebt schwere Zeiten", stellt sie fest. "Die Regierung von Boris Johnson rückt dem Sender auf die Pelle." Jetzt hat er Paul Dacre, ehemals Chefredkteur der "Daily Mail" als Leiter der britischen Medienaufsichtsbehörde nominiert. Der hat über die BBC gesagt: "Zu verdammt groß, zu verdammt allgegenwärtig und zu verdammt mächtig."
"Viele", so Thomas, "sehen die in Aussicht gestellte Ernennung im Rahmen des `Kulturkriegs´ der Regierung gegen Institutionen wie die BBC, die Konservative als realitätsferne Bastionen der linksliberalen `Elite´ abstempeln." Manches scheint aber auch wieder darauf hinzudeuten, dass die Regierung künftig "einen weniger konfrontativen Kurs" steuert.
"Es heißt", so Thomas, "Boris Johnson, der gern von der `Brexit Bashing Corporation´ spricht, strebe eher Reform als Revolution an." Für die Gegenseite zitiert Thomas den "Guardian", der findet, man solle stärker vertreten, "dass die öffentlich-rechtliche Körperschaft für das Funktionieren der Demokratie so notwendig sei wie die Gerichte, der Gesundheitsdienst oder das Militär".

Ein Vermeer für Menschenleben

Von einer Art Kulturbürgerkrieg berichtet Willi Winkler unter der Überschrift "Kunst gegen Leben". Winkler erzählt in der SÜDDEUTSCHEN gern Geschichten. Er hat eine gefunden, in der eine Frau aus bestem Hause - und das in England, wo es noch etwas heißt, aus bestem Hause zu sein - 1974 mit zwei Freunden einen Hubschrauber organisierte "und versuchte, aus der Luft die Polizeistation in Strabane an der nord- und südirischen Grenze zu bombardieren, indem sie Sprengstoff in Milchkannen abwarfen".
Während Rose Dugdale - so der Name der Kämpferin in dieser Kulturbürgekriegsstory mit der Unterzeile "Wie die Untergrundkämpferin Rose Dugdale einen Vermeer für Menschenleben eintauschen wollte" - freikam, mussten ihre Mitstreiter weiter einsitzen. Da verschaffte sich Dugdale mit "Kampfgefährten Zugang zum Russborough House im County Wicklow an der irischen Ostküste. Sie fesselten die Besitzer und nahmen dann 19 Bilder von der Wand: Peter Paul Rubens, Frans Hals, Gainsborough, Velásquez, Goya, von allem nur das Beste, und am allerbesten das Gemälde 'Briefschreiberin und Dienstmagd' von Jan Vermeer. Die Revolutionärin Dugdale kannte seinen unbezifferbaren Wert und schlug einen Deal vor: Kunst gegen Leben, Vermeer gegen (die beiden), die als Bombenattentäter in einem britischen Gefängnis saßen. Sie sollten nach Nordirland in ein anderes Gefängnis zu ihren Kampfgefährten überstellt werden."
Aus dem Deal wurde aber nichts. Und das Happy End, das wir von derlei Geschichten auch im Kulturkrieg erwarten? Der Vermeer hängt jetzt im Museum und, so Willi Winler: "So weit bekannt, hat die inzwischen 79-jährige Rose Dugdale dem bewaffneten Kampf inzwischen abgeschworen und unterstützt das Karfreitagsabkommen, mit dem der jahrzehntelange Bürgerkrieg in Nordirland beendet wurde. Sie wollte ihre Herkunft gegen eine bessere eintauschen. Sie hat die beste von allen bekommen. Ihr Facebook-Profil zeigt Vermeers `Briefschreiberin und Dienstmagd´." Ganz friedlich.
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