Aufzeichnung aus der Oper Lausanne

Engel mit Lippenstift

Der Dirigent Bertrand de Billy
Der Dirigent Bertrand de Billy © Marco Borggreve/Lewin-Management
15.03.2015
Die Musik von Wolfgang Amadeus Mozart trägt häufig göttliche Züge. In ihrer einfachen Komplexität und ihrer Schönheit. Dieses "göttliche" Prinzip schätzt man auch in Lausanne. Deshalb konfrontierte das Kammerorchester der Schweizer Stadt seine Musik mit den "Drei Liturgien über die Göttliche Präsenz" von Olivier Messiaen. Als Gast stand der französische Dirigent Bertrand de Billy am Pult.
Der Abend in der Lausanner Oper begann nostalgisch. Nach Ende des Ersten Weltkrieges schrieb Gabriel Fauré eine Schauspielmusik für den Fürsten von Monaco. Die Suite aus "Masken und Bergamasken" hat als gern gespieltes Konzertstück überlebt. Sie ist die Auskopplung aus einer Musik, die klingt, als habe jemand "Fauré mit den Ohren Mozarts" gehört - vier wunderschöne Sätze, die eine hoffnungslos nostalgische Form der "Commedia dell'arte" abgeben.
Mozarts einzige Komposition für Harfe ist ein veritables Doppelkonzert für Flöte, Harfe und kleines Orchester. Es entstand zirka 1778 und setzt bis heute Maßstäbe, nicht nur für diese beiden eher ausgefallenen Soloinstrumente. Wie so oft wollten es der Zufall und die Beziehung des Komponisten zu musizierenden Amateuren, dass ein solches Werk entstehen konnte. Mozart hatte in dieser Zeit in Paris Fuß zu fassen versucht. Da er mit seiner Musik kommerziell nicht erfolgreich war, musste er wie so oft Geld mit Unterrichten verdienen. Und da traf er auf den Flöte spielenden Grafen de Guines und dessen Tochter, die etwas von der Harfe verstand und auch komponieren lernen wollte. In Lausanne spielten Sarah Louvion, die Soloflötistin des Frankfurter Museumsorchesters, und Letizia Belmondo dieses charmante und anspruchsvolle Werk.
Dieses Doppelkonzert ist ein seltenes Juwel für diese Instrumentenkombination und zeigt Mozart in seinem Ideal der grenzenlosen Einfachheit und mühelosen Komplexität, die auch Olivier Messiaen mit seinen drei Liturgien über die göttliche Präsenz beschwören wollte. Ein Werk aus der Kriegszeit, das der französische Komponist verfasste, nachdem er aus dem Gefangenenlager Görlitz nach Haus entlassen worden war. Die Aufführung im April 1945 in Paris fand nicht nur Zustimmung. Viele Kritiker und Zuhörer waren extrem irritiert von der eigenwilligen Tonsprache und der unkonventionellen Behandlung des geistlichen Textes. Den hatte Messiaen selbst geschrieben und so kosmopolitisch und naturtrunken vertont (vor allem in seiner Hingabe an den Gesang der Vögel, aber auch in seiner Neugier auf die Musikkulturen der Welt, besonders Asiens), dass ein Bezug zur katholischen Liturgie weit entfernt schien. Ein Kritiker meinte Engel zu hören, die dicken Lippenstift aufgetragen hatten. Welche Farbe auch immer dieser Lippenstift gehabt haben mag (und Farben waren dem Synästhetiker Messiaen beim Hören ganz wichtig) - diese Engel müssen mit den Worten eines wahrhaft Gläubigen gesungen und gesprochen haben.
Bertrand de Billy wurde in Paris geboren, erhielt in seiner Heimatstadt seine Ausbildung und trat hier auch zuerst als Orchestermusiker, sehr bald aber auch als Dirigent in Erscheinung. 1993-95 war er erster Kapellmeister und stellvertretender GMD am Anhaltischen Theater in Dessau, 1996-98 in gleicher Position an der Wiener Volksoper. In den Jahren 1999-2004 war er Chefdirigent des Gran Teatro del Liceu in Barcelona, von 2002-2010 Chefdirigent des Radio-Symphonieorchesters Wien.
Dem Kammerorchester Lausanne ist er als Erster Gastdirigent verbunden. Dieses renommierte Ensemble existiert seit 1942 und hat zuletzt unter Christian Zacharias bedeutende Einspielungen der Klavierkonzerte von Mozart vorgelegt. Ab nächster Saison wird der junge US-Amerikaner Joshua Weilerstein die künstlerische Leitung des Orchesters übernehmen.
Oper Lausanne
Aufzeichnung vom 17. Februar 2015
Gabriel Fauré
"Masques et bergamasques" Suite für Orchester op. 112
Wolfgang Amadeus Mozart
Konzert für Flöte, Harfe und Orchester C-Dur KV 299
Olivier Messiaen
"Trois petites liturgies de la présence divine" - für Frauenchor, Klavier, Ondes Martenot, Schlagzeug und Streicher
Sarah Louvion, Flöte
Letizia Belmondo, Harfe
Kinderchor von Radio France
Kammerorchester Lausanne
Leitung: Bertrand de Billy
im Anschluss:
Dem Dirigenten Israel Yinon zum Gedenken
Volker Michael im Gespräch mit dem Produzenten Stefan Lang
Heinz Tiessen
Hamlet-Suite op. 30, daraus: Totenmarsch
Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin
Leitung: Israel Yinon
Aleksander Tansman
Cellokonzert, daraus: Finale
Sebastian Hess, Violoncello
NDR-Radio-Philharmonie Hannover
Leitung: Israel Yinon
Karol Rathaus
"Der letzte Pierrot" op. 19, Ballett, Ausschnitt aus dem 3. Akt
Deutsches Symphonie-Orchester Berlin
Leitung: Israel Yinon