Aus den Feuilletons

Aufgewachsen ohne Hierarchien

03:57 Minuten
Die Regisseurin Margarethe von Trotta. Eine ältere Dame in schwarzer Bluse und schwarzem Jackett. Sie blickt den Betrachter an.
Margarethe von Trotta bekommt dieses Jahr den Ehrenpreis beim Deutschen Filmpreis verliehen. © imago / Spöttel Picture
Von Gregor Sander  · 28.04.2019
Audio herunterladen
Margarethe von Trotta erhält Ende der Woche den Ehrenpreis bei der Verleihung des Deutschen Filmpreises. Der "Tagesspiegel" nimmt das als Anlass für ein Interview mit ihr, in dem die Filmemacherin sich von ihrer gewohnt nüchternen Seite zeigt.
Nach mehreren Preisen in den letzten Jahren erhält Margarethe von Trotta am Freitag den Ehrenpreis beim Deutschen Filmpreis. Was Christiane Peitz vom Berliner TAGESSPIEGEL zu einer etwas uncharmanten Interviewfrage animiert: "Denken Sie, oh, die anderen finden mich allmählich alt?" Doch die Regisseurin antwortet gewohnt nüchtern: "Nein, ich denke, es soll jetzt wohl überall eine Frau sein. Den Adorno-Preis bekam vorher erst eine einzige Frau, die Philosophin Judith Butler. Bei den Regiepreisen, die ich in letzter Zeit erhielt, war ich fast immer die erste."

Rebellischer Geist dank freigeistiger Mutter

Gelernt habe sie anfangs von den Männern. Von Trotta nennt Bergman und Hitchcock, aber ihren rebellischen Geist, den sie für Filme wie die "Bleierne Zeit" brauchte, führt sie auf eine Frau zurück: "Den habe ich meiner Mutter zu verdanken. Als uneheliches Kind bin ich ohne Hierarchien aufgewachsen. Erst der Vater, dann die Mutter, dann die Kinder: Die Rangordnung gab es bei uns nicht. Meine Mutter hat mir nie Vorschriften gemacht."
Einen ganz eigenen Stil hat auch die Regisseurin Susanne Kennedy, die sich an den Münchner Kammerspielen Tschechows "Drei Schwestern" vorgenommen hat. Das Ergebnis beschreibt Christiane Lutz in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG so: "Kennedy bietet verschiedene Versionen des Festsitzens der Schwestern an. Sie essen Äpfel, starren auf einen Brummkreisel, der sich nicht bewegt, heben den Telefonhörer ab, warten. Keine Version der gezeigten Gegenwart ist dabei einer anderen überlegen, alles ist gleich wahr und somit gleich unwahr."

Präzise Bühnenkunst mit albtraumhafter Atmosphäre

Die Schauspielerinnen spielen das, wie fast immer bei Kennedy, mit Masken vor dem Gesicht, Videos werden eingeblendet, philosophische Texte aus dem Off rezitiert. Christiane Lutz ist überzeugt: "Mit 'Die drei Schwestern' gelingt es ihr wieder, die Mittel ihren Ideen dienlich zu machen, nicht umgekehrt. Die Wechsel zwischen den Bildern sind schnell und präzise." Und: "Knapp 90 Minuten verdichten sich so zu präziser Bühnenkunst, halb Installation, halb Performance - mit albtraumhafter Atmosphäre."
Auch Simon Strauss von der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG ist trotz einiger kritischer Töne zufrieden: "Zu viel Sekundärtext wird ein- und damit zu viel Stimmung ausgesprochen. Die Eindrücke erklären sich selbst - das nimmt mitunter die Spannung. Und doch ist Kennedy mit dieser Arbeit auf dem Weg zurück zu ihrer alten, eigensinnigen Stärke. Es ist die Stärke einer performativen Künstlerin, die das Theater dazu anregen will, in seinen von der Außenwelt abgeschirmten Räumen mehr Mut zur Absonderlichkeit zu entwickeln."

"Vampire Weekend" bedienen sich aus der Musikgeschichte

Ausgesprochen absonderlich findet Kritiker Simon Rayß vom TAGESSPIEGEL das neue Album von "Vampire Weekend": "Am schlimmsten hat es 'Sympathy' erwischt, das klingt, als würden die Gipsy Kings einem Mädchenchor hinterherklatschen, bevor sie ein Kontrabass verjagt, der kurz darauf selbst von einem stumpfen Technobeat zermalmt wird." Aber insgesamt ist der Kritiker mit dem von ihm als Auskenner-Pop bezeichneten Werk der New Yorker Band zufrieden:
"Wie Kinder, die gerade erwachsen geworden sind, bedienen sich Vampire Weekend aus dem Baukasten der Musikgeschichte. Manche Klötzchen passen ineinander, andere Konstruktionen fallen gleich wieder in sich zusammen. Doch egal, wie lange die Band beim Bauen auch grübelt - den Spaß am Spielen lassen sie sich nicht verderben."

Nicht nur Krieg, Krisen und Katastrophen

Mehr Spaß soll es jetzt auch in den Tagesthemen geben, oder zumindest auch mal was Gutes, wie in der TAZ zu lesen ist: "Im Alltag der ZuschauerInnen gäbe es Probleme, 'die vielleicht auf der großen Bühne noch hitzig diskutiert werden, sich aber im Kleinen bereits auflösen lassen', schreibt Marcus Bornheim, zweiter Chefredakteur von ARD-aktuell in einer Pressemitteilung."
Unter der Rubrik #lösungsfinder soll jetzt wöchentlich auch über Gelungenes berichtet werden und nicht nur über Krieg, Krisen und Katastrophen. Alles wird gut, hätte die Rubrik auch heißen können oder wie eine Überschrift aus der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG:
"Nur wer den Müll trennt, darf hoffen."
Mehr zum Thema