Aus den Feuilletons

Coole Hipster-Rentner aus Kuba

Mitglieder des kubanischen Orchesters "Buena Vista Social Club" während eines Konzerts 2009 im spanischen San Sebastian
Mitglieder des kubanischen Orchesters "Buena Vista Social Club" während eines Konzerts 2009 im spanischen San Sebastian © dpa / picture alliance / epa efe Herrero
Von Adelheid Wedel · 12.07.2015
Stefan Krulle ist in der "Welt" schwer angetan vom Abschiedskonzert des Buena Vista Social Clubs, deren greise Mitglieder mit ihrer Lässigkeit so manchem Youngster als Vorbild dienen können. Die FAZ hingegen freut sich über den Börne-Preis für ihren Herausgeber Jürgen Kaube.
Die Dankesrede von Jürgen Kaube, die er bei der Verleihung des Ludwig-Börne-Preises hielt, ist an diesem Montag in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG nachzulesen. Darin gibt es allerhand Überlegungen zur gegenseitigen Bedingtheit von Journalismus und Philosophie oder anders ausgedrückt, von Zeitschriftstellerei und Wissenschaft. Bekanntermaßen gründete der 32-jährige Ludwig Börne im Jahr 1818 in Frankfurt am Main die "'Die Waage', eine Monatszeitschrift für Bürgerleben, Wissenschaft und Kunst. Durch sie wird Börne der erste deutsche politische Feuilletonist. Ein Tagebuch der Zeit wollte er führen."
Zeit seines Lebens fragte er:
"Dient im bürgerlichen Leben die Kunst in erster Linie der Unterhaltung? Oder der Wahrheit? Oder der Schönheit?"
Börne formulierte in seinem Programm:
"Für den Journalisten sei entscheidend, die Aussagen der Zeit zu erlauschen. Auch das Nebensächliche sei wichtig. Börne sieht den Journalisten als eine Art Forscher, und dies zu einem Zeitpunkt, als es so etwas wie die Sozialwissenschaften noch gar nicht gab."

Eigene Art von Coolness

"Wenn der Lebensabend eine einzige Partynacht ist" – so überschreibt Stefan Krulle in der Tageszeitung DIE WELT seinen Bericht vom allerletzten Konzert des Buena Vista Social Club in Hamburg. Und ganz schnell stellt er fest:
"Ihre Musik ist viel cooler als das meiste Neue".
Rund 3.500 feierten mit den Musikern diesen Abschied vom Konzertalltag. Wir erinnern uns:
"ihr Debüt-Album belegte fast drei Jahre lang den ersten Platz der World Music Charts."
Vor allem Lässigkeit boten die ergrauten Kubaner bei diesem letzten Konzert.
"Das fing mit ihren stilsicheren Gewändern und ergo mit wunderbaren Maßanzügen an und endete bei ihrer komplett lässigen Darbietung auch komplexerer Songs," berichtet Stefan Krulle erkennbar beeindruckt. Und weiter:
"Sie tanzen auch mit 78 noch nicht hüftlahm und formen sich ihr Auditorium nach Belieben zum Chor."
Ganz und gar begeistert ist der Autor von der Sängerin Omara Portuondo.
"Eine unglaubliche Frau, Mitte Achtzig, im pinkfarbenen Kleid mit gelbem Tuch um den Kopf, vor deren sehr eigenen Art von Coolness manchmal selbst juvenales Selbstverständnis kapituliere. Wer diese Sängerin nach ihrer Farewell-Tour jemals ersetzen könne, bleibe ein Rätsel."

Kongolesische Gegenwartskunst

Eine ebenfalls begeisterte Rezension beschreibt in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG eine "überwältigende Ausstellung" in Paris. Sie zeigt unter dem Titel "Beauté Congo – 1926 bis 2015 – Cobgo Kitiko" 90 Jahre Kunst in Zentralafrika. In Lingala, einer der fünf Nationalsprachen der Demokratischen Republik Kongo, bedeutet "kitiko" : schön oder: wow!
"Die Schau in der Fondation Cartier feiert das Leben in einem Knall aus Farben, Kurven und Licht, dass man sich vorkommt, als hätte man einen Regenbogen über der Seine verschluckt," schreibt Tim Neshitov, nahezu betört von der Schönheit der gezeigten Bilder, Graphiken, Fotos und Skulpturen.
"Alle 350 Werke, die Creme de la Creme der kongolesischen Gegenwartskunst," informiert die Zeitung, "werden in Europa aufbewahrt. Im Kongo kennt sie niemand."
Und so erklärt sich der Kommentar des Autors:
"Diese Ausstellung in Paris ist zum Heulen. Und nicht nur, weil sie eine Weltpremiere ist."
Die Tageszeitung TAZ informiert über eine Neuigkeit aus Russland. Seit 2008 wird dort am 8. Juli der Tag der Familie, Liebe und Treue begangen. Für ein Fest der Partei "Einiges Russland" zu diesem Anlass wurde jetzt eine Flagge enthüllt.
"Auf hellblauem Grund sind eine Frau und ein Mann zu erkennen, an ihren Händen halten sie drei Kinder, zwei Jungs und ein Mädchen."
Die Idee dazu hatte Alexej Lisovenko, Leitungsfigur der Partei Putins. Er teilte mit, dass die Werbeaktion eine Antwort auf westlichen Kulturtransfer sei. Und wörtlich:
"Das ist unsere Antwort zur gleichgeschlechtlichen Ehe... Wir müssen vor dem Schwulenfieber in unserem Land warnen."