Aus den Feuilletons

Architektur und Plätze

Von Hans von Trotha · 25.03.2014
Warum zum zweiten Mal in Folge ein japanischer Architekt den renommierten Pritzker-Preis erhalten hat, analysiert die "NZZ". Die "Berliner Zeitung" beklagt den hauptstädtischen Dauerkomapatienten Kulturforum.
In der FAZ zitiert Jan Wiele anlässlich einer Filmadaption (Überschrift: "War das nötig?") Moritz von Uslars Buch "Deutschboden":
"Es war so geil dunkel an dieser Ecke, wie ich das aus der Großstadt nicht kannte"
– eine Äußerung, die nicht mehr geht, und zwar als Folge der, so Wiele,
"grandiosen Werbefilmparodie des Berliner Künstlers Friedrich Liechtenstein, in der Tiefkühl-Dorsch zum Nonplusultra erklärt wird ('sehr, sehr geil')".
Fehlen von Dunkelheit als Wesen der Großstadt - vielleicht unterschätzen wir einfach die Architektur. Nicht einzelne Häuser, schon gar nicht die sogenannter Stararchitekten – aber das große Ganze, das, was Architektur mit unseren Städten macht – und am Ende mit uns.
Japanisches Gespür fürs Bauen
Zum zweiten Mal in Folge geht der Pritzker-Preis an einen Japaner. Vielleicht hat das ja seinen Grund. Also, den hat es bestimmt, vielleicht spielt dabei ja eine Rolle, dass wir in Europa das Gespür fürs Bauen und für das Gebaute verloren haben.
Preisträger Shigeru Ban, erinnert Ulf Meyer in der NZZ,
"hat sich besonders mit seinen Entwürfen für Notunterkünfte aus Kartonröhren für Bürgerkriegs- oder Erdbebenopfer Respekt verschafft".
"Respektiert die Plätze!",
ruft Gerd Held in der WELT und meint, anhand des Bedeutungsverlusts öffentlicher Plätze erklären zu können, warum die Sache mit den Flüchtlingen am Berliner Oranienplatz so aus dem Ruder laufen konnte:
"Die Besetzung des Berliner Oranienplatzes durch Flüchtlinge wird zu einer Affäre ohne Ende, weil die Politik nur noch Interessengruppen kennt und keine öffentlichen Güter."
Zu denen zählt Held öffentliche Plätze:
"So unglaublich diese Affäre ohne Ende erscheint, so hat sie doch einen präzisen Grund: Von Anfang an spielte der Oranienplatz als eigenes Rechtsgut, über das weder Besetzer noch Politiker nach Belieben verfügen können, gar keine Rolle."
"Damit ein solcher Ort seine Aufgabe erfüllt", meint Held,
"darf er nicht von Einzelpersonen oder bestimmten Gruppen in Beschlag genommen werden. Er ist nicht 'mein' Platz oder 'unser' Platz, er gehört niemanden und ist niemand besonders zu Diensten. Er muss gewissermaßen eine eigene Respektperson sein."
Wie auf Kommando reden sie alle über Architektur und Plätze. Kerstin Krupp berichtet in der BERLINER ZEITUNG von einem Fest, das die Philharmonie und die Stiftung Preußischer Kulturbesitz am sogenannten Kulturforum ausrichten, einer, so Krupp,
"seit Jahrzehnten unverändert traurige Ödnis im Herzen Berlins".
Sie nennt das Forum "den Dauerkomapatienten an der Potsdamer Straße" und fragt:
"Warum rücken die Häuser nach jahrzehntelangem Nebeneinander erst jetzt zusammen? Vielleicht haben ja die Philharmonie sowie die Preußenstiftung erkannt, dass sie als Anrainer des Kulturforums selbst Teil des Stillstands sind. Und dass sich in Berlin stadtplanerisch nur etwas bewegt, wenn der Senat den öffentlichen Druck nicht mehr ignorieren kann."
Sensationelle gute Entwürfe

Als wär's abgesprochen, macht die FAZ die Probe aufs Exempel:
"Herr Wowereit, bauen Sie diese Häuser!",
ruft Niklas Maak im Tonfall eines Ronald Reagan. – "Mr. Gorbachev, open this gate!", hatte der gerufen, was einige Berliner zu der Hoffnung inspirierte, Obama würde mit einem: "Mr. Wowereit, open this airport" in seine Fußstapfen treten. Nun also Niklas Maak. Es geht ums Ganze:
"Der Staat will die Stadt als soziales Modell retten. Allein in Berlin sollen dreißigtausend neue Wohnungen entstehen. Es gibt sensationell gute Entwürfe – doch die müssen jetzt auch gebaut werden."
Maak schreibt:
"Es ist jetzt alles da: Es gibt brillante Architekten. Es gibt brillante Entwürfe für die Zukunft einer Stadt für alle. Was fehlt, ist also nur ein Signal der Politik. Auch der Bund könnte sich hier engagieren – denn es kann nicht sein, dass eine Gesellschaft es sich leistet, Milliarden in verplante Großflughäfen und Nostalgieschlösser zu versenken, aber keine paar Millionen für Häuser übrig hat, in denen sich die Zukunft des Zusammenlebens aller neu denken lässt."
Wenn das denn doch noch gelingen sollte, dann muss unbedingt Friedrich Liechtenstein noch einmal aktiviert werden, im Dienst des Menschen und des Städtebaus, denn das wäre nun wirklich "sehr, sehr geil".