Aus den Feuilletons

Albert Speers Ruhmeshalle im Jüdischen Museum

04:21 Minuten
Ein Mann mit nacktem Oberkörper und ein Reichsadler im See.
Der Film "Malka Germania" bildet das Herzstück der Ausstellung "Redemption Now" im Jüdischen Museum. © Auftragsarbeit für das Jüdische Museum Berlin
Von Tobias Wenzel · 13.06.2021
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Wenn ein Filmkritiker schlagartig das Museum verlassen muss, weil er mit der Symbolik des Kunstwerks hadert, bedeutet das nichts Gutes. Stein des Anstoßes ist die Werkschau der israelischen Künstlerin Yael Bartana im Jüdischen Museum Berlin.
"Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?", fragt die TAZ und Friedrich Küppersbusch antwortet: "Es wimpelt wieder an den Autofenstern."
"Millionen von Fußballfans sahen am Samstag live im ZDF, wie die Helfer um das Leben des dänischen Spielers Christian Eriksen kämpften", schreibt der TAGESSPIEGEL zum ersten Tag der Europameisterschaft und zitiert Frank Überall, den Vorsitzenden des Deutschen Journalisten-Verbandes, mit den Worten: "Das ist unverantwortlich und widerspricht der journalistischen Ethik."In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG erklärt Ralf Wiegand, dass die UEFA das Bildmaterial lieferte, dass das ZDF also selbst keine diskrete Kameraeinstellung wählen, sondern nur entscheiden konnte zwischen dem Zeigen der von der UEFA-Regie bereitgestellten Bildern und dem Nichtzeigen.
Nur das Gastgeberland Dänemark hatte eine eigene Kamera und nutzte die: "Das dänische Fernsehen schaltete sofort auf eine Helikopter-Perspektive über dem Kopenhagener Stadion", schreibt Wiegand und fügt hinzu: "Dafür gab es viel Lob."
Wiegand selbst lobt in seinem Artikel den ZDF-Kommentator: "Das ZDF stieg ungefähr nach fünf Minuten aus der Liveübertragung aus. Béla Réthy hatte sich zuvor schon entschieden zu schweigen, es war eine gute Entscheidung. Stille ist mächtig."

Castorfs "Fabian" ein Albtraum

Vom Lob zum Tadel, zum unmissverständlichen Verriss. "Es ist ein einziger Albtraum", schreibt Elmar Krekeler in der WELT über Frank Castorfs Inszenierung von Erich Kästners Roman "Fabian" am Berliner Ensemble. Der Regisseur könne Kästners Sätze nicht leiden und habe das Werk durch den "Fleischwolf" gedreht. Herausgekommen sei "Kästner-Frikassee".
"Es wird Missbrauch mit Kartoffelsalat betrieben. Und mit Lippenstift. Frauen sind eminent nackt und werden benutzt. Was wiederum vielleicht die Misogynie beweisen soll, die Castorf bei Kästner entdeckt haben will, aber – mit Verlaub – ziemlich übel nach Sexismus riecht", urteilt Krekeler, um dann zum finalen Todesstoß anzusetzen:
"Man hätte zwischendurch schon ganz gerne was von dem Kartoffelsalat abgehabt. Dann wäre man am Ende vielleicht nicht so unterzuckert und würde sich nicht in seine verschwitzte Maske fragen, was man sich natürlich niemals fragen darf, ob man für eine derart eitle Selbstbespiegelung, dieses selbstverliebte intellektuelle Bällebad das Theater tatsächlich wieder aufmachen musste."

Grenzwertige Symbolik

Und noch ein Verriss, diesmal in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN: Andreas Kilb hat die Ausstellung der israelischen Künstlerin Yael Bartana im Jüdischen Museum Berlin fluchtartig verlassen. Als Zumutung empfindet Kilb das zentrale Werk der Ausstellung, den exklusiv dafür geschaffenen Film "Malka Germania".
Der sei "eine messianische Berlin-Fantasie". Der visuelle Höhepunkt in Bartanas Film sei die Szene, in der "zu dröhnenden Bläserklängen" die Ruhmeshalle aus Albert Speers Entwurf zur Reichshauptstadt "Germania" aus dem Wannsee aufsteige. Dieses filmische Speer-Zitat befinde sich just an der Stelle, an der "in den klassischen Heilsgeschichten das himmlische Jerusalem" stehe.
"Die Halle, in der Hitlers Regime seine Weltherrschaft feiern wollte, verkörpert die vollendete Utopie, das Gottesreich auf Erden. Das ist keine ästhetische Provokation, sondern eine unverzeihliche historische Naivität", schreibt Kilb. "Die Nobilitierung von Speers Modell zum Symbol kollektiver Sehnsüchte grenzt an Pornografie."

Unterwegs im XXL-ICE

Nach so viel Verriss zum Schluss noch ein Schuss Lob. Obwohl, na ja, ach, hören Sie einfach selbst: "Insgesamt verringert sich die Fahrtzeit auf einigen Streckenabschnitten erheblich", schreibt Hans Zippert in seiner satirischen Kolumne für die WELT über die neuen, nämlich extrem langen ICE-Züge.
"Wer in Kassel hinten in den XXL-ICE einsteigt, geht einfach bis nach vorne durch und kann sofort in Göttingen aussteigen, dafür braucht man noch nicht mal eine Fahrkarte."
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