Aus den Feuilletons

Das Rauschen der Kiefern

04:16 Minuten
Kiefern werden in einem leicht hügeligen Gelände von der Sonne beschienen.
Kiefern flüstern dem Schriftsteller Lutz Seiler Gedichte ein, schreibt die "SZ". © picture alliance/dpa/Hinrich Bäsemann
Von Klaus Pokatzky · 11.11.2020
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Der Schriftsteller Lutz Seiler beschreibt in der "SZ" seinen Weg durch den Wald: Wenn der Wind durch die Bäume rauscht, findet der Künstler nicht nur zu sich, sondern wird auch zu Gedichten inspiriert – zu Kieferngedichten.
"Ich bin ihm in persönlichen Gesprächen begegnet, und er hat auf mich einen tiefen Eindruck gemacht in seiner Warmherzigkeit, seiner Authentizität und seiner tiefen Religiosität." Das steht in CHRIST UND WELT, der Beilage der Wochenzeitung DIE ZEIT, über einen amerikanischen Spitzenpolitiker. "Er ist zudem eher Pragmatiker als Ideologe. Sein freundlicher, offener Charakter macht vieles leichter."
Das sagt im Interview der Jesuit Godehard Brüntrup, der in den USA an verschiedenen Universitäten gelehrt hat, über Präsident – na, welchen wohl? "Biden ist groß geworden in einer katholischen Familie irischer Abstammung", erzählt er über den, nach John F. Kennedy, erst zweiten Katholiken in der amerikanischen Geschichte, der in das höchste Amt gewählt wurde.
"Man spürt im Umgang mit ihm, dass er authentisch fromm ist. Für ihn ist der Glaube kein äußerliches Beiwerk. Er lebt ihn tagtäglich, seit seiner Kindheit. Die sonntägliche Messfeier bedeutet ihm sehr viel, er lässt sie nie aus. Kirchenpolitisch gehört er zu den liberalen Katholiken, die sich von der Botschaft sozialer Gerechtigkeit für den Glauben begeistern lassen." Manchmal helfen Gebete wirklich.

Lutz und Johann Wolfgang im Wald

"Mein Weg durch den Wald führt immer an einer bestimmten Stelle vorbei, ich nenne sie die Kiefernversammlung", lesen wir in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG, wie wir in der Natur, gerade in Corona-Zeiten, besinnlich zu uns selber finden können. "Ich stelle mich dort auf, in ihrer Mitte", beschreibt der Schriftsteller Lutz Seiler seine Kiefernversammlung im märkischen Wilhelmshorst.
"Und irgendwann beginnt das Rauschen – die Versammlung spricht. Und dann, irgendwann (nicht ohne mich zuvor umgeschaut zu haben, gerade sind wieder sehr viele Pilzsammler im Wald unterwegs), beginne ich ein wenig mitzureden."
Was die Pilzsammler da so denken würden, wollen wir jetzt nicht wissen – viel wichtiger ist: "Vier Kieferngedichte sind auf diese Weise schon entstanden in diesen Tagen, und so wächst ein Manuskript." Der große Johann Wolfgang hätte das sicherlich verstanden.

Abschied vom Goethe-Institut

"Die persönliche Begegnung ist für mich das A und O, ich bin ein typischer Vermittler", sagt ein anderer Mann der Kultur.
"Ich lebe nicht von Akten, sondern von und mit Menschen", erklärt Klaus-Dieter Lehmann im Interview mit dem Berliner TAGESSPIEGEL. Zum Vermitteln gehören Selbstbewusstsein, Eigenwilligkeit und Unabhängigkeit.
"Die habe ich nie aufgegeben, gerade gegenüber der Politik. Das ist mein Credo", erklärt Klaus-Dieter Lehmann, der nun nach zwölf Jahren als Präsident des Goethe-Instituts ausscheidet.
Und die Unabhängigkeit gegenüber der Politik ist gerade da wichtig, wo Herrscher an der Macht sind, die sich vor einem christlich-sozialen Joe Biden im Weißen Haus nur grausen können.
"Viele autokratische Gesellschaften, ob in der Türkei, in Russland, in China, sind ja nicht homogen, sondern es gibt eine große Diversität. So steht in der Türkei etwa die Hälfte der Bevölkerung nicht aufseiten der Regierung, und es besteht Interesse an demokratischen Ansätzen und freier Meinungsäußerung", räumt er mit manchen Klischees auf – und erzählt von der ganz praktischen und bodennahen Arbeit der Goethe-Leute.
"Hier haben wir zum Beispiel in Polen und Ungarn außerhalb der Metropolen inzwischen Kulturorte in kleineren Städten mit lokalen Kulturakteuren begründet. Die Menschen können spüren, wir gehören zusammen, sie gehören zu Europa, sie sind nicht abgehängt."
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