Auktionator: Es gibt noch genug Sammler mit finanziellen Mitteln

Robert Ketterer im Gespräch mit Dieter Kassel · 30.10.2008
Der Münchner Auktionator Robert Ketterer schätzt den Kunstmarkt zwar als verunsichert ein, aber durch die internationale Finanzkrise nicht in Gefahr. Sie habe im Gegenteil auch einen positiven Effekt. In der Vergangenheit seien traditionelle Sammler wegen der hohen Preise oft nicht mehr zum Zuge gekommen, sagte Ketterer anlässlich der Eröffnung des 13. Art Forums Berlin.
Dieter Kassel: Heute Abend eröffnet das Art Forum Berlin eine große Messe für Gegenwartskunst und noch niemand kann jetzt sagen, ob und wenn ja wie sich hier die internationale Finanzkrise auswirken wird. Die Signale von anderswo sind nicht ganz eindeutig. Die Pariser Kunstmesse, die gerade zu Ende gegangen ist, verkündete Anfang der Woche, sie habe keinerlei Einbrüche zu verzeichnen. Das Auktionshaus Sotheby’s andererseits hat die für Montag geplante Versteigerung eines Picasso-Gemäldes abgesagt. Man glaubt dort nicht daran, dass die 30 Millionen Dollar, die das Bild wert sein soll, im Moment erzielt werden könnten. Eines ist klar, gerade auch bei zeitgenössischer Kunst, die enormen Preise, die in den letzten Monaten und Jahren aus Spekulationsgründen zum Teil gezahlt wurden an vielen Ecken der Welt, die wird es so wohl nicht mehr geben, was nicht unbedingt schlecht sein muss. Die Auswirkungen der Finanzkrise auf den Kunstmarkt, das ist unser Thema jetzt im Gespräch mit Robert Ketterer vom Auktionshaus Ketterer in München. Guten Tag, Herr Ketterer!

Robert Ketterer: Grüß Gott!

Kassel: Folgt jetzt auf die Bankenkrise so eine Art Kunstmarktkrise?

Ketterer: Von einer Krise würde ich auf keinen Fall sprechen. Natürlich ist es so, dass es nicht mehr so weitergeht, immer weiter, weiter, schneller, höher, weiter, wie es in der Vergangenheit der Fall war. Und doch, natürlich ist die Finanzmarktkrise, wirkt sich irgendwo indirekt auf alle Märkte aus. Aber von einer Krise können wir weiß Gott noch nicht sprechen. Ich selber war auch auf der FIAC in Paris am Wochenende und die Stimmung war dort fantastisch. Ich stand an, um reinzukommen, in einer Schlange von 200 Leuten. Auf den Ständen war ein reges Treiben und Verkäufe. Es war wirklich ganz, ganz positiv. Von einer richtigen Krise kann man davon noch gar nicht sprechen.

Kassel: Aber wenn man zum Beispiel jetzt auch mal betrachtet, dass Banker inzwischen selbstverständlich zu Negativfiguren geworden sind – man wirft ihnen ja beispielsweise vor, sie hätten mit Werten gehandelt, die sie völlig überschätzt und teilweise nicht richtig eingeordnet hätten – haben das nicht manche Galerien und Auktionshäuser in letzter Zeit ähnlich gehandhabt?

Ketterer: Nun gut, der Markt wird in der Finanzlandschaft wie auch im Kunstmarkt natürlich von Angebot und Nachfrage reguliert. Das ist schon richtig. Allerdings die zeitgenössische Kunst selber war natürlich ein Markt, der sehr spaßig war, es war toll dort zu kaufen, auf die Messen zu gehen. Dort waren viele, viele Partys. Das war auch ein schönes Umfeld, wo man auch gerne was gekauft hat, sich was Schönes gegönnt hat. Natürlich ist da möglich, dass es hier einige Einbrüche geben könnte, was es auch schon in den letzten Auktionen vor zwei Wochen gegeben hat in London. Denn man muss sich vorstellen, jemand, der sehr viel Geld für einen ganz jungen Künstler ausgibt, vielleicht 300.000, 400.000 Euro für einen Künstler, der noch nicht mal 30 Jahre alt ist, der überlegt sich, ob er das jetzt tut. Denn er kann ja noch in zwei, drei Jahren immer noch zu dem Künstler gehen und sagen: Bitte verkauf mir ein Bild!

Kassel: Waren denn die Leute, die in den letzten ein, zwei Jahren, Sie haben Zahlen genannt, 300.000 bis 400.000 Euro für einen fast unbekannten Künstler und dessen Werk ausgegeben haben, waren denn das Kunstfreunde?

Ketterer: Ja, ich würde es eher so anfangen. Wer hat diese Bilder verkauft? Da sollte man sich die Frage stellen. Natürlich, in den Galerien ist es klar, das haben die Künstler selber aber auch auf den Auktionen, die auch dann diese Preisregionen dann am Schluss auch erreicht haben, das waren nicht Sammler, die das dort verkauft haben. Denn welcher Sammler verkauft schon ein Werk von 2005, das er gerade vor drei Jahren gekauft hat, und gibt es gleich wieder in eine Auktion. Das waren natürlich da schon Spekulanten am Werk und nicht zuletzt sind die Künstler selber auch gefragt, ob sie alles richtig gemacht haben.

Kassel: Die Künstler? Was haben denn die Künstler falsch gemacht in dem Zusammenhang?

Ketterer: Na ja, der ganze Kunstmarkt basiert natürlich auf dem Galeriemarkt. Der Galeriemarkt ist ein eigenständiger Markt, der auch so belassen werden sollte. Bei Damien Hirst, die letzte ganz große Auktion, da hat Damien Hirst selber seine Galerien umgangen und hat direkt in Auktionen eingeliefert. Das war ein ganz offizieller Akt. Aber gut kann das nicht sein. Denn irgendwann funktioniert der Auktionsmarkt für zeitgenössische Kunst nicht mehr so gut und dann sind die Galerien gefragt. Aber wenn natürlich die Galerien den Kontakt zu den Künstlern verloren haben, ist es natürlich keine gute Voraussetzung für die Zukunft der Künstler.

Kassel: Kommen wir noch mal zurück auf diese Preise gerade für Gegenwartskunst, 300.000, 400.000 Euro. Wir nennen ja keine Namen jetzt, weder von Künstlern noch von Bildern. Aber wenn wir mal spekulieren auf ein Werk, das, sagen wir mal, realistisch gesehen, 50.000 wert ist, jemand hat 400.000 ausgegeben dafür vor einem Jahr. Was passiert denn mit solchen Kunstwerken jetzt in der Krise, sind die unverkäuflich?

Ketterer: Ich habe neulich ein ganz interessantes Zitat gelesen. Da hat ein Amerikaner gesagt, diese Leute, die jetzt diese Bilder so teuer gekauft haben, sprich auch Spekulanten, die müssen sich jetzt wohl auch damit anfreunden, die Bilder lieben zu lernen oder, das ist die Alternative, man gibt es zu sehr geringen Preisen auf den Markt. Würde ich jetzt aber niemandem raten, denn momentan ist der Markt relativ verunsichert. Und wenn etwas eben gerade nicht gut geht, wie der zeitgenössische Markt, dann würde ich den jetzt auch nicht überschwemmen, wenn es nicht unbedingt sein muss.

Kassel: Was bedeutet das zum Beispiel auch für Sie? Die nächste Kunstauktion in Ihrem Haus in München gibt es dann im neuen Gebäude auch Anfang Dezember. Das ist gar nicht mehr so lange hin. Wir haben jetzt gehört, gut, das ist jetzt natürlich keine Gegenwartskunst, aber dass das Picasso-Gemälde bei Sotheby’s erst mal nicht versteigert wird. Müssen Sie da ähnlich handeln? Gibt es Kunstwerke, wo Sie Ihren verkaufenden Kunden auch sagen, das machen wir jetzt lieber nicht?

Ketterer: Wir arbeiten in einem ganz anderen Markt. Wenn Sie sich überlegen, der ganze Markt ist aufgebaut wie eine Pyramide. An der Spitze stehen vielleicht zehn, 15 Personen, vielleicht 20 Personen weltweit, die sich Kunstwerke über 50 Millionen Dollar leisten können. Und nach unten hin wird die Pyramide immer breiter, breiter, breiter, bis man irgendwo dann bei der Käuferschicht von eBay angelangt ist. Unser Markt, den wir handeln, das ist ein Markt in dieser Auktion, der etwa bei 5000 Euro angeht und etwa bis zu einer Million oder etwas darüber geht. Das heißt, es ist ein relativ breiter Markt, der ungefähr in der Mitte der Pyramide sich angesiedelt ist. Da sind Sachen, da sehen wir auch keine so großen Schwierigkeiten, denn es gibt immer noch genug Sammler und echte Kunstfreunde mit ausreichend finanziellen Möglichkeiten.

Kassel: Ist das wirklich so? Das habe ich mich zum Beispiel bei dem Nolde gefragt. Da beginnt es, glaube ich, bei 800.000 Euro. Nun mag man ja finden, das Gemälde ist weit über eine Million wert, das reicht ja nicht, das zu finden, man muss ja das Geld dann auch haben. Haben die Leute das noch mitten in der Krise?

Ketterer: Ja, das auf jeden Fall! Es ist ja nicht so, dass jeder jetzt vor dem Konkurs steht. Natürlich gibt es Menschen, die sehr spekulativ angelegt haben. Aber wenn ich unsere Käuferstruktur anschaue, wir haben etwa 2000 Kunden, die in der Lage sind, solche, vielleicht nicht ausgesprochen diese Größenordnungen auszugeben, aber Kunst ab 10.000 Euro bis zu etwa einer Million zu kaufen. Und da kann man nicht davon ausgehen, dass alle 2000 Leute ihr Geld komplett verloren haben. Da sind Kunden dabei, die haben Milliarden-Vermögen. Es mag ja sein, dass da möglicherweise ein paar Hundert Millionen jetzt weg sind. Aber 100.000, 500.000 und eine Million für wirklich exzeptionelle Gemälde, die man morgen auch nicht mehr kriegen kann, wenn die Liebe groß genug ist, wird das auch noch ausgegeben.

Kassel: Wir reden im Deutschland Kultur mit dem Münchener Auktionator Robert Ketterer über die möglichen Auswirkungen der Finanzkrise auf den internationalen Kunstmarkt. Herr Ketterer, reden wir doch mal über mögliche positive Auswirkungen dieser Krise. Bei einem gewissen Teil der Gegenwartskunst und einem nicht geringen ging es ja in den letzten Monaten, Jahren stärker als üblich nur um Spekulation. Da wurden Bilder von Künstlern gekauft, bei denen man ähnlich wie bei Aktien einfach die Zukunft sah und sich gedacht hat, das stelle ich mir in den Keller vielleicht, guck es nicht mal an, irgendwann ist es erheblich mehr wert und ich verkaufe es wieder. Wenn das jetzt vorbei ist und Bilder vielleicht nicht mehr gekauft werden, weil man glaubt, damit finanziere ich die Rente, sondern weil man sagt, ich finde dieses Bild fabelhaft, ist das nicht auch was Positives?

Ketterer: Für die echten Sammler in jedem Fall. Wissen Sie, ich will mich da gar nicht freisprechen. Wir sind als Auktionshaus oder als Händler natürlich daran interessiert, den höchstmöglichen Preis zu erzielen. Das ist unser Auftrag dem Einlieferer gegenüber. Und es ist richtig, dass wir in der Vergangenheit auch immer wieder sehen mussten, dass unsere traditionellen Sammler nicht mehr zum Zuge kamen, weil es einfach viel zu teuer wurde. Was aber nicht heißen muss, dass auf jeden Fall unbedingt auch die Käufer am Schluss dann Spekulanten waren. Wir hatten in unserer Käuferschicht so gut wie keine wirklichen Spekulanten, wo ich weiß, dass die Bilder im Keller gelandet sind. Das ist möglicherweise bei der absolut aktuellen zeitgenössischen Kunst viel, viel deutlicher gewesen. Bei unserem Segment eher weniger.

Kassel: Aber wenn jemand gekommen wäre, der gesagt hätte, ich biete für ein Bild, das wie viel auch immer wert ist, 600.000, sage Ihnen aber unter der Hand, der, für den ich hier mitbiete, wird es in den Keller tun. Hätten Sie als Auktionator ja nicht sagen können: Wir machen das nicht!

Ketterer: Nein, natürlich nicht. Da will ich mich auch gar nicht freisprechen davon. Aber trotz allem, unsere Kunden sind wirklich nicht in erster Linie Spekulanten gewesen, das glaube ich nicht. Und wissen Sie, jetzt müssen wir auch mal darüber sprechen, welches Segment wir ansprechen, nicht nur vom Betrag her, sondern auch von der Kunstrichtung. Wir sprechen in erster Linie, wir haben unser Angebot, das ist spezialisiert auf die deutsche, europäische Kunst. Die deutsche Kunst generell ist im internationalen Vergleich immer noch unterbewertet. Das heißt, auch wenn hier in der Vergangenheit Preissteigerungen stattgefunden haben, dann ist es heute immer noch nicht wirklich teuer im Vergleich zur internationalen Kunstszene.

Kassel: Blicken wir zum Schluss in die Zukunft. Wenn wir mal davon ausgehen, dass wir alle die Finanzkrise überleben werden, aber dass sie im Guten wie im Schlechten ihre Spuren hinterlässt. Wie wird der Kunstmarkt, lassen Sie uns ruhig ganz wild spekulieren, in fünf, sechs Jahren aussehen? Wie man bei vielen Banken sagt, so wie vorher auch wieder, alles wird sich erholen, die Spekulanten kommen zurück? Oder rechnen Sie auch, was Ihre Konkurrenz angeht, auch was Galerien und Auktionshäuser angeht, mit einer Marktbereinigung, die langfristig was bedeutet?

Ketterer: Ich habe in den letzten 20 Jahren jetzt schon zwei Krisen miterlebt. Und es hat sich eigentlich immer so dargestellt, je weiter der Markt nach unten gezogen wird in einer schwierigen Phase, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass wieder Spekulanten natürlich hineinkommen. Schauen Sie die Börse an. Wenn es Aktienwerte von wirklich guten Unternehmen, die unglaublich günstig sind, dann wird sich jeder überlegen, ob es sich nicht lohnt, aus spekulativen Gründen hier einzusteigen. Und es wird im Kunstmarkt genauso passieren. Nur, wenn man ganz ehrlich ist, der gesamte Kunstmarkt, unsere Auktion zum Beispiel, da ist wirklich nur ein ganz, ganz kleiner Teil davon da, der nicht wiederbringbar ist, der so ausgesprochen von der Qualität gut ist, dass es Museumsqualität hat. Und diese Sachen werden sicherlich nicht von der Krise betroffen sein.

Kassel: Fangfrage zum Schluss. Wenn ich jetzt genügend Geld hätte, um bei Ihnen mitzusteigern und bei jedem Ihrer Konkurrenten selbstverständlich auch, ich frage mich aber, ob das jetzt ein günstiger Moment ist. Soll man jetzt in den Kunstmarkt einsteigen, ja oder nein? Was würden Sie mir sagen?

Ketterer: Ich würde die Frage anders formuliert gerne sehen, und zwar, wenn jemand wirklich Spaß an der Kunst hat, ein Gebiet gefunden hat, das ihm sehr viel Spaß macht und hierbei fündig wird in den einzelnen Auktionen, ganz egal, ob bei uns oder bei anderen Kollegen und etwas findet, was er wirklich nicht auch morgen schnell wieder kriegen kann, dann sollte er jetzt zuschlagen, ganz egal zu welchem Preis. Natürlich sollte es auch nicht illusorisch hoch sein. Der Markt ist momentan zumindest so, dass wir mit unseren Einlieferern sprechen und attraktive Aufrufpreise in der Auktion haben werden.

Kassel: Der Münchener Auktionator Robert Ketterer über den mehr oder weniger großen Einfluss der Finanzkrise auf den Kunstmarkt.