Aus Brechts Schatten herausgetreten

27.09.2007
Lange Zeit wurde die Autorin Ruth Berlau vor allem im Zusammenhang mit Berthold Brecht gesehen. Zwischen Berlau und Brecht bestand ein intensives Arbeits- und Lebensverhältnis. Der Band "Der Teufel ist ein schlechter Chauffeur" versammelt zahlreiche Kolumnen, Prosatexte und Anekdoten der Dänin und zeigt, dass Berlau eine scharfe Beobachterin ihrer Zeit gewesen ist.
Im Jahr 1930 sattelt die junge Dänin Ruth Berlau ihren Drahtesel und fährt allein von Kopenhagen über Leningrad nach Moskau. Vor Ort will sie sich davon überzeugen, wie es in der Sowjetunion nach der Revolution aussieht. Zwei Jahre zuvor war sie bereits nach Paris geradelt, um sich einen Lippenstift zu kaufen!

Die Biographie der 1906 geborenen Ruth Berlau schmücken viele Episoden. Dass sich dahinter eine kluge und engagierte Frau verbirgt, der es an Zivilcourage nie gemangelt hat, wurde dabei oft vergessen. Keine biographische Episode nur, sondern ein intensives Arbeits- und Lebensverhältnis stellt ihre Beziehung zu Bertolt Brecht dar, den sie 1933 kennenlernt. Dieser war vor den Nationalsozialisten ins dänische Exil geflüchtet. Ruth Berlaus enorme Leistung bis zu seinem Tod 1956 wurde lange Zeit verkannt. Sie besorgte für Brechts Arbeiten Übersetzungen und trieb Geld auf, damit die "Svendborger Gedichte" 1939 in Kopenhagen erscheinen konnten. Aus ihrer engagierten Foto- und Pressearbeit entstehen 1944 im amerikanischen Exil Fotoepigramme, mit denen sie künstlerisches Neuland betritt. Sie bilden die Grundlage für die spätere "Kriegsfibel". Stets mit Fotoapparat und Kamera unterwegs dokumentiert Berlau auch Brechts Bühnenarbeit in New York.

Die Autorin Ruth Berlau wird nun in einem Buch mit dem Titel "Der Teufel ist ein schlechter Chauffeur" vorgestellt. Denn zwischen 1928 und 1974 schreibt sie Kolumnen für die dänische Boulevardzeitung "Ekstra Bladet" sowie Prosatexte und Anekdoten, die zum Teil unter den Pseudonymen Maria Sten und Peter P. Colorius erscheinen. Ergänzt wird diese Textauswahl durch die nur fünf Seiten umfassende Titelerzählung "Der Teufel ist ein schlechter Chauffeur", die eine deutsche Erstveröffentlichung darstellt. In New York entstanden, ist sie in englischer und deutscher Fassung aufgenommen.

Alle Texte zeigen eine schonungslos kritische Beobachterin, die gnadenlos ihr Urteil fällt und der die kompromisslose Inszenierung des sprechenden Ich stets wichtig ist. "Lerne tauchen!", riet einst ihr großer Lehrer Egon Erwin Kisch. "Tauchen unter die Leute. Beschreib was du siehst und hörst!" Diesen Rat hat sie befolgt. So gelingt ihr in "Man lächelt nicht in New York" eine soziale Analyse, die sich wie eine Fortsetzung von Bertolt Brechts Gedichtzyklus "Lesebuch für Städtebewohner" von 1926/27 liest. Dass die Dänin vielen Amerikanern aber auch als Sympathieträgerin für eine andere, hoffnungsvollere Welt erschien, nahm Ruth Berlau stets mit Verwunderung auf: "Verdammt, wie wir Dänen beliebt sind überall. Jeder hat als Kind Andersens Märchen gelesen".

Rezensiert von Carola Wiemers

Ruth Berlau: Der Teufel ist ein schlechter Chauffeur. Zwischen Kopenhagen, Paris, New York und Berlin
Herausgegeben und mit einem Nachwort von Ditte von Arnim
Transit Verlag 2007
128 Seiten, 14,80 Euro