Aus den Feuilletons

Auszeichnung mit Nachgeschmack

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Der Schriftsteller Fiston Mwanza Mujila © Deutschlandradio - Matthias Dreier
Von Adelheid Wedel · 05.07.2017
Heute wird der Autor Fiston Mwanza Mujila für sein Debütroman mit dem Internationalen Literaturpreis ausgezeichnet. Nora Voit kritisiert in der Tageszeitung "Taz" Mujilas Frauenbild in "Tram 83".
Was wissen wir über die Welt, über Gegenden jenseits von Europa? Diese Frage muss erlaubt sein angesichts der Fakten, die in der Tageszeitung TAZ vom Donnerstag zu lesen sind. Am 6. Juli jährt sich der Beginn des Biafra-Krieges, der von 1967 bis 1970 drei Jahre lang in Nigeria tobte, in einem Land mit 185 Millionen Einwohnern, die sich auf mehr als 250 Volksgruppen verteilen.
"Ein halbes Jahrhundert später sind die Verbrechen und ihre Folgen noch immer nicht aufgearbeitet", schreibt Katrin Gänsler. Und: "Offiziell wird über den Krieg lieber geschwiegen." Aber die Unruhe in der Bevölkerung wächst. "Was funktioniert denn hier noch?", fragen sich junge Leute in Nigerias Hauptstadt Abuja.
Sie stellen resigniert fest: "Die nigerianische Währung ist nichts mehr wert, unsere Ausbildung ist es nicht. Es gibt keine Jobs und wenn doch, dann werden diejenigen mit den richtigen Kontakten bevorzugt." Der dreijährige Bürgerkrieg "mit internationaler Beteiligung forderte bis zu zweieinhalb Millionen Todesopfer, jahrzehntelang wurde darüber nicht gesprochen". Jetzt aber regt sich neuer Bürgersinn, der "Nigeria als zerbrechliches Ganzes" sieht.

Bücher als Akzent im Umgang mit Fremden

Krieg, Zerstörung, Leidensgeschichten - fast alltägliche Begriffe, mit denen wir umgehen. Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG wendet sich dem Schicksal der Jesiden zu, Vertriebene im eigenen Land. "Manche fanden in Deutschland eine neue Heimat", berichtet Peter Haffner und stellt zwei Veröffentlichungen zum Thema vor: "Ich bin eine andere. Warum ich meine Familie verlassen musste, um frei zu sein" von Dilan S. und "Das Lied der endlosen Trockenheit" von Jan Ilhan Kizilhan. Diese "Bücher setzen wichtige Akzente in der aktuellen Debatte über den Umgang mit dem Fremden", meint der Autor.
Sie machen deutlich, "so verfehlt es ist, in kolonialistischer Manier traditionellen Gesellschaften den Wandel aufzwingen zu wollen, so fahrlässig ist es, Immigranten sich selbst zu überlassen, indem man sie mit Sozialhilfe ruhigstellt und damit Parallelgesellschaften schafft, in denen Haustyrannen geltendes Recht de facto aushebeln können. Integration erfolgt über Sprache, Bildung und Teilhabe am Arbeitsleben", wird Kizilhan zitiert. Er macht Flüchtlingen aus eigenem Erleben klar, "dass sie selber aufgeben müssen, was nicht im Einklang mit den Menschenrechten und den Prinzipien der Demokratie steht".

TAZ kritisiert Mujilas Frauenbild in "Tram 83"

An diesem Donnerstag wird der kongolesische Autor Fiston Mwanza Mujila mit dem Internationalen Literaturpreis ausgezeichnet, steht in der Tageszeitung TAZ. Für sein "furioses Debüt" "Tram 83" erhält er den vom Berliner Haus der Kulturen der Welt und der Stiftung Elementarteilchen aus Hamburg ausgerufenen Preis, der seit 2009 vergeben wird.
"In seinem Roman schreit sich Mujila viele Jahrhunderte Kolonialismus aus der Seele", rezensiert Nora Voit. Kritisch bemerkt sie: "Die gnadenlose Ausbeutung des weiblichen Körpers in einer männerdominierten Gesellschaft wird durch den Erzähler an keiner Stelle hinterfragt oder aufgebrochen. Die Verachtung der 'Beute' Frau ... hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack und einige Fragen."
Die in der Tageszeitung DIE WELT als Frage formulierten drei Wörter "Gute Nacht, Demokratie?" erklärt Richard Herzinger mit einer weiteren Frage: "Könnte es sein, dass die für unerschütterlich gehaltene amerikanische Demokratie ins Wanken gerät? Bis vor kurzem schien das noch undenkbar. Denn im Gegensatz zu den klassischen Nationalstaaten des Westens waren die Vereinigten Staaten und die Demokratie von Anfang an eins. Die freiheitliche Demokratie ist die Gründungsidee der amerikanischen Nation, nicht die ethnische Definition einer Nationalität. Anders als demokratisch kann man sich die USA eigentlich gar nicht vorstellen", formuliert Herzinger fast bekenntnishaft, um schließlich zu warnen: "Trumps Autoritarismus sollte uns bewusst machen: Freiheitliche Institutionen sind nur so stark, wie der Wille der einzelnen Bürger, sie zu verteidigen."
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