Aus den Feuilletons

Altgriechisch für kriminelle Hacker

Gelbe Wörterbücher aus dem Langenscheidt Verlag, fotografiert in einer Reihe. Das Wörterbuch "Altgriechisch" sticht mittig aus der Reihe hervor, da in schwarzer statt blauer Schrift gedruckt ist.
Das Lernen von Altgriechisch nicht als Strafe, sondern für einen neuen Blick auf die Welt, lautet der Vorschlag der "Welt" als Maßnahme für kriminelle Hacker. © Foto: Jens Kalaene/dpa-Zentralbild
Von Ulrike Timm · 13.01.2019
Was tun mit straffällig gewordenen, jugendlichen Hackern, die - noch bei ihren Eltern wohnend - vorführen, wie einfach die vermeintliche Sicherheit der Privatsphäre im Internet zunichte gemacht werden kann? Die "Welt" hat eine ungewöhnliche Idee.
Mobbing im Netz beschäftigt die TAZ, die eine neue fiese Variante beschreibt, das "Swatting". Gemeint sind falsche Notrufe. "Ziel ist, dass die Polizei das Zuhause des Opfers stürmt". Jüngst geschehen beim amerikanischen Schauspieler Ashton Kutcher. Ein falscher Notruf hatte behauptet, "mehrere Personen mit Gewehren und Sprengstoff befänden sich dort und hätten bereits mehrere Opfer ermordet. Die Sicherheitskräfte rücken zu Dutzenden an – finden aber nur Handwerker bei der Arbeit". Kann passieren, wenn die "Privatadressen von Prominenten im Internet auftauchen".

Globales Bloßstellen dank Internet

Das ist hierzulande ja gerade geschehen, ein 20-jähriger Schüler hatte jede Menge Daten und Adressen vor allem prominenter Politiker ins Netz gestellt. "Durch die globale Vernetzung kann das Schikanieren und Bloßstellen von Leuten, deren Nase oder politische Orientierung einem nicht passt, potenziell zum internationalen Freizeitsport werden", warnt die TAZ da etwas spät und etwas lahm.
Nur, was tun mit dem jugendlichen Hacker, eben dem 20-jährigen Schüler, der – ja, was eigentlich? Als digitaler Lausbub die Behörden vorführte? Mit großer krimineller Energie zu Werke ging? "Wie bestraft man einen 20-Jährigen, der noch zu Hause wohnt und die absolute Verwundbarkeit der digitalen Privatsphäre demonstriert?" fragt sich und uns Susanne Gaschke in der WELT. "Wenn jeder Verantwortungsträger fürchten muss, öffentlich bloßgestellt zu werden, weil ein männlicher Jugendlicher sich langweilt – wer wird dann noch Verantwortung übernehmen? Hätte der Staat hinter dem Datenhack gestanden, wir hätten von einem Destabilisierungsversuch unserer Demokratie gesprochen."

Mit dem Graecum resozialisieren

Also eine drakonische Strafe für den Jungen, damit man ihn nach Jugendarrest oder Gefängnis "als IT-Spezialisten an irgendeine Mafia" verliert? Die WELT hat da eine andere Idee: Susanne Gaschke würde den Hacker gerne dazu verdonnern, das Graecum zu machen, also umfangreiche Kenntnisse des Altgriechischen zu erwerben. "Und zwar nicht, weil Griechisch eine Strafe ist. Sondern weil ihm der Lernprozess und der Gegenstand einen neuen Blick auf die Welt eröffnen würden. In diesem Fall könnte vielleicht ein Team der besten deutschen Altphilologen den Unterricht in der erfolgreichsten Programmiersprache der Antike übernehmen, als Pilotprojekt für eine resozialisierende Strafjustiz." Soweit die WELT. Der Junge hätte jedenfalls jede Menge zu tun …
Die FAZ kümmert sich ein bisschen genervt um die anstehenden Großfeierlichkeiten zum Jubiläum des Bauhauses. Klar, auch Niklas Maak bewundert die Kunstschule, wo zum ersten Mal "nicht Zeichensäle und Werkstätten im Zentrum" standen, "sondern Speisesaal und Bühne, also Gemeinschaft und Feste, Fiktionalisierung und Möglichkeitssinn, neue Formen nicht nur in der Produktion von Dingen, sondern des Zusammenlebens." Trotzdem sind der FAZ die anstehenden Festivitäten allzu schnittig geraten, das Bauhaus sei zurechtgeschneidert auf ein "homogenes, touristisch und politisch nutzbares Idealbild".

Die dunkle Seite des Bauhaus

Niklas Maak betont stattdessen, dass auch im Bauhaus die Frauen "bei allem Emanzipationsrummel automatisch in die Abteilungen für Textilien und Töpferei wegsortiert wurden". Und meint weiter: "Das Bauhaus … war nie nur progressiv, international, emanzipatorisch, sondern auch reaktionär, völkisch, esoterisch, technokratisch, totalitaristisch, rassistisch. Deswegen ist es so interessant, sich mit ihm zu beschäftigen, und zwar gerade auch mit seinen muffigen, abgründigen Seiten: Weil man gerade am Bauhaus sieht, wie eng Emanzipation und Unterdrückung, der Traum vom neuen Menschen und seine technologische Ausbeutung, (…) Technikglaube und Esoterik zusammenhängen – und wie schnell das eine ins andere umkippen kann". Soweit die Meinung der FAZ.
Die uns auch die schönste Überschrift des Tages liefert. Steht über der Rezension einer offenbar etwas gewaltsam gegen den Strich gebürsteten Inszenierung von Becketts "Warten auf Godot" und heißt:
"Becketts Borsten beben".
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