Aus den Feuilletons

"Alles auf Krawall gebürstet"

Spiegel-Chefredakteur Wolfgang Büchner
Wolfgang Büchner will den gedruckten Spiegel und Spiegel online enger verzahnen. © dpa / picture-alliance / Michael Kappeler
Von Gregor Sander · 24.08.2014
Die "FAZ" beschreibt die Situation beim Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" und die "taz" erläutert, was vom Chefredakteur Wolfgang Büchner als "Spiegel 3.0" bezeichnet wird. Und die "SZ" trauert um den serbischen Dichter Miodrag Pavlović.
"Das Interview mit Benjamin Lebert, dem ehemaligen Kinderstar der deutschen Literaturszene, läuft wie ein missglücktes Date."
Mit diesen flapsigen Worten eröffnet Dana Buchzik ihren Artikel in der Wochenzeitung DIE WELT.
Halb Portrait des Autors und halb Kritik von Leberts neuem Roman "Mitternachtsweg", zeigt er vor allem eines: Die Unzufriedenheit der Kritikerin mit ihrem Gesprächspartner.
"Was er will: Komplimente - mein Kleid und meine Frisur betreffend - aussprechen, mir den Vortritt lassen, als wir gemeinsam die Lobby des Adlon betreten, und vor allem: seine gut gelaunte Seite zeigen."
Und was will Dana Buchzik?
"Schatten- statt Schokoladenseiten."
Küchenpsychologie statt Literaturkritik
Die bekommt Sie aber von Lebert nicht, zumindest nicht in dem Maße, in dem sie es sich im Berliner Hotel Adlon gewünscht hätte.
"Warum dann nicht konsequent unmittelbar sein?"
fragt sie ihr gegenüber.
"'Literatur kann niemals dem Unmittelbaren gerecht werden', sagt er nervös; Rückzug der Truppen ins sichere Thementerrain."
Und so kann es der 32-jährige Benjamin Lebert der fast gleichaltrigen Dana Buchzik im Interview einfach nicht Recht machen und wird dafür von ihr mit Sätzen wie diesem beschrieben:
"Vielleicht erzählen nur diese Sexszenen, diese ungefilterte Sprache etwas von dem, was Lebert wirklich schreiben kann und will. Vielleicht hat er seit Schulzeiten das Gefühl, sich ständig behaupten und verteidigen zu müssen, so sehr verinnerlicht, dass er sich nur hier seinen eigenen Ton erlaubt."
Also Küchenpsychologie statt Literaturkritik im Aufmacher der WELT.
In der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG beschreibt Michael Hanfeld die schwierige Situation beim Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL:
"Am Ende einer Woche, in der alles auf Krawall gebürstet war, auf Revolte, Umsturz und Chaos, meldete sich beim 'Spiegel' am vergangenen Freitagabend die Stimme der Vernunft. Die Gesellschafter gaben eine Erklärung ab, in der sie einmütig verkündeten, dass sie den Plan des Chefredakteurs Wolfgang Büchner für einen 'Spiegel 3.0' unterstützen."
Was da vom Chefredakteur "Spiegel 3.0" bezeichnet wird, erläutert Jürn Kruse in der TAZ:
"Sein Konzept 'Spiegel 3.0' sieht eine engere Verzahnung von Print- und Onlineredaktionen vor. Erster Schritt, so hatten es Büchner und Geschäftsführer Saffe im Haus verkündet, solle die Neuausschreibung aller Ressortleiterstellen sein. Die neu installierten Ressortleiter sollten dann - anders als bisher - für die Auftritte ihrer Ressorts im gedruckten Spiegel wie auch bei Spiegel Online verantwortlich sein."
Diese Idee bewertet Claudia Tischky von der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG so:
"Büchner muss damit gerechnet haben, wie der Plan interpretiert wird: Als Instrument, Gegner loszuwerden. Die hat er. Büchner gilt nicht als journalistischer Feuerkopf, der dem Blatt wieder Leuchtkraft gibt, Titelgeschichten über Bewegungsarmut, später Elternschaft und Kopfschmerz erinnerten eher an den Nutzwertjournalismus des Focus. Büchner bestreitet, dass es ihm darum gehe, Gegner loszuwerden. Die Erlaubnis zum Durchregieren brächte das Konzept dennoch, es ist eine Geste der Macht."
Der Widerstand in der Redaktion sei trotz der Zustimmung groß, betont Tischky in der SZ und schließt mit den Worten:
"Am Montag will Büchner verkünden, dass er sich für das Projekt bis auf weiteres aus dem journalistischen Tagesgeschäft zurückzieht. Auch das sagt einiges über die Lage."
Ein radikaler Modernist
Ebenfalls in der SZ trauert Volker Breidecker um den serbischen Dichter Miodrag Pavlović.
"Ein fulminantes Debüt als Lyriker gelang ihm 1952 mit dem Zyklus '37 Gedichte', mit dem er sich den Ruf eines radikalen Modernisten erwarb. Die poetischen Antriebe, denen Pavlović folgte, ließen ihn jedoch weit hinter die Moderne zurück, genauer gesagt, zu ihren Anfängen und Ursprüngen im Mythos zurückgehen."
Gestorben ist Pavlović nun 85-jährig im baden-württembergischen Tuttlingen. Die Stadt an der Donau war für den Serben neben Belgrad seit Jahrzehnten ein zweiter Wohnsitz.
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