Auftakt Passionsspiele 2020 in Oberammergau

Von der Schwierigkeit, ein Festival nur alle 10 Jahre zu machen

Szene von den Passionsspielen 2010 in Oberammergau
Szene aus den Passionsspielen aus 2010: Wichtiger Wirtschaftsfaktor eines Ortes in den bayerischen Alpen © imago stock&people
Von Regina Steffens  · 20.11.2018
Oberammergau lebt von der Passion, die seit 400 Jahren ein Mal pro Dekade aufgeführt wird. Alle zehn Jahre verfügt das Dorf über einen "Wahnsinns-Haushalt", sagt Regisseur Christian Stückl. Und verschuldet sich dazwischen. Eine echte Herausforderung für die Dorf-Finanzen.
"Die Tickets sind tatsächlich etwas teurer geworden. Das war ein ganz starkes Augenmerk von uns allen: Fast die Hälfte aller Karten werden gemeinsam mit einem Arrangement verkauft. Und dieses Angebot ist eigentlich billiger geworden."Mit diesen Arrangements, einem Paket aus Übernachtung, Transfer und Eintrittskarte, locken sie Amerikaner und Engländer nach Oberammergau. Regisseur Christian Stückl und Pressesprecher Frederik Mayet, der zum zweiten Mal den Jesus spielen wird, sind dafür extra auf USA-Werbetour gegangen. Die sich lohnen soll, so Mayet:
"Dieser Organisationsaufwand liegt bei der Gemeinde, der wird total nachgefragt bei Reiseveranstaltern, für die ist es angenehmer, dann zu sagen: Wir fahren dann am nächsten Tag weiter nach Neuschwanstein und davor machen wir einen Besuch in München. Für die ist es dann einfach ein Paketbaustein, der in die Reise eingebaut wird. Das ist was, das nachgefragt ist, es ist eher ein Service für Reiseveranstalter."Von diesen Gästen profitiert Oberammergau besonders. Das Dorf ist während des Passionsspiels zu 100 Prozent ausgelastet. 2010 kam insgesamt eine halbe Million Besucher. Seit Generationen ist die Passion der Wirtschaftsfaktor im Alpen-Örtchen.
Stückl: "Und trotzdem war es für das Dorf immer eine extreme Schwierigkeit, ein Festival zu haben, das nur alle zehn Jahre stattfindet. Das hieß, man musste sich fast über die zehn Jahre damit finanzieren. In einem Jahr hast du extrem viele Menschen im Dorf, dann traust du dich nach dem Passionsspiel infrastrukturelle Veränderungen vorzunehmen und dann plötzlich merkst du in den Jahren dazwischen, du kriegst nicht die Zahlen her."

Das Passions-Theater ist teuer

Oberammergau lebt von der Passion. In den 70ern und 80ern investierte man in ein Kurgästehaus, einen Skilift, ein Schwimmbad. Das ist mittlerweile sanierungsbedürftig. Den Skilift hat die Gemeinde verkauft. Das Dorf ist seit langem verschuldet, mit circa 1200 Euro pro Einwohner.
"Wir haben quasi alle zehn Jahre einen Wahnsinns-Haushalt und die Jahre dazwischen einen Haushalt, der höher in die Schulden geht als der anderer Dörfer. Jetzt aber hat die Behörde gesagt, ihr gebt in den Jahren dazwischen immer zu viel aus. Was ist eigentlich, wenn euer Passionsspiel mal in die Hose geht? Dann seid ihr größer in den Schulden als jede andere Gemeinde."
Einige Jahre war die Gemeinde für Kredite gesperrt. An der Passion 2010 verdiente sie 30 Millionen Euro, so Stückl. Doch auch das Passions-Theater frisst Geld: neue Heizungsanlagen, ein Glasdach und teure Sicherheitsstandards mussten her.
Ein Event in zehn Jahren reicht nicht. Stückl nutzt deshalb seit 2005 die lange Festivalpause. In den Sommern führen sie Theater auf und geben Konzerte. Nächstes Jahr zum Beispiel "Die Pest" und das "Heimat Sound Festival" - ein bayerisches Popfestival, das bereits ausverkauft ist."Das ist, glaube ich, eine wichtige Herausforderung, dass man das Alleinstellungsmerkmal von Oberammergau noch weiter herausstellt und sagt: Wir sind einfach ein Dorf, wo Kultur einen großen Platz hat."

Sponsoren aus der Wirtschaft sind tabu

Bei der letzten Passion noch war Oberammergau auf eine Bürgschaft des Freistaats Bayern angewiesen. Diesmal immerhin nicht. Sie wollen alles selbst stemmen. Einen Sponsoren aus der Wirtschaft würden sie nie ins Boot holen. Das widerspreche dem Geist des Passionsspiels. Auch mit Souvenirs sind sie vorsichtig.
"Das Passionsspiel mit zu viel Merchandising, das geht mir auf den Sack. Da gab’s Firmen von auswärts, die uns Jesus als Nussknacker vorgeschlagen haben. Da haben wir gesagt: Na, stop, stop, stop. Das machen wir alles gar nicht. In dem Bereich sind wir gar nicht so richtig tätig."
T-Shirts, Cappies und Bildbände sollen reichen.
Etwa 60 Prozent der Tickets müssten sie verkaufen, um die Kosten für die nächste Passion zu decken und davon 20 Millionen Euro Gagen an die 2300 Mitwirkenden zu zahlen. Kinder bekommen circa 500 Euro, Jesus um die 30.000 für fast ein Jahr Proben. Stückl kriegt das höchste Honorar. Wieviel, das sagt er nicht.
"Und was drüber ist, dann fängt’s an für die Gemeinde auch ein wenig rentabel zu werden.

Oberammergau kennt jedes Kind. Der Nachbarort Unterammergau ist viel unbekannter - und auf der Suche nach einer eigenen Indentität. Sponsoren-Gelder dafür gibt es schon. Susanne Lettenbauer war vor Ort:
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