Aus den Feuilletons

Demokratie bedeutet Langsamkeit

Der französische Autor Michel Houellebecq bei der Präsentation seines 2015 erschienenen Buchs "Unterwerfung" in Barcelona.
Hält viel von Donald Trump und wenig von Europa: der französische Autor Michel Houellebecq © EPA/ANDREU DALMAU
Von Adelheid Wedel · 14.12.2018
Der französische Erfolgs-Autor Michel Houellebecq outet sich als Trump-Fan und unterstützt "einfache" Lösungen. Auch den Austritt Frankreichs aus der Nato kann er sich vorstellen. Als Gegenentwurf erinnert die "Welt" an die Vorzüge der Demokratie.
Wer ist "die am stärksten literarisierte Gesellschaft der Welt?" Die Antwort auf die Frage weiß die Tageszeitung TAZ. Und damit auch wir. Es ist Finnland.
Andreas Fanizadeh liefert uns mit seinem Artikel zugleich eine Erklärung dafür. Mitten in Finnlands Hauptstadt, gegenüber dem Parlament, wurde die "riesige neue Zentralbibliothek von Helsinki" eröffnet. Als hätten die Finnen sehnsüchtig darauf gewartet, wurde das Gebäude sofort in Besitz genommen, "für Alte und junge Menschen will sie der Marktplatz für Kommunikation, Ästhetik und kreative Ideen sein."

Bibliothek de luxe

Der Autor zählt auf, was allein im Zwischengeschoss, dem maker space, alles Platz haben wird: "Tonstudios für Musiker*innen, Küchen für Kochkurse, Computer und Spielräume, Textil- und 3D-Printer, Plotter, Arbeitsplätze mit Overlock-Nähmaschinen, Schneidegeräte und Hightech-Räume, deren gläserne Wände aus Bildschirmen bestehen, ein herausragendes elektronisches Equipment also für kreatives Hirn- und Handwerk." Um es mit anderen Worten zu beschreiben, "die Bibliothek der Zukunft ist ein Konglomerat aus Begegnungs-, Wissens- und Produktionsstätte, verpackt im avantgardistischen Design. Es ist das Resultat eines 20-jährigen Diskussionsprozesses der Bürgerschaft Helsinkis."
"Oodi", so der Name des neuen kulturellen Zentrums, ist dabei nur "das leuchtende neue Flaggschiff der insgesamt 853 öffentlichen Bibliotheken Finnlands" und wirke in der modernen demokratischen Stadtgesellschaft "als Bollwerk gegen Populismus."

Literaturpreis für eine Unangepasste

DIE WELT, genauer die LITERARISCHE WELT, stellt in ihrer Wochenendausgabe die neue Preisträgerin des WELT-Literaturpreises vor. Es ist die 1969 im südfranzösischen Nancy geborene Virginie Despentes, "die" – schreibt Mara Delius – "von der Notwendigkeit einer Literatur von unten berichtet." Die neue Preisträgerin "gilt als radikal: feministisch, politisch unangepasst, provokativ in ihren Worten, ein Punk. Keine Schriftstellerin, die berechenbar ist – was daran liegen mag, dass sie eben nicht nur Schriftstellerin ist, sondern als Prostituierte, Filmemacherin, Künstlerin und, zuletzt, als Jurorin des Prix Goncourt gearbeitet hat." DIE WELT druckt ein Gespräch mit "der Unangepassten."

Nato ohne Frankreich

Auch er trug lange Zeit das Label unangepasst. Nun entdeckt Hanna Lühmann – ebenfalls in der WELT – einen neuen Zug an Michel Houellebecq. "Jetzt feiert er Trump", ist da zu lesen. Der französische Schriftsteller "vergleicht sich in einem Text, den er für Harper’s schrieb, mehrmals mit Trump. Wie er habe Trump nichts dagegen, mit Putin zu verhandeln, wie er sei Trump Nationalist. Mit einigem Nachdruck schreibt Houellebecq, Europa sei eine dämliche Idee, die sich schrittweise in einen Albtraum verwandelt habe." Schließlich empfiehlt er: "Frankreich müsse aus der Nato austreten."
Empfehlenswert, quasi als Gegenprogramm im selben Blatt, das Interview mit dem australischen Historiker Christopher Clark, dessen neuestes Buch "Von Zeit und Macht" gerade auf Deutsch erschien. Im Gespräch unter der Überschrift "Wir müssen der Gefangenschaft des Augenblicks entkommen" entwickelt er den Gedanken, "warum Demokratie Langsamkeit bedeutet, die Mitte der Gesellschaft Streit braucht" und erklärt, warum "Intellektuelle unverbesserlich nervöse Naturen sind."

Erstaunliche Forderung aus Israel

Der TAGESSPIEGEL fordert die Aufmerksamkeit für ein Schreiben an die Bundeskanzlerin Angela Merkel. In ihm fordere die israelische Regierung, die Unterstützung für das Jüdischen Museums in Berlin einzustellen. "Der Brief liegt der Tageszeitung vor. Hintergrund", ist dort zu lesen, "sei die Ausstellung 'Welcome to Jerusalem', die, so heißt es in dem Schreiben, eine palästinensisch-muslimische Sicht auf Jerusalem widerspiegele." Neben dem Jüdischen Museum werden in dem Brief, das berichtet Einav Schiff, auch die Berlinale und zwölf NGOs erwähnt, "die wegen ihrer Beteiligung an "antiisraelischen" Aktivitäten ihre finanzielle Unterstützung verlieren sollten."
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