Aus den Feuilletons

Boing, boing, boing!

Der Film startet am 02.07.2015 in den deutschen Kinos.
Drei Minions in der Stadt - eine Szene des Animationsfilms "Minions" © picture alliance / dpa / Universal Pictures International France
Von Tobias Wenzel · 04.07.2015
Der Animationsfilm "Minions" lässt das Kind im Feuilletonisten jubeln und erlaubt sehr schlichte Überschriften. Im Kontrast dazu schwurbelt eine Zürcher Edelfeder über "Schwerkraft der Langeweile" und "Taubheit des Herzens". Darauf ein Bier aus der neuen taz-Pulle!
"Uh oh. Hehehehehe. Ramspopo", schrieb die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG und DIE WELT: "Boing, boing, boing!" Man könnte nun versucht sein, die Kollegen zu verteidigen, indem man darauf verweist, dass sie über den Animationsfilm "Minions" urteilten. Aber wie sie das taten, ließ nur einen Befund zu: Die Kombination aus Sommerloch und Hitzewelle hatte den Feuilletonisten Sinn und Verstand geraubt oder aber sie zu kuriosen Höchstleistungen angetrieben.
Die Hitze in Griechenland, mit dem das Feuilleton tapfer das Sommerloch zu stopfen versuchte, wurde allerdings lebensgefährlich, jedenfalls beim Geldabheben: "Es gibt Rentner, die vor den Automaten anstanden und in der sommerlichen Hitze Herzinfarkte erlitten haben", schrieb Wassilis Aswestopoulos in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG. Das anstehende Referendum spalte die Griechen tief und sei somit zum Sicherheitsrisiko geworden. Drei Männer hätten einem Syriza-Sympathisanten Schläge angedroht. Es sei der Satz "Ich fick deine Mutter, du ungewaschener Linker" gefallen. Ein junger Mann habe zu einer demonstrierenden Rentnerin gesagt: ‚Du alte Hexe, hau ab! Deine wirren Reden gefährden meine Zukunft." Darauf hätten andere Rentner die alte Frau verteidigt und dem jungen Mann damit gedroht, ihn zu lynchen.
Über wahre Lebenskunst
Roman Bucheli von der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG drohte auch. Nämlich einzuschlafen. Er musste aber das Feuilleton füllen. Irgendwie. Mit irgendwas. Also schrieb er, wohl inspiriert von seiner eigenen Langeweile, über die Langeweile: "Hiesse wahre Lebenskunst [...], sich noch einmal der Schwerkraft der Langeweile hingeben zu können? Noch einmal so leer und zwecklos und wortlos werden und im Gurren der Tauben an einem Sommertag das quälend foppende Gegenstück erkennen des eigenen Unvermögens, die Taubheit des Herzens in Worte zu fassen?"
Die TAZ versuchte erst gar nicht journalistisch kreativ zu sein, sondern brachte ein eigenes Bier auf den Markt. Kommentar von Sabine Vogel in der BERLINER ZEITUNG: "Die schaffen selbst das Wetter für sich zu gewinnen."
Ob mit Sonnenstich oder ohne forderte Umberto Eco, Journalisten sollten in Zukunft Internetseiten rezensieren. Marc Reichwein zeigte sich in der WELT entsetzt: "Nun sollen Journalisten nicht mehr die Wirklichkeit beobachten, sondern sagen, was das Internet mit der Wirklichkeit zu tun hat."
Zum Internetkritiker degradierte und überhaupt gerne beschimpfte Journalisten sehnen sich natürlich nach Liebe und Bestätigung. Die kam vielleicht aus Saudi-Arabien, wie die SZ mit Verweis auf bei Wikileaks veröffentlichter Dokumente schrieb. Demnach plante Saudi-Arabien, fünf deutsche Journalisten für eine positive Berichterstattung über das Land zu bezahlen, in dem Frauen nicht Auto fahren dürfen und Menschen ausgepeitscht und enthauptet werden. Das monatliche Grundgehalt sollte 7500 Euro betragen. Bonuszahlungen waren für veröffentlichte positive und für verhinderte negative Artikel vorgesehen. Ob das unmoralische Angebot tatsächlich Journalisten gemacht und von ihnen angenommen wurde, wisse man nicht. Den Wikileaks-Dokumenten kann man aber entnehmen, dass die Saudis auch einen Journalisten in München schmieren wollten. "München?", fragen die SZ-Autoren nervös. Denn München ist der Sitz der SZ.
Hundehütte und löchriges Dach
Zum Schluss noch eine Verbeugung vor drei Autoren, die im tiefschwarzen Sommerloch feuilletonistische Sternschnuppen haben aufleuchten lassen.
Namhafte Architekten aus dem In- und Ausland waren zu Besuch bei Bundespräsident Gauck. Normalerweise ist das nur eine kleine Meldung wert. Gerhard Matzig aber nutzte in der SZ die Gelegenheit, über das bisher traditionell gestörte Verhältnis zwischen Politikern und Architekten zu schreiben. So habe Norbert Blüm über Sep Rufs Kanzlerbungalow in Bonn gesagt, der besitze "den Charme einer Hundehütte". Allerdings hätten es die Architekten den Politikern und Bauherren auch nicht immer leicht gemacht, sie zu lieben. In den Worten von Gerhard Matzig: "Wegen eines undichten Daches wurde einmal der Architekt Frank Lloyd Wright [...], der von sich selbst sagte, er sei der beste Architekt der Welt, angerufen. Vom erzürnten Bauherrn. Es regne, so der Bauherr, auf den Esstisch. Dann, so der Architekt, solle man halt den Esstisch verrücken."
"Kollegen verschwinden in die Ferien, die Reihen in der Redaktion lichten sich. Wir müssen beim Dienstplan improvisieren", schrieb die WELT und begründete damit die neue Sommerserie "Urlaubsvertretung". Da berichten Journalisten über Kulturthemen, von denen sie keine Ahnung haben. Feuilleton-Chef Andreas Rosenfelder machte den Anfang und versuchte, Mahlers Dritte, interpretiert von der Berliner Staatskapelle unter der Leitung von Zubin Mehta, zu rezensieren. Rosenfelder ließ seinen Assoziationen freien Lauf, dachte an "Star Wars" und an einen Zeichentrickfilm: "Ein Eichhörnchen, dem Zubin Mehta mit seiner rechten Hand eigens den Takt vorgibt, hüpft in freudigen, kurzen Sätzen durch eine Blumenwiese, wobei es auf dem Scheitelpunkt der Sprünge jeweils zitternd in der Luft verharrt."
Der letzte Satz dieser Feuilletonwoche gebührt allerdings dem österreichischen Autor Thomas Glavinic. In der FRANKFURTER ALLGEMEINEN SONNTAGZEITUNG gelingt es ihm, Sinn im Trivialen zu finden: "Ich mag Waschmaschinen. Sie waschen Wäsche, und man kann etwas draufstellen."
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