Aus den Feuilletons

"An der Quelle männlicher Träume"

04:18 Minuten
Das Bild zeigt den Schauspieler Leoonardo DiCaprio beim Sprung über ein Auto mit einem Gewehr in der Hand.
Sehr männlich: Leonardo DiCaprio mit Gewehr im Sprung über ein Auto. © Festival Cannes / Sony Pictures
Von Arno Orzessek · 22.05.2019
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Bei den Filmfestspielen in Cannes wurde sein neues Werk mit Spannung erwartet: Quentin Tarantinos "Once Upon a Time in Hollywood" mit Brad Pitt und Leonardo DiCaprio. Allerdings: In den Feuilletons sind die Kritiken dafür eher durchwachsen.
Starten wir mit einer handfesten These: "Man kann in Österreich Faschist sein - ohne schlechtes Gewissen", behauptet im Berliner TAGESSPIEGEL der Schriftsteller Robert Menasse, und er setzt erklärend hinzu:
"Man ist ja kein Nazi, man ist Patriot. Deswegen sind die österreichischen Rechten, Rechtsextremen und das Bürgertum mit seinen faschistoiden Tendenzen, entrüstet, wenn man sie Nazis nennt. Sie sind auch wirklich keine. Sie sind Austrofaschisten. Und das ist schlimm genug."

Nazis, Rechte, Austrofaschisten

Einmal unter Dampf, knöpft sich Robert Menasse neben seinen österreichischen Landsleuten auch die Nationalisten in Europa vor. "Nie wieder Krieg, nie wieder Auschwitz, nie wieder Nationalismus, der dazu geführt hatte, dass die Nationen übereinander herfielen – das alles spielt im Bewusstsein der Nationalisten keine Rolle. Sie haben es vergessen oder nie begriffen. Sie beziehen aus einer zutiefst menschlichen Sehnsucht nur kriminelle Energie, nämlich aus der Sehnsucht nach Solidarität. Sie können sich Solidarität nur als nationale vorstellen." So Robert Menasse, dessen Polemik im Tagesspiegel uns zwar nicht falsch erscheint, aber doch ziemlich schematisch und auch ein bisschen von oben herab.

Sehnsucht nach Charismatikern

Apropos Polemik! Heutzutage würden Debatten mit Vorliebe "erhitzt und emotional" geführt, bemerkt die Tageszeitung DIE WELT im Gespräch mit Monika Grütters. Woraufhin die Staatsministerin für Kultur und Medien entgegnet:
"Es macht sich auch in Deutschland offenkundig eine Sehnsucht nach Charismatikern breit, die mit ihren Botschaften und ihrer Rhetorik blenden – was oft nicht ohne Vereinfachung zu haben ist. Das ist eine Herausforderung für diejenigen, zu denen ich mich auch zähle, die differenzieren wollen, die in Politik wie Journalismus Wert auf gründliche Recherche und eine genaue Darstellung der Sachverhalte legen. Wir, die etwas Sorgfältigeren, haben es schwer, überhaupt gehört zu werden." - Kulturpessimistisch angekränkelt: Monika Grütters in der WELT.

Quelle männlicher Träume

Aber lassen wir für heute die Politik – "Once Upon a Time in Hollywood" heißt der neue Film von Quentin Tarantino, der in Cannes Premiere gefeiert hat. Und wenn man ihn anschaut, befindet man sich "An der Quelle männlicher Träume".
Das jedenfalls suggeriert der Titel der Kritik in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG. "Once Upon a Time in Hollywood" spielt Ende der 60er Jahre. Im Mittelpunkt steht die Freundschaft zwischen einem alternden Western-Filmstar und seinem Stuntman. Laut der FAZ-Autorin Verena Lueken "mit Lust, Coolness und Überzeugungskraft gespielt von Leonardo DiCaprio und Brad Pitt".
Davon abgesehen aber äußert Lueken keinen Beifall. "Die letzten Filme von Tarantino waren ein Blutbad. Dieser ist es erst am Schluss und nicht ganz so ausdauernd wie an Tarantinos Tiefpunkt mit 'The Hateful Eight'. Eines hat sich aber nicht geändert. Noch immer kann der Regisseur an keiner Frau vorbeigehen, ohne mit der Kamera an ihrem Hintern entlangzustreifen oder gleich ganz an ihm hängenzubleiben. Vielleicht liebt er auch deswegen diese Zeit so sehr, weil damals noch niemand daran Anstoß nahm. Weil es Kino ist, ist alles erlaubt. Das ist die Haltung von Tarantino zur Gewalt in seinen Filmen", so Verena Lueken in der FAZ.

Tarantino und die Filmzitate

Dass auch von der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG keine Lobeshymne zu erwarten ist, lässt sich bereits der Überschrift entnehmen: "Vom Pferd gefallen." Pascal Blum erkennt durchaus an, dass Tarantino 'mal wieder jede Menge Verweise auf die Filmgeschichte untergebracht hat – allein: Darin liege auch das Problem. "Der letzte Filmpopkulturpapst Quentin Tarantino zeigt uns, was es im Kino alles zu entdecken gibt, nur kommt er diesmal wirklich nicht mehr aus dem Kino heraus." Um aber noch rasch die Tarantino-Fans unter uns zu trösten: Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG bemerkt zum jüngsten Werk des Blutopern-Spezialisten: "Es liefert einen erstklassigen Beweis seiner Begabung."
Okay, das war unser vorletztes Zitat für heute. Unser letztes, eine NZZ-Überschrift, erläutert, wenn auch leider nicht wirklich euphorisch, wozu das Zitat als solches gut ist: "Das Zitat ist die Krücke des Denkens." Das lässt sich gut zitieren, oder? Denken Sie also dran!
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