Aus den Feuilletons

Das müffelnde Eigenlob der "Bild"

"Warum Bild heute keine Bilder druckt" lautet die Titelzeile der "BILD"-Zeitung vom 08.09.2015 in Berlin. Die sonst so bildstarke Zeitung hat in ihrer heutigen Ausgabe statt Fotos graue, leere Felder gedruckt. Man will nach eigenen Angaben damit zeigen, wie wichtig Fotos im Journalismus sind und bezieht sich damit auf die kontroverse Diskussion um das weltweit verbreitete Bild des ertrunkenen Flüchtlingskindes Aylan. Foto: Thalia Engel/dpa
"Warum Bild heute keine Bilder druckt" lautet die Titelzeile der "BILD"-Zeitung vom 08.09.2015. © picture-alliance / dpa / Thalia Engel
Von Tobias Wenzel |
Selbst ernannte Sturmhaube der Pressefreiheit: So kommentiert Joachim Huber im "Tagessspiegel", dass die "Bild" am Dienstag ganz ohne Fotos erschienen ist. Das Eigenlob des Boulevard-Blattes im "täglichen Kampf um das beste Bild" kann den Kolumnisten nicht überzeugen.
"Eigenlob müffelt", hat, mit Blick auf die "Bild"-Zeitung, Joachim Huber seinen Artikel für den TAGESSPIEGEL genannt. Die "Bild" hatte ihre Dienstagsausgabe ohne Fotos veröffentlicht. Gleich auf der ersten Seite begründe "Bild" dieses einmalige Vorgehen so:
"Wir wollen damit zeigen, wie wichtig Fotos im Journalismus sind. Und dass es sich lohnt, jeden Tag um das beste Bild zu kämpfen."
Und das habe "Bild", so die "Bild", "oft gegen harte Widerstände" getan. Joachim Huber vom TAGESSPIEGEL ist merklich angewidert von alldem. Und auch davon, dass sich das Boulevard-Blatt mit dem klagenden Chor der griechischen Tragödie gleichsetzt. Hubers Fazit:
"Die Ausgabe vom 8. September ist eine Selbstfeier der selbst ernannten Sturmhaube der Pressefreiheit."
Anlass für die Aktion der "Bild"-Zeitung war die Veröffentlichung eines Fotos, das den dreijährigen syrischen Flüchtlingsjungen Aylan zeigte.
Eine Herausforderung für die Berichterstattung
"Das Ringen um den richtigen Umgang mit dem Schicksal des kleinen Jungen macht deutlich, wie herausfordernd die Berichterstattung über die Flüchtlingstragödie ist,"
schreibt Froben Homburger, der Nachrichten-Chef der dpa, in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG. Homburger hat nichts gegen eine auch emotionale Berichterstattung. "Aber", führt er aus,
"Emotionalität darf niemals auf Kosten der nachrichtlichen Präzision gehen – auch dann nicht, wenn die Genauigkeit in einem emotionalen Umfeld befremdlich wirkt."
So sei seine Nachrichtenagentur wegen ebendieser Präzision von links und rechts kritisiert worden. Von rechts, weil die dpa beschlossen hatte, im Zusammenhang mit Protesten und Angriffen auf Flüchtlinge "auf die missverständlichen und beschönigenden Pauschalbegriffe 'Asylkritiker' und 'Asylgegner' zu verzichten"; wie Homburger schreibt. Stattdessen wolle die dpa von nun an in jedem Einzelfall so genau wie möglich sein und fragen:
"Marschieren da durchweg NPD-Anhänger? Sind auch Fußball-Hooligans dabei? Anwohner, die sich belästigt fühlen? Rufen sie fremdenfeindliche Parolen? Tragen sie Kleidung oder Abzeichen, die auf rassistische Gesinnung hindeuten? Was steht auf Transparenten?"
Fortsetzung der Paukerkomödie
Was schreibt denn Jürgen Kaube da? Und vor allem wie? Fragt man sich, wenn man seine Rezension zum Kinofilm "Fack ju Göhte 2" in der FAZ liest. Kaube findet die Fortsetzung der Paukerkomödie noch besser als den ersten Teil, "dank dem Film seinem Personal".
So sprechen wie die freundlichen Proleten im Film und das als FAZ-Herausgeber, das findet der offensichtlich komisch. Dann hat Kaube doch noch etwas zu kritisieren, natürlich wieder in der Sprache der bildungsschwachen Komödienhelden:
"Filmemacher, ihr seid so wenig Drehbuch."
David Steinitz schreibt enttäuscht in der SÜDEUTSCHEN ZEITUNG:
"Nach dem Film fühlt man sich dann, als hätte man seinen Kopf zwei Stunden durch die Tür einer Ibiza-Großraumdisco gesteckt, in der ein DJ aggressiv Witze ins Mikro brüllt: bäm, bäm, bäm."
Und Anke Westphals vernichtendes Urteil in der BERLINER ZEITUNG:
"In 'Fack ju Göhte 2' koaliert Geistesverachtung mit Betroffenheitsnötigung".
Besuch bei einem Volksheiligen Mexikos
Zum Schluss noch etwas Besinnliches. Na ja, jedenfalls für gewisse Mexikaner. Boris Herrmann hat für die SZ im mexikanischen Culiacán den Altar von Jesús Malverde besucht. Der Altar des Volksheiligen zeige die Abbildung eines traurig dreinschauenden Mannes:
"Umso auffälliger sind die, nun ja, lustigen Verzierungen: Hanfblätter, ein gelber Sportwagen, Maschinengewehre. Das alles soll kein Scherz sein, hier wird gebetet."
Volksheilige wie Malverde seien für alle Bereiche zuständig, bei denen Gott nicht mit sich reden lasse. In Culiacán, im Norden Mexikos, seien das:
"Kokainhandel, Tunnelbau, Blutrache."
Jesús Malverde trage den Beinamen "El Narcosanto". Boris Herrmann löst das in der SZ so auf:
"Er ist der Schutzheilige der Drogendealer."
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