Aus den Feuilletons

"Dann bist du eben Wolfgang"

Wolfgang Leonhard im Jahr 1995.
Wolfgang Leonhard im Jahr 1995. © picture alliance / dpa / Stefanie Pilick
Von Gregor Sander · 17.08.2014
"SZ" und "NZZ" sind ausgesprochen zufrieden mit dem Filmfestival von Locarno und loben das Programm und die Preisvergabe. Die "taz" erinnert in ihrem Nachruf auf Wolfgang Leonhard an eine lustige Anekdote.
"Locarno ist von allen großen Filmfesten der Welt das beweglichste, das offenste",stellt Fritz Göttler in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG fest und auch mit der Preisvergabe der Jury zeigt er sich zufrieden:
"Lav Diaz von den Philippinen und Pedro Costa aus Portugal, sind, quasi selbstverständlich, dieses Jahr mit wichtigen Preisen ausgezeichnet worden – 'From What Is Before' erhielt den Goldenen Leoparden, 'Cavalo Dinheiro' den Regiepreis. Zwei umstürzlerische Geschichten, die das Politische mit dem Phantomhaften mischen. Zwei Filmemacher, die filmen, wie das Leben fließt, nichts ist forciert in ihrem Rhythmus, alles hat seine Zeit."
Lav Diaz‘ Film handelt von den Auswirkungen der Marcos-Diktatur in der philippinischen Provinz und überzeugte damit auch Bettina Spoerri von der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG:
"Wie wenige andere, die in jüngerer Zeit wieder in epischer Länge erzählen – unter ihnen Edgar Reitz –, hat der erfahrene philippinische Regisseur die bewusste Reduktion auf Schwarz-Weiß gewählt. Mit der Kameraführung, in der lange Einstellungen und Totalen dominieren, unterstreicht er seine Kompromisslosigkeit."
300 Millionen Bücher hat der Thrillerautor James Patterson an den Leser gebracht und ist so wohl zum Milliardär geworden, wie Hannes Hintermeier in der FRANKFURTER ALLGEMIENEN ZEITUNG vermutet:
"Aber das ist nicht so wichtig, wichtiger ist sein vor zehn Jahren begonnenes Engagement für die Leseförderung. Zur Unterstützung des unabhängigen Buchhandels hat er eine Million Dollar ausgelobt, schon 2005 stiftete er 850.000 Dollar für Institutionen, die es schaffen, Kinder fürs Lesen zu begeistern. Patterson weiß: Nur Bildung ermöglicht Aufstieg."
Mit sechs Co-Autoren arbeitet Patterson in einer regelrechten Schreibfabrik und entspricht so gar nicht dem Klischee des stillen zurückgezogen Schriftstellers.
"Nun hat sich James Patterson mit dem größten Ego der Branche angelegt",berichtet Hintermeier.
Via CNN ließ er Anfang der Woche eine Vision verbreiten:
"If I were Amazon’s Jeff Bezos". Auf drei Seiten beschreibt er einen Tagtraum, den er regelmäßig zu träumen vorgibt – und schildert darin, was er täte, wenn er der Gründer von Amazon wäre.
Und was träumt einer wie Patterson wenn er einer wie Bezos wäre? "Weil Bezos so viel erreicht und die Branche noch nicht zerschmettert habe – was er jederzeit könnte –, hört er jetzt auf damit, die Verleger zu erpressen. Diese Einsicht erträumt sich James Patterson, weil er Bezos nicht nur als 'legendär smart' beschreibt, 'sondern auch als weise'. Vermutlich hat sich Patterson damit als Hofnarr bei Amazon qualifiziert, aber das wird ihn nicht abhalten, weiter für seine Mission zu reiten",so Hannes Hintermeier in der FAZ.
"Stalinist, Kommunist, Tito-Freund und Demokrat"mit diesen Worten überschreibt Klaus Hillenbrand in der TAZ seinen Nachruf auf Wolfgang Leonhard. "Eigentlich hieß er mit Vornamen Wladimir. Doch Walter Ulbricht missfiel der Name bei der Rückkehr aus dem sowjetischen Exil ins zerstörte Berlin. "Das mit dem Wladimir ist schlecht, hast du keinen deutschen Vornamen?", fragte er Leonhard während des Fluges am 30. April 1945. Leonhard bot Wolfgang an. Ulbrichts Antwort: 'Na gut, dann bist du eben Wolfgang'."
Der fiel bald ab vom Kommunismus sowjetischer Prägung und floh über Jugoslawien nach Westdeutschland. Am Sonntag starb Leonhard 93-jährig und Willi Winkler erinnert in der SZ noch einmal an seinen größten Erfolg:
"1955 erschien bei Kiepenheuer & Witsch „Die Revolution entlässt ihre Kinder“. Es war eins dieser Bücher, deren Titel sprichwörtlich wurden. Leonhards Enthüllungen wurden so dankbar aufgenommen –der Bericht gehörte zu den größten Bucherfolgen der Nachkriegszeit –, dass den meisten der melancholische Zug darin entging. Es war auch die Klage um eine in der Weltgeschichte verlorene Hoffnung."