Aus alt mach neu

Von Katja Bigalke · 25.06.2009
Gerade in Krisenzeiten scheint das Recyceln von gebrauchten Möbeln eine gute Idee zu sein. Diesem Konzept hat sich auch Franziska Wodicka verschrieben. In ihrem Schub-Laden in Berlin-Kreuzberg kreiert sie neue Möbel aus alten Schubladen.
"Das hier ist mein Schubladenlager. Das sind etwa 800 Schubladen, die kommen aus Berliner Trödelläden. Ich hab auch ein paar Fans, die mir Schubladen vorbeibringen und diese Schubladen erzählen alle irgendeine Art von Geschichte. Durch ihre Ramponiertheit."

Franziska Wodicka steht im Lager ihres Kreuzberger Schubladen-Ladens, den sie der Einfachheit halber Schub-Laden getauft hat und sortiert – streng nach Farbe, Form und Material - Schubfächer. Die alten Apothekerschubladen etwa kommen nach ganz oben. Ins vordere Regal.

"Da hat mich einer aus dem Wedding angerufen. Der hat seine Apotheke modernisiert und hatte die im Keller. Wenn die da die Riesenschränke haben und die Apotheken modernisieren, dann brauchen die die nicht mehr. Der hat die aber aufgehoben und dann kommen die zu mir."

Die quadratischen Holzschubladen mit den kleinen beschrifteten Zetteln stapelt sie in einem Regal in der Mitte des Ladens.

"Da steht jetzt Kürbis oder Sportrasen. Das ist noch aus so `ner alten Samenhandlung. Dann steht da Kürbis drauf, in so `ner altdeutschen Schrift."

Bei Wodicka stapeln sich Schubladen bis unter die Decke: schwere Holzschubladen mit dicken Knäufen, mittelgroße Besteckschubladen, kleine Schütten aus Glas und klitzekleine Gewürzschubladen. "Sie alle warten darauf wieder eingesetzt zu werden", sagt Wodicka. Sie sind Singles.

"Die haben keinen Korpus mehr, die sind alle alleinstehend und ich mache dazu einen neuen Korpus. Manchmal sagt mir die Schublade auch in welchen Korpus sie gerne möchte und dann stelle ich die zusammen."

Vor drei Jahren ist die 34-Jährige auf diese Idee gekommen. Sie war hochschwanger, hatte Zuhause ein paar alte einsame Schubladen aus einem Trödelladen und baute sich dazu ihr eigenes Büromöbel aus Pressspanplatten. So kam eins zum anderen:

"Ich mag Dinge, die keinen Wert mehr haben und die man neu erwecken kann und ich liebe es, wenn alles seinen Platz hat und alles aufgeräumt ist. Und so habe ich mir ein Möbel gemacht, wo alles seinen Platz hat. Hier die Post und hier die Briefumschläge. Die sitzen nicht richtig drinnen, die haben keine Stopper und sind auch nicht auf Gärung gearbeitet. So wie das eben jemand macht, der das nicht gelernt hat."

Perfekt wollte sie dann nach der Geburt ihres Sohnes sein. Da wollte die gelernte Gärtnerin und Landschaftsarchitektin etwas machen, das sich einfacher in ihr neues Leben integrieren ließ.

"Dann wollte ich kleine Produkte selber gestalten, weil ich dachte, es ist flexibler. Und dann bin ich dazu gekommen. In der Landschaftsarchitektur dauern die Projekte immer zehn, zwanzig Jahre. Ich wollte es aber sofort haben."

Von der Arbeit mit der Natur blieb das Holz. Für die alten Schubladen entwirft Wodicka Möbel aus schwarz oder weiß lackierten MDF-Platten. Sideboards, Schränke und Kommoden, in die die Schubladen dann – auf Filzläufern - passgenau hineingleiten können.

"Das ist auch der spannendste Moment, wenn der lackierte Korpus zurückkommt und ich die Schubladen einschiebe. Das ist wie wenn das Licht angeht."

Wodicka zeigt auf eine kleine geschwungene Schublade, die in einem minimalistischen Board ein neues Zuhause gefunden hat. Richtig edel wirkt ihr dunkles Holz in dem Möbel mit der glänzend weißen Politur. Es ist als ob sie strahlt.

"Das ist zum Beispiel aus einem alten Küchenbuffet, und jetzt in dem Sideboard mit dem Schwung hat das eine super Wirkung."

Weil die gebürtige Frankfurterin die von ihr entworfenen Möbel in Berlin schreinern und lackieren lässt, hat so ein kleines Sideboard für Schlüssel und Telefon dann auch seinen Preis. 650 Euro kostet die schöne Kombination. Und trotzdem kann sich Wodicka vor Aufträgen kaum noch retten. Schon in ihrem ersten halben Jahr verkaufte sie gut 60 Möbel: Alles Unikate, alle maßgefertigt.

"Das ist weltweit. Das weiteste war bis nach Australien. Aber sonst England, Dänemark USA."

Moderne Möbel mit dem Charme von alten. Natürlich profitiert auch Wodicka von dem angesagten Recycling-Label, mit dem die Designerbranche derzeit Kollektionen aus Wegwerfmaterialien verkauft. Aber eigentlich ist auch hier wieder nur eins zum anderen gekommen in ihrem Leben. Es hat sich so ergeben:

"Das ist Zufall, dass ich da so `nen Trend erwischt habe: Ich verstehe die Arbeit auch nicht als Recycling, weil: Ich nehme ja die Schubladen und die bleiben Schubladen."

Sagt es und dreht das Schild an der Tür zu ihrem Laden um. "Offen" steht da jetzt. Wodicka wirft einen Blick in ihr Schaufenster und lächelt. "Danke" klebt in großen Lettern an einer alten Schublade. Wie so oft hat ihr letzte Woche jemand anonym eine Schublade vor den Laden gestellt. Das ist Wodickas Art sich zu bedanken.