Aufstieg mit Neo Rauch

Von Elke Buhr · 23.12.2006
"Die Kunst hat die Massen ergriffen", sagt der Galerist Gerd Harry Lybke. Er profitiert davon, steht international für den neuen deutschen Malerei-Boom. Auf seinen Erfolgen ruht er sich nicht aus.
Ein schwarz abgehängter Raum, darin flimmert eine Videoprojektion: Die Galerie Eigen + Art zeigt einen Film des Leipziger Künstlers Mais Meyer, der in suggestiven Aufnahmen den rätselhaften Weg eines Mannes und einer Frau durch modernistische Betonbauten verfolgt. Eine Liebesgeschichte, kommentiert der Galerist Gerd Harry Lybke, und bittet in sein verglastes Büro im ersten Stock, von dem aus man einen schönen Blick auf die Höfe von Berlin-Mitte hat.

Die Leipziger Filiale von Lybkes Galerie Eigen + Art zeigt gerade den ostdeutschen Malerstar Neo Rauch. In einem Hinterhof hatte Lybke dort 1983 seine Galerie "Eigen und Art" gegründet, mit Leipziger Künstlern ist er nach der Wende auch im Westen bekannt geworden, und der Erfolg Neo Rauchs besiegelte den Aufstieg des Galeristen. Doch nur auf die Malerei der so genannten Leipziger Schule möchte Lybke sein Programm nicht reduziert sehen:

"Auf der documenta 10 zum Beispiel, da hatten wir fünf Künstler, keinen einzigen Maler, dabei, und da hieß es, dass als Galerie die sind, die konzeptuelle Kunst am meisten vertreten. Die Künstler sind alle immer noch dabei, und jetzt heißt es Malerei - die Maler waren damals auch schon da - und in vier, fünf Jahren heißt es dann Skulptur. Ich find das gut, wenn man immer wieder neu entdeckt wird. Aber im Prinzip ist es so, dass das alles parallel läuft."

Die documenta 10 ist allerdings neun Jahre her. Und zur Zeit steht Judy Lybke - wie er genannt wird - international eben für den neuen deutschen Malerei-Boom. Als in diesem Herbst die große Museumsretrospektive von Neo Rauch im Wolfsburger Kunstmuseum präsentiert wurde, stand Lybke im schicken Nadelstreifenanzug in vorderster Reihe und nahm warme Dankesworte des Museumsdirektors entgegen. So offen wird die Rolle von Galeristen im Museumsbetrieb selten zur Schau gestellt. Dass einer wie Lybke zum Star werden kann, liegt auch daran, dass Kunst insgesamt plötzlich populärer ist denn je:

"Das eigentlich Bedeutende aber ist, was jetzt mit dem Wiederentdecken der Malerei parallel gelaufen ist, ist, dass die Bildende Kunst, die contemporary art, einen extrem anderen Stellenwert in der Gesellschaft eingenommen hat. Bildende Kunst ist erstens mal für so viele Leute etwas geworden, was früher Rockkonzerte war, was früher Kinogehen war. Heutzutage gehen mehr Leute zu den Biennalen, zu documenten, zu den Ausstellungseröffnungen in die Galerie, als ins Kino. Die Kunst hat die Massen ergriffen - Beuys würde sich freuen."

Ob Beuys sich das wirklich so schick vorgestellt hatte mit der Kunst für alle, sei dahingestellt. Sicher ist: Für die 30- bis 40-Jährigen sind Kunstmessen heute Events geworden, von Berlin bis Miami. Immer neue Messen für zeitgenössische Kunst werden gegründet, und auf der Frieze in London gehen auch Claudia Schiffer und Kate Moss einkaufen. In Deutschland ist in der so genannte Erbengeneration eine breite Basis von jungen Sammlern nachgewachsen, für die Kunst Teil des Lifestyle ist. Im Gegensatz dazu hat die Kunst früher in einem Elfenbeinturm existiert, meint Lybke.

"Nur wenige haben sich überhaupt überlegt, sich was zu kaufen, und im Hochpreissegment waren es überhaupt nur 10, 15 Leute weltweit, die dann entschieden haben, das wird gekauft, oder das ist dann doch nicht mehr so interessant, und wir kaufen es nicht mehr, haben also auch die Entwicklung bestimmt. Das sind aber heute eben 3015."

: Durch die größere Nachfrage steigen die Preise für die ganz begehrten Stücke rasant: Gemälde von Lybkes erst 33-jährigem Schützling Matthias Weischer sind auf Auktionen in diesem Jahr bereits für mehrere hunderttausend Euro unter den Hammer gekommen. Gleichzeitig bekommen viel mehr Künstler als früher etwas vom Kuchen ab. Und weil der Boom so eine breite Basis hat, wird er so schnell nicht vorbei sein, meint Lybke:

"Es ist so, als ob man das Telefon erfunden hätte. Es ist eine Riesenentwickung in den letzten Jahren, dass so ein Riesenpotenzial an Leuten da ist, die sich identifizieren mit der Kunst, und so ein Riesenpotenzial an Leuten da ist, die dafür auch Geld ausgeben."

Und einer wie Lybke weiß auch, wie er dieses Potenzial richtig abschöpft. Auf seinen Erfolgen mit der Malerei ruht er sich nicht aus. Er wird sie natürlich weiterhin pflegen, denn Ölmalerei verkauft sich nun mal am Besten. Doch er hat auch einen neuen Trend:

"Für das nächste Jahr wird sich erstmal Skulptur weiterhin etablieren, was man ja auch auf den verschiedenen Messen schon gesehen hat, dass da viele Leute Skulptur gebracht haben, wir haben ja auch in Berlin einen reinen Skulpturstand gehabt. Und geprägt ist das nächste Jahr aber eigentlich von den Großereignissen, die ihre Schatten vorauswerfen, man muss jetzt schon planen, dass man immer überall ist, wo es ist. Und das geht eigentlich gar nicht."

Im Juni 2007 eröffnen kurz hintereinander die Biennale von Venedig, die documenta in Kassel, die Kunstmesse in Basel und die große Ausstellung Skulptur-Projekte in Münster, die nur alle zehn Jahre stattfindet. Und natürlich werden überall auch Künstler von Eigen + Art vertreten sein. Judy Lybke hat seine Flüge schon gebucht.