„Alles fließt dahin, für immer und ewig.“

Während Frederick Forsyth zum 80. Geburtstag in der „FAZ“ nonchalant gratuliert wird, wird Jean-Michel Jarre in derselben Ausgabe anlässlich seines 70. Geburtstags böse runtergemacht. „Die Welt“ befürchtet indes eine ästhetische Katastrophe – durch atonale Musik.
Zunächst zu zwei älteren Geburtstagskindern, deren Würdigung in den Feuilletons uns um Jahrzehnte zurückversetzt – in die Zeit unserer ersten Berührungen mit populärer Kultur. Als wir Fredericks Forsyths „Der Schakal“ von 1972 lasen, war der Bestseller schon einige Jahre auf dem Markt. Wir aber waren noch jung genug, um nicht zu wissen, ob es nun Polit-Thriller oder -Triller heißt. Dank Latein als Fremdsprache Nr. 1 haben wir uns als begeisterte Triller-Leser ausgegeben – und unsere Erinnerung sagt: Die Reaktionen waren nicht frei von Häme.
Kind eines Kürschners wird Schriftsteller-Star
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG gratuliert Forsysth nun unter der Überschrift „Ein Spion und Gentlemen“ zum 80. Geburtstag. Allerdings kommt Hannes Hintermeier nicht über Gratulations-Schema F hinaus. „Forsyth hat viel Geld verdient und bei einer Scheidung viel verloren; er hat einfach immer weitergemacht, ein unbeirrbar auf sich, seine Talente und seinen Fleiß setzender Mann, der daran gewöhnt war, immer der Erste und der Jüngste zu sein. Aber das einzige Kind eines Kürschners aus Ashford in der Grafschaft Kent hatte auch Mut, Ehrgeiz, Selbstbewusstsein und Disziplin.“ Sehr nonchalant: die FAZ zum Geburtstag von Frederick Forsyth.
Ungefähr zeitgleich mit der „Schakal“-Lektüre schwappte uns die Musik Jean-Michel Jarres ins Ohr; Mitschüler fuhren drauf ab. Im Berliner TAGESSPIEGEL erklärt Stefan Jacobs anlässlich von Jarres 70stem Geburtstag: „Das schwebend dahinzischende Album ‚Oxygène‘ machte ihn 1976 weltberühmt. Niemand zuvor hatte den holzfurnierten Analog-Synthies solche Klänge entlockt. Zumindest hatte sonst niemand eine Plattenfirma gefunden, die Achtminutentracks ohne Gesang herausbringen mochte. ‚Oxygène‘ wurde zum meistverkauften Album aller Zeiten in Frankreich.“
Sarkastische Abrechnung mit Jean-Michel Jarre
Wie man Jarres rosa Mucke in lieblichem Tonfall böse runtermacht, führt Wolfgang Sandner in der FAZ vor: „Es gibt keine Ecken und Kanten in dieser Musik, keine Furchen und Falten, nur Rundungen und Glättungen. Etwas Heraklitisches ist ihr eigen. Alles fließt dahin, für immer und ewig. Kein Wunder, dass die New-Age-Jünger ihn als einen der ihren ausgemacht haben. Ganz laut lässt sich diese Musik hören, oder so leise, dass sie nur im Unterbewusstsein wahrgenommen wird – der Effekt ist derselbe. Jarres Musik transzendiert sogar die Dosis, mit der sie verabreicht wird.“ Mit Vergnügen sarkastisch: der FAZ-Autor Sandner unter dem Spitzen-Titel „Heraklits Elektriker“.
Finden Sie, wir könnten jetzt mal was Relevantes beimischen? Bitte sehr! In der Tageszeitung DIE WELT behauptet Ex-Familienministerin Kristina Schröder: „Die Linke hat die Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus ausgeweitet. Vom Staat unterstützt, wird alles bekämpft, was nicht links ist. Zugleich verharmlost man den Linksextremismus.“ Wir lassen das so stehen, wollen aber die Sentenz weitergeben, mit der Kristina Schröder ihren Doktorvater, den Politologen Jürgen W. Falter, zitiert: „'In den Augen der Bevölkerung wollen die Rechtsextremen mit schlechten Mitteln das Falsche. Die Linksextremen hingegen wollen mit schlechten Mitteln das Gute.‘“
Atonale Musik als Abschreckung auf Bahnhöfen
Falls Sie das Rechts-Links-Hickhack nervt, schlagen Sie in der WELT den Artikel „Sie hören das Heroin-Quartett“ auf. Er dreht sich darum, dass die Bahn Alkoholiker, Kriminelle und Drogenabhängige mittels, jawohl, atonaler Musik aus den Bahnhöfen vertreiben will. Elmar Krekeler hält das für „psychologisch bedenklich und ästhetisch eine Katastrophe“ – und gibt im Brustton des Streetworkers bekannt: „Bahnhöfe sind und bleiben Zentren des Rauschmittelhandels- und -konsums. Da kann aus den Lautsprechern dudeln, was will.“
In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG empfehlen wir das Interview mit dem Schriftsteller Christoph Hein zur Lektüre. Inhaltlich ist es weltumspannend, Ost-Witz inklusive: „Früher konnte man alles über seinen Chef sagen, aber nichts über Honecker, heute kann man über Merkel alles sagen, aber nichts über seinen Chef.“
Das war’s. Und wie immer, wenn keine Überschrift zum Rausschmeißer taugt, erteilen wir uns selbst das letzte Wort. Es lautet: Tschüss!