Aufzeichnung aus dem Konzerthaus Berlin

Ohne Wagner und andere Götter

Der Geiger Kristóf Baráti
Der Geiger Kristóf Baráti © Pilvax Studio/RSB
26.04.2015
Er ist ein One-Hit-Komponist, ganz wider Willen: Max Bruch mit seinem Violinkonzert. Kristóf Baráti spielt es mit dem RSB unter Marek Janowski. Dabei gibt es nicht nur ein zweites Violinkonzert, sondern auch die wunderbare Schottische Fantasie und das noch wunderbarere Kol Nidrei für Cello und Orchester. Doch schon zu Lebzeiten kämpfte Bruch selbst gegen diese One-Hit-Tatsache. Der ungarische Geiger und das RSB fügen sich den musikalischen Tatsachen. Außerdem spielt das Orchester unter Leitung seines Chefdirigenten Marek Janowski die Sechste Sinfonie Anton Bruckners. Die ist nun gar nicht hitverdächtig.
Warum soll man dennoch immer um die One-Hit-Stücke einen Bogen machen? Diesmal haben sich Orchester, Chefdirigent und Solist entschlossen, tief und mutig in die Kiste des beliebten Repertoires zu greifen. Das erste Violinkonzert mit seinen süffig-melancholischen Melodiebögen und seinem ehrlich romantischen Geist kann immer wieder begeistern. Der 1979 geborene Geiger Kristóf Baráti ist ein gern gesehener Gast in Berlin - mit Deutschlandradio Kultur hat er bereits mehrere hoch gelobte CDs eingespielt. Er stammt aus einer Musikerfamilie aus Budabpest, ist aber in Venezuela aufgewachsen und hat in Paris bei Eduard Wulfson studiert und betrachtet sich als Enkelschüler von Yehudi Menuhin, Nathan Milstein und Hernryk Szering.
Im zweiten Teil folgt dann eine eher selten gespielte Bruckner-Sinfonie, die sechste in A-Dur. Zu Lebzeiten hat der Komponist mit ihr viel Ablehnung und Spott geerntet. Aber das ist ja heutzutage kein Kriterium mehr. RSB-Dramaturg Steffen Georgi meint, hier sei Bruckner ganz bei sich, da er sich weder zu sehr auf sein Idol Richard Wagner beziehe noch zu häufig an den lieben Gott gedacht habe beim Komponieren. Eine gemäßigt Sinfonie ist sie auf jeden Fall, typischer Bruckner, ebenmäßig konstruiert und an vielen Stellen glatt poliert. Warum nicht? Romantisch ist auch dieses Stück, auch wenn die beiden "Bru..."s keine Freunde waren.
Dass ihre Musik heute in einem Konzertprogramm gemeinsam erklingt, ist nicht der Ironie der Musikgeschichte geschuldet, sondern eher ihrer Weisheit.
Konzerthaus Berlin
Aufzeichnung vom 19. April 2015
Max Bruch
Konzert für Violine und Orchester Nr. 1 g-Moll op. 26
Anton Bruckner
Sinfonie Nr. 6 A-Dur
Kristóf Baráti, Violine
Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin
Leitung: Marek Janowski