Aus den Feuilletons

Der heilige Geist der Freiheit

Ein Demonstrant der Gruppe Anonymous steht vor dem Brandenburger Tor bei Nacht und hält ein Plakat mit einem Foto von Edward Snowden in die Höhe.
Die Frage, ob Edward Snowden vor den NSA-Untersuchungsausschuss geladen werden soll, polarisiert. © picture alliance / dpa / Florian Schuh
Von Adelheid Wedel · 06.06.2014
In der "Welt" hält der CDU-Politiker Volker Kauder zu Pfingsten ein Plädoyer für das Christentum. Und Heribert Prantl erinnert in der "Süddeutschen Zeitung" an die Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden vor einem Jahr.
Man könnte Volker Kauders Plädoyer für das Christentum in unserem Land, abgedruckt in der Tageszeitung DIE WELT, als "Wort zum Pfingstfest" bezeichnen. Der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU im Bundestag wirft Fragen auf:
"Ist Deutschland ein christliches Land? Brauchen wir eine stärkere Rückbesinnung auf christliche Werte?"
Kauder entwickelt seine Überlegungen, ausgehend von der Französischen Revolution, "in deren Folge Staat und Kirche letztlich getrennt wurden".In Artikel 4 des Grundgesetzes, so referiert er, ist mit prägnanter Klarheit formuliert: Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet. Das heißt, so Kauder:
"Deutschland ist kein christlicher Staat."
Dennoch, so beharrt der CDU-Politiker, "ist die christliche Botschaft eine geistige Grundlage unserer Gesellschaft". Schon in der Präambel des Grundgesetzes stehe der Gottesbezug. Sie weist darauf hin, "dass das staatliche Recht nicht alles ist, was eine Gesellschaft ausmacht". Die christliche Lehre tauge nach Kauders Überzeugung "auch heute für die Sinnstiftung einer Gesellschaft, in die sicher mit zunehmender Zeit auch die Vorstellungen anderer Religionen berechtigterweise einfließen werden". Mit einem Appell schließt er seinen Artikel:
"Deutschland ist kein christlicher Staat, aber ein Land mit historischer und aktueller christlicher Prägung. Dem sollten wir uns wieder mehr zuwenden."
Auch Heribert Prantl sucht mit seinem Text in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG nach einem Bezug zum Pfingstfest. Er schreibt:
"Snowdens Outing am Pfingstmontag vor einem Jahr war eine Art pfingstlicher Freiheit, eine Art modernes Pfingstwunder - es hat nichts mit Religion zu tun, sehr wohl aber mit dem Geist der Freiheit, also mit dem Geist der Aufklärung."
Prantl erinnert daran: Snowden hat persönlich keinerlei Vorteile von seiner Tat. "Den Gewinn", so urteilt er, hat "die Rechtsstaatlichkeit der westlichen Demokratien, genauer gesagt: Sie könnten ihn haben, wenn sie den globalen Skandal zum Anlass nähmen, ihren Geheimdiensten Grenzen zu setzen". Snowden ist also nicht nur Aufklärer, er ist auch Motivator. Und deswegen, so folgert der Autor in der SZ, "hat er Besseres verdient, als ein wackeliges zeitlich begrenztes Asyl in Russland". Prantls Wunsch geht weiter, als pfingstliche Forderung formuliert er:
"Überwachung ist eine subtile Vorform der Folter. Sie zu ächten und den Schutz der Privatheit als Weltbürgerrecht zu einem Teil des Völkerrechts zu machen"ist das Gebot der Stunde.
In der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG verteidigt Frank Rieger Snowdens Handeln und beschreibt die Folgen:
"Das Internet ist zwar nicht kaputt, es hat aber seinen einstmaligen emanzipatorischen Glanz endgültig verloren und seine dunkle, unerfreuliche Seite offenbart."
Und, so stellt er fest:
"Die Politik ist immer noch eine Geisel der Sicherheitsprediger. Sie hat das Vertrauen verspielt, ein kompetenter Regulierer für die digitalen Probleme unserer Zeit zu sein."
Wie es nun gelingen könne, die Demokratie zu reparieren, steht nach Rieger in den Sternen. Er beobachtet:
"Statt mutiger Maßnahmen und weitsichtigen politischen Handelns gibt es derzeit beiderseits des Atlantiks eine hektische Suche nach Pseudolösungen, die oberflächlich gut klingen, aber den tatsächlichen Status quo der Überwachungssysteme nicht antasten."
Selbst die Rolling Stones werden in diesen Tagen vor Pfingsten zu biblischen Gestalten, wenn man Peter Münchs Bericht in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG folgt:
"Wahrscheinlich hat seit den Heiligen Drei Königen kein Besucher im Gelobten Land mehr eine solche Aufmerksamkeit erfahren: Vom Himmel hoch kamen sie her, und als sie tatsächlich gelandet waren, druckten die Zeitungen großflächig auf Seite 1 das Bild von vier älteren Herren vor ihrem Privatflugzeug."
Wichtig war, betont der Autor, dass sie überhaupt gekommen sind, trotz allen Gegendrucks. Carlos Santana, Lenny Kravitz, Elvis Costello und andere haben bereits zugesagte Konzerte wegen der Siedlungspolitik Israels wieder abgesagt –
"Mick Jagger aber kam, sah und sang. Und das wurde ihm von mehr als 50.000 Zuschauern in Tel Aviv gedankt."