Aus den Feuilletons

Bloß kein Ende des Kalten Krieges

US-Präsident Barack Obama und Kubas Staatschef Raúl Castro beim Empfang mit militärischen Ehren im Präsidentenpalast in Havanna.
US-Präsident Barack Obama und Kubas Staatschef Raul Castro beim Empfang mit militärischen Ehren im Präsidentenpalast in Havanna. © picture alliance / dpa / Michael Reynolds
Von Hans von Trotha · 21.03.2016
In Kuba blieb die Revolution aus: Raul Castro hat Barack Obama beim historischen Besuch nicht am Flieger abgeholt. Was wie Annäherung aussieht, will die kubanische Führung als Sieg des Sozialismus verstanden wissen, lesen wir in der "taz".
Vom "Krieg der Supermächte" ist in der SÜDDEUTSCHEN die Rede. Tja, denkt man da schnell, die Postpostpostmoderne lebt halt vom Revival. Und - schwupps – haben wir wieder Kalten Krieg. Dazu passt, was Kerstin Holm in der FAZ feststellt, nämlich:
"Russland ist infolge widriger Umstände, aber auch dank eigener Bemühungen vom Pfad der Entwicklungspartnerschaften abgebogen, hat sich ins Gebüsch trotziger Souveränität geschlagen, dadurch aber auch seine Zukunftsperspektive eingebüßt."

Lebedew-Roman erscheint nicht in Russland

Dazu wiederum passt Ilma Rakusas Bemerkung in der NZZ:
"Es gibt viele düstere Bücher aus russischer Feder, doch der Roman 'Menschen im August' des 1981 geborenen Moskauers Sergei Lebedew übertrifft die meisten. Dass er bisher in Russland nicht erscheinen konnte, hängt mit Lebedews These zusammen, die grausame Geschichte des 20. Jahrhunderts – Revolution, Bürgerkrieg, Stalinscher Terror, Gulag, Verfolgung und Deportation ethnischer Minderheiten, Korruption, Misswirtschaft, geheimdienstliche Bespitzelung – habe sich nach dem Kollaps der Sowjetunion in veränderter Form fortgesetzt: im Putsch des Sommers 1991, im Chaos der Jelzin-Zeit, im ersten Tschetschenienkrieg, im Aufstieg des ehemaligen KGB-Mannes Putin, der es in kurzer Zeit vom Direktor des Inlandsgeheimdienstes FSB zum Ministerpräsidenten und dann zum Präsidenten der Russischen Föderation schaffte."
Zur Wiederkehr des Kalten Krieges passt natürlich auch, wenn Raul Castro Barack Obama nicht am Flieger abholt.
"Was für viele nach Annäherung aussieht", analysiert Bernd Pickert in der TAZ, "versucht die Führung des Landes umzudeuten: in einen Sieg des Sozialismus. Das Signal ans eigene Volk (lautet): Glaubt bloß nicht, dass sich hier gerade DDR 1989/90 wiederholt!"
Also bloß kein Ende des Kalten Krieges.
"Heute keine Revolution"
ist Pickerts TAZ-Beitrag überschrieben.

Beschleunigte Veränderungen im digitalen Zeitalter

Revolutionen finden aber eh längst in anderen Gefilden statt. Und das tun sie anders als man, zumindest als Mathias Müller von Blumencron es erwartet. Der schreibt in der FAZ:
"Irgendwann, so ist das bei Revolutionen, verlieren Bewegungen ihr Tempo. Bei der digitalen Revolution ist das anders. Die Geschwindigkeit der Veränderungen nimmt weiter zu. Mehr als zwanzig Jahre nach der Erfindung des World Wide Web haben wir immer noch keine sichere Antwort auf entscheidende Fragen: Wie werden sich die Menschen in Zukunft über Politik, Wirtschaft und Kultur informieren? Verändern Smartphone und soziale Medien die Gesellschaft eigentlich zum Besseren?"
Das Smartphone ist es denn auch, das den "Krieg der Supermächte" auslöste, von dem Jörg Häntzschel in der SÜDDEUTSCHEN berichtet:
"Das FBI will den Zugang zu Apple-Geräten erzwingen. Der Konzern wehrt sich. Die Verantwortlichen bei der US-Justiz schauten ein, zwei Jahre zu, während ihre Wut wuchs. Nun will das FBI den Zugang zu diesem Raum zurückerobern. Mit aller Macht. Der Streit Apple vs. FBI begann im Februar als regionaler Konflikt, ist aber längst zu einem Krieg der Supermächte eskaliert."
Wobei heute andere Supermächte Krieg führen als früher:
"Auf der einen Seite stehen Justiz und Regierung bis hinauf zu Präsident Obama; auf der anderen Seite eine seltene Allianz aus Tech-Konzernen wie Amazon, Facebook, Google, Microsoft, AT&T, eBay und WhatsApp, Bürgerrechtsorganisationen wie der ACLU sowie weitere Unterstützer wie Zeid Ra'ad al-Hussein, der UN Hochkommissar für Menschenrechte, Edward Snowden – und Ex-Homeland-Security-Chef Michael Chertoff sowie Ex-NSA Chef Michael McConnell."

Einseitiger Kampf in Havanna

Bei dieser Großen internen Kriegskoalition dürften die USA bis auf Weiteres mit sich beschäftigt bleiben und nicht viel Zeit für andere Kalte Kriege haben wie gegen Russland oder Kuba. Und so wird in Havanna eher einseitig gekämpft, wie die TAZ berichtet:
"Zwei Tage vor dem Obama- Besuch hingen in den Straßen Havannas die ersten 'Willkommen in Kuba'-Plakate – aber anders als zuvor beim Papst zierte sie nicht nur das Konterfei des Gastes, sondern das von Kubas Staatschef Raúl Castro gleich mit. Der private Nutzwert der Plakate reduziert sich damit für viele Kubaner auf null. Der Kampf um Symbole ist manchmal so bedrückend primitiv."
Also, wenn es etwas gibt, was wir aus dem ersten Kalten Krieg hätten lernen können, dann ja wohl das.
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