93 Oscar-Verleihungen bis zur Diversität
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Die diesjährige Vergabe der Oscars wird von "taz" und "Tagesspiegel" als Beleg angeführt, dass Hollywood nun auch divers ist. Die "Welt" setzt sich derweil mit der Oscar-Show auseinander und kritisiert "Elogen am Rand der Peinlichkeit".
Zunächst zum Wetter. Unter der Überschrift "April? April" stöhnt Edo Reents in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG: "Der vor allem morgens eiskalte Wind hört und hört nicht auf. Diese Luftströmung aus Nordost macht einen trotz gleißender Sonne seelisch frösteln, wie es sonst nur der Tod vermag." Gefrostet und gefrustet: Der FAZ-Autor Edo Reents.
Lüsterne Männer und Juniordinosaurier
Sprachspaßig und phalluskritisch: Juliane Liebert, die in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG über "Männinnen an Gitarinnen" schreibt:
"Rock ’n’ Roll ist, wenn lüsterne Männer mit flinken Fingern an den Hälsen ihrer vor dem Schritt baumelnden Gitarren rumfummeln. Das sollte dringend verboten werden. Macht nur keiner. Drum gilt’s, ein Zeichen zu setzen: Wir schreiben ab sofort nur noch über Gitarristinnen. Da Dinosaur Jr. aber eine der wunderbarsten Bands der vergangenen vierzig Jahre sind und die Männin Kurt Cobain sie liebte, muss eine Lösung gefunden werden, um guten Gewissens über sie schreiben zu können. Im Dilemma sind beherzte Entscheidungen gefragt. Auf, auf! Wir ernennen die drei Juniordinosaurier zu Frauen ehrenhalber."
Verehrte Verbohrte aller Geschlechter, merken Sie was? Der furchtbar ernste Gender-Komplex, er lässt sich offenbar auch heiter und ausgelassen bearbeiten. Wir sagen: Glückwunsch, Juliane Liebert!
Elogen am Rand der Peinlichkeit
Einen Glückwunsch übrig hat auch die TAGESZEITUNG – und zwar für die 93. Oscar-Verleihung. "[Sie] bildete zum ersten Mal tatsächlich die Vielfalt der Gesellschaft ab", freut sich Jenny Zylka.
Kaum anders Andreas Busche im Berliner TAGESSPIEGEL: "Die Oscars für 'Nomadland' und Regisseurin Chloé Zhao zeigen, wie divers Hollywood inzwischen ist. Ein wichtiges Signal."
Eher unerfreut, kritisiert Hans-Georg Rodek in der Tageszeitung DIE WELT die Verleihungsfeier als solche, für die der Regisseur Steven Soderbergh verantwortlich war.
"Die – in der Theorie – interessante Idee, die Danksagungen für stärkere Emotionalisierung zu nutzen, hat nicht recht verfangen. Soderbergh hatte die Redner ausdrücklich aufgefordert, ihren Emotionen freien Lauf zu lassen; es gab auch kein Orchester, das sie bald übertönt hätte. Doch die Herstellung glaubhafter Gefühle schien ausgerechnet der Elite des Showbusiness schwerzufallen. Entweder lagen die Elogen am Rand der Peinlichkeit, weil man das Tränendrüsendrücken spürte, oder die Preisträger verfielen wieder in den 'Ich danke Mutter und Vater'-Modus. Der Geehrte für das beste Lied dankte immerhin Gott 'für die zwölf Töne, die er den Menschen gegeben hat'", so der WELT-Autor Hans-Georg Rodek.
"Ein Verströmen von Liebe"
Höchste Anerkennung für ihre Gesangskunst erhält die Opern- und Liedersängerin Christa Ludwig, die am vergangenen Samstag gestorben war. "Christa Ludwig besaß das herrlichste, wundervollste Mezzosopran-Timbre ihrer Zeit. Wirklich groß aber war, wie sie es einsetzte: charakteristisch und klangschön, kultiviert und natürlich zugleich – und in alledem so seelenvoll, sinnlich und erotisch, dass man sich seiner Wirkung nicht entziehen konnte", schwärmt die SZ-Autorin Julia Spinola, die Christa Ludwig offenbar auch einmal persönlich getroffen hat.
"'Ich will jetzt nicht pathetisch werden', führte [Ludwig] in ihrer Suite in einem Berliner Hotel damals aus, 'aber wir geben unsere Seele beim Singen. Singen muss ein Verströmen von Liebe sein, sonst ist es nach fünf Minuten langweilig.' Dann genehmigte sie sich ein Glas Whiskey und einen Snack aus der Minibar und fügte hinzu: 'Ein Tenor muss eine sexy Stimme haben. Eine Stimme, die man anfassen kann, die in den Bauch geht oder tiefer.'" Unterleibsbewusst: Christa Ludwig in einem SZ-Artikel von Julia Spinola.
Für den WELT-Autor Manuel Brug war Ludwig "die Herrlichste von allen". "Wir müssen nun leicht von Christa Ludwig lassen. Auch wenn es schwerfällt. Umso kostbarer klingt freilich ihr wahrlich unüberbietbares akustisches Erbe nach. Ewig … ewig …"
Nun, ganz so lange brauchen Sie auf das Ende unserer Kulturpresseschau nicht zu warten. Es kommt bereits – jetzt.