Aus den Feuilletons

Als die Niederländer im Türkenblumen-Rausch waren

Orange Tulpen
Orange Tulpen © Deutschlandradio / Ellen Wilke
Von Klaus Pokatzky · 14.03.2017
Aufgeheizte Stimmung zur Parlamentswahl in den Niederlanden angesichts des Konflikts mit der Türkei? Die Gemeinsamkeiten seien seit vielen Jahrhunderten größer als das Trennende, betont die "Süddeutsche Zeitung". Und sie benennt das verbindende Element - das zumindest im 16. Jahrhundert wirkte.
"Der Begriff 'gentlemens agreement' für eine Verabredung unter Ehrenleuten ist nicht so alt, wie man meinen könnte." Das erfahren wir aus der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG. "Er entspringt auch nicht der privilegierten Welt der englischen Herrenclubs, sondern kam zunächst in den Vereinigten Staaten in Umlauf", bildet uns Gina Thomas weiter – über diese wunderbare Übereinkunft zwischen ehrbaren Menschen, die einander vertrauen. Ladies gehören inzwischen selbstverständlich auch dazu.
"Wir haben uns daran gewöhnt, dass die Frauen noch immer die Kinder bekommen, aber viele Bastionen der Männlichkeit gefallen sind", findet auch die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG. "Frauen schreiben die klügeren Fussballbücher", meint Joachim Güntner, nachdem auf der lit.Cologne, Kölns internationalem Literaturfest, drei Bücher zum Thema Fußball präsentiert wurden: allesamt von Frauen verfasst. Joachim Güntner schreibt aber – um in Gentlemen-Begriffen zu reden – very Old School, heftig alte Schule: "Frauen mischen bei den Ultras mit, sie kommentieren Spiele und moderieren auch Sportschauen. Dennoch wird sich der Graben zwischen den Geschlechtern nie schliessen. Männer werden immer den schnelleren und kraftvolleren Fussball spielen." Hauptsache, die Frauen machen die klügeren Bücher. "

Tulpenzwiebeln so wertvoll wie ein Haus in Amsterdam

Der mit 75.000 Euro dotierte Kairos-Preis der Alfred-Toepfer-Stiftung geht an die deutschtürkischen Verlegerinnen Inci Bürhaniye und Selma Wels", teilt uns die Tageszeitung DIE WELT mit: "Ihr binooki-Verlag in Berlin widme sich der Übersetzung türkischer Literatur ins Deutsche und leiste damit einen wichtigen Beitrag zum Kulturaustausch." Nachrichten zur Türkei sind ja nicht nur schlecht in diesen Tagen.
"Die Gemeinsamkeiten zwischen der Türkei und Europa sind seit vielen Jahrhunderten größer als das Trennende", verheißt uns die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG. "Was verbindet Türken und Niederländer? Die Tulpe!" So schön kann einfach Geschichte sein. "Ursprünglich stammt die Tulpe aus Persien, aber es waren die Türken im Osmanischen Reich, die sie erstmals in größerem Stil kultivierten", berichtet Stefan Weidner. "In der Mitte des 16. Jahrhunderts kamen dann die ersten Tulpen von Istanbul nach Wien." Und von da war es nicht weit nach Holland, wo das ganze Land im Türkenblumen-Rausch versank: "Tulpen wurden zu einem Statussymbol, die Preise für die Zwiebeln waren teilweise so viel wert wie die besten Häuser in Amsterdam." Und nicht zu vergessen: "Die Tulpe wurde das Symbol für den intensiven kulturellen Austausch, der nun anhob. In vielen Bereichen übernahmen die Türken die europäische Lebensart." Weiter so: Recep Tayyip Erdoğan.

Setzen und die Klappe halten

"Lieber Landlust als Stadtrandfrust", lobt die FRANKFURTER ALLGEMEINE das platte Land, wo die schönsten Blumen wachsen. "Wer sich in der Großstadt dilettantisch an einem Gemüsebeet versucht, darf es Urban Gardening nennen", schreibt Gerald Wagner. "Das Gemüse mag das gleiche sein wie draußen auf dem Lande, aber in der Metropole ist sein Anbau Ausdruck eines hippen Lifestyles", wird auf den städtischen Tulpenzüchter eingehauen. "Stadt ist der Lebensraum für diejenigen, die von der Zumutung einer persönlichen Beteiligung an dessen Gedeihen verschont bleiben wollen." Da lobt sich Gerald Wagner die Landbevölkerung: "Viele leben auf dem Land aus Liebe zu diesem und weil sie Einsamkeit und Vertrautheit der Anonymität der Stadt vorziehen."
Oder nicht so gerne U-Bahn fahren – aus der die Tageszeitung TAZ Berliner Alltag schildert: "Ein offenbar Verwirrter betritt die Bahn. 'Was macht man hier?', fragt er in die Runde. 'Man setzt sich und hält die Klappe', sagt ein Junge." Gentleman klingt anders.
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