Auktionskatalog einer vierjährigen Beziehung

Die Handlung ist simpel und altbekannt - zwei Menschen lernen sich kennen, lieben und trennen sich wieder. So erzählt wie Leanne Shapton hat sie jedoch noch niemand: Die amerikanische Künstlerin reiht nur katalogmäßig die Notizen, Kleider, Schnappschüsse ihrer fiktiven Liebesgeschichte aneinander.
Mit Leanne Shaptons Buch halten wir keinen Roman, sondern einen Auktionskatalog in den Händen. Aber dieser (fiktionale) Katalog enthält die Geschichte einer (fiktiven) Liebesbeziehung. Die Geschichte von Hal und Lenore wird nicht auf herkömmliche Weise erzählt, sondern von den Gegenständen, die den beiden gehört haben und nun, nach dem Ende der Beziehung, versteigert werden.

Abgebildet und katalogmäßig knapp beschrieben sind Objekte, die sie sich schenkten, Notizen, gelegentliche Briefe und seltenere E-Mails, Schnappschüsse, Theaterprogramme, Einladungen, Kleider und Bücher. Es sind unspektakuläre, zuweilen skurrile, immer gebrauchte Alltagsdinge – Dinge, die die Autorin auf Flohmärkten zusammengesucht hat.

Was können Dinge erzählen, wenn sie einfach nur sachlich abfotografiert und mit kargen Informationen versehen werden? Eine ganze Menge. Kein Erzählerkommentar stellt Zusammenhänge her, aber wir werden äußerst geschickt von Auswahl und Zusammenstellung der Fotos und Texte durch die Geschichte geleitet.

"Lakonisch" könnte man dieses "andere" Erzählen nennen. Es bleibt uns überlassen, aus wenigen Brieffetzen und verstreuten Hinweisen die kleineren und größeren Dramen und Glücksmomente zu erschließen: Lenore und Hal lernen sich auf der Halloweenparty von Freunden kennen, und die vierjährige Dauer der Beziehung wird markiert durch die alljährliche Einladung zur Halloweenparty.
Lenore liebt Listen, und inmitten von Einkaufslisten finden sich die "Pros" und "Cons" für und gegen die Beziehung mit Hal. Hal ist als Fotograf ständig in der Welt unterwegs, und den Stand der Beziehung lesen wir ab an seinen E-Mails, wenn er beispielsweise schreibt, er müsse noch einige Wochen wegen eines neuen Auftrags dranhängen.

Wer schenkt wem was? Ist es wirklich vielsagend, wenn sie ihm zu Thanksgiving einen dreiteiligen Vintage-Tweedanzug schenkt, er ihr aber "nur" ein paar auf dem Flughafen erstandene Socken? Ja, in diesem Kontext ganz gewiss.

Von einem Schwangerschaftsabbruch ist nicht explizit die Rede, aber wir erfahren durch eine kleine Notiz, die in einem zu versteigernden Buch steckt, dass Lenore vermutet, schwanger zu sein, und dass Hal sich jedem Gespräch darüber entzieht, indem er zu einem Shooting entschwindet.

Wir sehen eine zertrümmerte "Noise Machine", einen Geräuschgenerator, was viele Worte erspart, denn dieses Gerät kann nur Lenore in ihrer Verzweiflung zertrümmert haben.

Das nächste Objekt ist eine teure Hermès-Uhr von Hal für Lenore mit seiner entschuldigenden Notiz, die für Lenore nur zynisch klingen kann. Nun geht die Beziehung rapide zu Ende.

Eine Liebe, die nicht als zusammenhängende, das Entstehen und Vergehen von Gefühlen schildernde Geschichte erzählt wird, sondern von Dingen - das ist unerwartet originell. Zweifel, ob das funktionieren kann, verschwinden rasch: Ja, es funktioniert. Es ist sogar eine sehr zeitgemäße Form des Erzählens.

Zum einen dokumentiert es die Objektversessenheit und Objektüberflutung unserer heutigen Leben, aber auch die Fähigkeit von Dingen, Emotionen zu speichern. Zum anderen ist Erzählen vielleicht ohnehin nur noch fragmentarisch möglich. Denn schließlich: Was wissen wir schon von uns selbst und den anderen? Fragmente.

Besprochen von Gertrud Lehnert

Leanne Shapton: Bedeutende Objekte und persönliche Besitzstücke aus der Sammlung von Lenore Doolan und Harold Morris, darunter Bücher, Mode und Schmuck
Aus dem Amerikanischen von Rebecca Casati
Berlin Verlag, Berlin 2010
144 Seiten, 19,90 Euro