Aus den Feuilletons

Der ewige Streit mit den Preußen

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Die Burg Hohenzollern bei Bisingen in Baden-Württemberg.
Einst Zentrum der Macht und Stammsitz der Familie: Die Burg Hohenzollern bei Bisingen. © picture alliance/Thomas Warnack/dpa
Von Hans von Trotha  · 02.12.2019
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"Kommt es zum Prozess um die Hohenzollern?", fragt die "FAZ". Immerhin schwelt schon lange ein Eigentumsstreit zwischen der Bundesrepublik und den Hohenzollern. Es sei nie konsequent mit dem monarchischen Erbe gebrochen wurde, heißt es in der "SZ".
"Preußische Planspiele" wittert Andreas Kilb in der FAZ und fragt: "Kommt es zum Prozess um die Hohenzollern?" Es zeichne "sich immer deutlicher ab, dass der Eigentumsstreit zwischen der Bundesrepublik und den Hohenzollern nicht friedlich beigelegt" werde. Das klingt ja fast schon nach Krieg – Preußen gegen Deutschland. Das wär mal was. Doch der Streit solle wohl eher "durch die juristischen Instanzen gehen und (werde) am Ende vor dem Bundesverwaltungsgericht landen. Derweil", meint Kilb und kommt von der Kriegsmetaphorik einfach nicht ganz nicht los, "reift in Berlin ein neues Hohenzollernschloss unter dem Tarnnamen Humboldt-Forum seiner Vollendung entgegen. Vielleicht", mutmaßt der FAZ-Mann, "tut sich die Bundesrepublik mit den Hohenzollern auch deshalb so schwer, weil sie nicht weiß, wie sie mit deren Erbe umgehen soll. Sie will Preußen, aber nicht die Preußen."
Was man, so wie die gerade drauf sind, ja verstehen kann.
In der SÜDDEUTSCHEN widmet sich die Rechts-Professorin Sophie Schönberger der Sache. "Die Gespräche mit den Hohenzollern", schreibt sie, "verstetigen einen Geburtsfehler der Republik. Dieses zombiehafte Fortleben der Monarchie weit nach ihrem Untergang zeigt an, wie sehr die deutsche Republik bis heute daran leidet, dass sie bei ihrer Gründung nicht konsequent mit ihrem monarchischen Erbe gebrochen hat."

Verleihung des "Bad Sex in Fiction"-Award

Wie man sie auch beleuchtet, diese Mesaillance – so nannte man zu Zeiten, auf die die Hohenzollern sich jetzt berufen, nicht standesgemäße Liebesbeziehungen – zwischen der bürgerlichen Bundesrepublik und den hochadeligen Preußen – wie man die nun auch beleuchtet, es klingt verdammt nach schlechtem Sex.
Womit wir beim anderen Feuilleton-Thema des Tages wären: der anstehenden Verleihung des "Bad Sex in Fiction"-Award und der Ankündigung: "Was Sie noch nie über Sex wissen wollten".

Künstler und Werk kaum zu trennen

So überschreibt Christiane Peitz listig ihre Kritik des neuen Woody-Allen-Films A Rainy Day in New York im TAGESSPIEGEL. Peitz kann den Film nicht jenseits oder diesseits, auf jeden Fall nicht ohne "MeToo und das Frauenbild von Woody Allen" sehen. Und so hebt sie mit einem kleinen Die-Kritikerin-nach-Me-too-Monolog an:
"Kunst und Moral sind zwei verschiedene Dinge. Die Kunst und der Künstler auch. Das Werk ist frei. Sein Schöpfer hat Schuld auf sich geladen? Es führt ein Eigenleben, hat das Recht auf ein unabhängiges Urteil. So möchte man es gerne halten, ja, man beschwört es inzwischen geradezu bei all den Debatten um NS-Verstrickung oder MeToo, um Emil Nolde, James Levine, Michael Jackson und Roman Polanski. Aber es klappt nicht. Der Blick auf das Bild, der Genuss der Musik ist kontaminiert vom Wissen um das mutmaßliche oder nachgewiesene Verhalten des Künstlers. Die Wahrnehmung verschiebt sich."
Das gilt auch für Woody Allens Film. Gegen dessen Regisseur ebenfalls Vorwürfe erhoben wurden. "Der Weinstein-Skandal war 2017 mitten in die Dreharbeiten geplatzt", erinnert Peitz. "Etliche Mitwirkende haben sich seitdem von Woody Allen distanziert; Timothée Chalamet, Rebecca Hall und Selena Gomez spendeten ihre Gagen an MeToo-Initiativen wie Time’s Up."

Schlechter Sex in der Literatur

"Was Sie noch nie über Sex wissen wollten". Das könnte auch über Carolin Gasteigers Analyse der Shortlist zum "Bad Sex in Fiction"-Award stehen. "Schlechter Sex", meint sie, "gehört nicht ausgezeichnet, schlechter Sex in der Literatur eher schon. Die Literary Review vergibt seit 26 Jahren den Bad Sex in Fiction Award. Damit kürt die Londoner Zeitschrift 'die schrecklichste Schilderung einer Sexszene in einem ansonsten guten Roman'. Der Preis soll 'auf die grobe, geschmacklose, oft oberflächliche Verwendung überflüssiger Passagen sexuellen Inhalts' hinweisen und 'ihr entgegenwirken'."
Für Filme traut sich das nur keiner. Gasteiger zitiert munter aus der short list. Beispiel: "sie bat ihn, tiefer zu gehen, und, nicht länger fürchtend sie zu verletzen, drang er tief in Geist und Körper vor, in Hohlräume voller Organe, an den Konturen ihrer Lunge und Leber vorbei, und, an ihrem Herzen vorbeitaumelnd, fühlte er ihre Perfektion."
Michel Houellebecq hat übrigens mit seinem Roman "Serotonin" "die Shortlist knapp verpasst", heißt es. Interessant ist die Begründung bei Passagen wie: "Sie wartete, bis wir im Wasser waren um ihre feuchten Körperteile meinem triumphierenden Phallus anzubieten".
"Allerdings", zitiert die SÜDDEUTSCHE die Jury, "seien die Sexszenen im selben Ton wie der Rest von 'Serotonin' verfasst." – Touché.
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