Aus den Feuilletons

AfD-Frontfrau mit Trittin-Gestus

Dietmar Bartsch (l-r), Fraktionsvorsitzender der Partei Die Linke im Bundestag, Frauke Petry, Bundessprecherin der AfD, Thomas de Maiziere, Bundesinnenminister (CDU), aufgenommen am 08.05.2016 während der ARD-Talksendung "Anne Will" zum Thema Integration
Dietmar Bartsch (l-r), Fraktionsvorsitzender der Partei Die Linke im Bundestag, Frauke Petry, Bundessprecherin der AfD, Thomas de Maiziere, Bundesinnenminister (CDU), aufgenommen am 08.05.2016 während der ARD-Talksendung "Anne Will" zum Thema Integration © picture alliance / dpa / Karlheinz Schindler
Von Arno Orzessek · 09.05.2016
Der Auftritt der AfD-Bundessprecherin Frauke Petry in der ARD-Talkrunde "Anne Will" beschäftigt den "Tagesspiegel"-Autor Gerd Appenzeller: Petry sei eloquenter als die gesamte Runde gewesen und habe mit "unvergleichlich arroganter Miene" alle in Grund und Boden geredet.
Mal angenommen, liebe Hörer, Sie hätten hier zu entscheiden: Über wen würden Sie am liebsten kein Sterbenswörtchen hören: Über Margot Honecker oder über Frauke Petry?
Nun, da wir zu entscheiden haben, kümmern wir uns um beide. Über die Ministerin für Volksbildung der DDR, die Lila-Haare-Margot also, müssen wir sogar buchstäblich Sterbenswörtchen verlieren: Sie ist ja am letzten Freitag von uns gegangen.
Laut SÜDDEUTSCHE ZEITUNG war Margot Honecker "ein Kind der Personalunion von Antifaschismus und Stalinismus".
Und wir meinen: Ein Kind der Union von zwei Ismen zu sein, das kann ja nur in eine aparte Existenz münden.
SZ-Autor Jens Bisky drückt es so aus:
"Die Verlegenheitsvokabel 'First Lady' trifft scharf daneben, verdankte Margot Honecker ihre Macht doch nicht ihrer Stellung als Ehefrau, sondern ihrer Position im Apparat. Das einheitliche sozialistische Bildungssystem durchzusetzen und am Leben zu erhalten, bis die Mehrheit der DDR-Bürger es nicht länger ertragen wollte, das war die Lebensleistung Margot Honeckers."
Wer mehr über die üblen Folgen von Margots Gängelung des DDR-Schulbetriebs wissen will, lese auch den SZ-Artikel "Gestohlene Jahre" von Renate Meinhof.

In Petrys Gesicht verliebte Regie

Wir kommen zur zweiten Power-Frau, der AfD-Bundessprecherin Frauke Petry, deren sonntäglicher Auftritt bei Anne Will den Berliner TAGESSPIEGEL immer noch umtreibt.
Gerd Appenzeller konstatiert leise konsterniert, dass Petry "eloquenter als alle anderen ist, Bundesinnenminister Thomas de Maizière eingeschlossen, zudem gut vorbereitet, und so die ganze Runde mit unvergleichlich arroganter Miene in Grund und Boden redet. Unvergleichlich? Nein, Jürgen Trittin in jungen Jahren hatte diesen Gestus auch drauf. Warum Will da nicht mal ein Stoppsignal setzt, warum eine offenbar in Petrys Gesicht verliebte Regie nicht auch eine andere Kamerasicht auswählt, bleibt ein Rätsel."
Nun, der TAGESSPIEGEL gewinnt Petrys Gesicht offenbar auch einiges ab, jedenfalls druckt er drei - in Worten: drei - Petry-Fotos. Und falls sich jemand an unserer unmaßgeblichen Meinung reiben will, sagen wir: Ja, in der Tat, auf den Fotos sieht Petry hübsch aus.
Jetzt zu einigen älteren Herren: Don DeLillo, der US-amerikanische Schriftsteller, der in diesem Jahr 80 wird, erzählt in seinem neuen Roman "Zero K" von Sterbenden, die sich einfrieren lassen.
Und gern würden wir hier das Urteil von Hannes Stein wiedergeben. Allein, der Autor der Tageszeitung DIE WELT zitiert im Anschluss an die Inhaltsangabe des Romans, die andeutet, dass er ihn tatsächlich gelesen hat, nur Urteile amerikanischer Kollegen.
"Ich beende das Buch fassungslos und dankbar", schrieb etwa Joshua Ferris in der NEW YORK TIMES.

"Venus von Kilo" und "Rex Mager"

Diejenigen unter uns, die besonders die ernsten Töne im Feuilleton schätzen, sollten zur NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG greifen.
Unter der Überschrift "Die Anwesenheit des Abwesenden" bespricht der Theologe Jan-Heiner Tück mit dem Schriftsteller Thomas Hürlimann "die Anstößigkeit des christlichen Kreuzes".
Aber niemand glaube, dabei ginge es um bayerische Kruzifixe, Minarette, Integration und solche vorläufigen irdischen Dinge. Nein! Es geht um den Tod, die Transzendenz, die Auferstehung, um Gott, das Nichts und um Humphrey Bogart.
Der Nachteil: Ein Zitat, das die metaphysische Delikatesse des NZZ-Gesprächs wenigstens andeuten würde, können wir partout nicht finden.
Leichter macht es uns die SZ-Besprechung von Susanne Popps Max-Reger-Biografie "Werk statt Leben" – eine Buchstabenfolge, die sinnigerweise mit "Werkstatt Leben" - in zwei Worten - identisch ist.
Der SZ-Autor Jens Malte Fischer freut sich am Humor des Komponisten, Organisten und Dirigenten Reger, der am Mittwoch vor 100 Jahren gestorben ist.
"In Hotels gab Reger als Berufsbezeichnung 'Akkord-Arbeiter' an, eine füllige Sängerin bezeichnete er als 'Venus von Kilo', und als er selbst ziemlich umfangreich geworden war, unterzeichnete er Briefe gern mit 'Rex Mager'."
Okay, das war's.
Sollte es Ihnen an einer Maxime für den Rest der Woche gebrechen, liebe Hörer, dann nehmen Sie sich doch vor, was im TAGESSPIEGEL Überschrift wurde:
"Plaudern und Powern."
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