Aufpoliertes Dichterdomizil

Von Michal Hesse |
Der Dichter Christoph Martin Wieland gehörte einst zum Kreis der Weimarer Klassiker um Goethe, Herder, Schiller. In einem Thüringer Dorf erwarb er um 1800 ein eigenes Gut. Nun ist das Wielandgut in Oßmannstedt neu eröffnet worden. Einer der Geldgeber war der Wieland-Verehrer Jan Philipp Reemtsma.
Christoph Martin Wieland – Dichter, Übersetzer und Herausgeber – hatte 1797 einen Gutshof in Oßmannstedt erworben. Heute ist es bekannt unter dem Namen Wielandgut. Oßmannstedt, dieses kleine thüringische Dorf, liegt etwa 10 Kilometer von Weimar entfernt. Zwei Jahre wurde das Gebäude saniert, der Garten wieder hergerichtet. Heute nun ist das Wieland-Gut eröffnet worden. Michael Hesse ist dabei gewesen und hat Eindrücke eingefangen.

Seine Augen glänzen, wenn er leichten Schrittes über die Dielen des alten Gutshauses schlendert. Bei jedem Schritt gibt das Holz nach und knarrt unter der Körperlast. Vor der Wieland-Büste von Gottlieb Klauer - die wohl vorzüglichste im Ensemble der insgesamt drei - bleibt der Wieland-Forscher Jan Philipp Reemtsma stehen und erinnert sich:

" Ich selber bin schon in den siebziger Jahren in Oßmannstedt gewesen, weil ich mich schon während meines Studiums mit dem Werke Wielands beschäftigt hatte. Und ich bin dann wieder im Jahr 1998 hier gewesen, also zu einer Zeit, wo über Weimar das Geld niederging und überall alles erblühte. Und es war ein Wieland-Geburtstag hier, und der Kontrast war dramatischer nicht zu denken: der Putz blätterte ab, es standen in einem verregneten Innenhof ein paar Coca-Cola-Schirme herum - es war ein trauriger Anblick."

Für Jan Philipp Reemtsma stand fest, da muss sich etwas ändern. Gemeinsam mit Dieter Höhnl vom Freundeskreis Goethenationalmuseum wurden handfeste Pläne für die Sanierung des Gutes geschmiedet.

" Und zwar hatten wir eine zweifache Zielsetzung: einmal Wieland eine Heimatstadt zu geben. Und die zweite Zielsetzung, die wir verfolgt haben: Wieland wieder in die Köpfe der heutigen Menschen zurückzuführen, denn er ist ein zu unrecht vergessener Dichter, Übersetzer und Herausgeber. "

Mit großem finanziellen Aufwand wurde das Wielandgut wieder hergerichtet. Über 700.000 Euro steuerte die Hamburger Stiftung von Jan Philipp Reemtsma bei. 200.000 kamen vom Freundeskreis Goethenationalmuseum. Bund und Europäische Union ergänzten auf insgesamt 1,8 Millionen Euro. Durch die Förderer, so der Präsident der Stiftung Weimarer Klassik Hellmut Seemann, sei ein Stein ins Wasser geworfen worden, der Kreise gezogen habe. Die Stiftung - die unter chronischem Geldmangel leidet - hätte dem Gut in Oßmannstedt niemals eine Zukunft geben können. Durch bürgerliches Engagement ist es aber gelungen, das Wielandgut zu einer guten Adresse der deutschen Literatur aufzubauen. Verbunden damit der Name von Jan Philipp Reemtsma:

" Das ist ein wichtiger Moment. Ich habe mit vielen anderen zusammen lange daran gearbeitet. Die Sache ist fertig, es ist schön geworden, das freut. Dann ist es so, dass das erste Mal in Weimar ein Museum ist, das einzig und allein Wieland gewidmet ist – das ist ein literaturgeschichtliches Datum."

Die Bedeutung Wielands für Weimar ist nicht zu unterschätzen. Wieland war es, der als Professor der Universität Erfurt an den Hof von Herzogin Anna Amalia berufen wurde, um die Prinzen in Philosophie und anderen Fächern zu unterrichten. Einmal angekommen, wollte Wieland für Weimar etwas schaffen, was es noch nicht gab: die deutsche Oper. Mit "Alceste" wurde dann 1773 die erste deutsche Oper aufgeführt. Wieland verfasste das Libretto. Der Dichter war es auch, der wenig später die erste Kulturzeitschrift, "Der Teutsche Merkur", herausbrachte.

" Durch diese beiden Aktivitäten geriet Weimar in den Blick der kulturellen Öffentlichkeit. Auch durch Wielands Präsenz hier. Und als Goethe hierher kam, da kam er zu Carl August, aber auch an einen Ort, wo der Ältere, Wieland, schon war. Und dann holten Wieland und Goethe Herder hierher, machten kulturelle Personalpolitik. Und dann wurde es irgendwann ein Ort, wo die jungen Autoren hinwollten. "

In der deutschen Literatur war Wieland lange Zeit völlig untergetaucht. Das Museum in Oßmannstedt will zu seiner Renaissance beitragen. Beim Rundgang durch die einstigen Wohn- und Arbeitszimmer des Dichters erfährt man facettenreich Details aus seinem Leben und Werk. Bilder und Möbel – nicht immer original – ergänzen, was der Weimarer Bauhaus-Professor Jens Geelhaar auf digitale Museumsführer an Information verpackt hat. Die kleinen Computer – PDA genannt – sind die ersten Systeme dieser Art in Europa.

" Dieser Raum war Wielands Arbeitszimmer. Hier befanden sich sein Schreibtisch und seine Bibliothek. Den genauen Umfang von Wielands Oßmannstedter Bibliothek kennen wir nicht. Das Verzeichnis der Bibliothek, die nach seinem Tod versteigert wurde, umfasst 3854 Bücher und Zeitschriften."

Prof. Geelhaar erklärt das System: " Das ist ein ortsbasiertes PDA-Informationssystem. Das heißt, wir laufen mit dem PDA durch Räume, die eigentlich nicht zusätzlichen Informationen versehen sind, sondern, je nach dem, wo wir uns befinden, bekommen wir auf der PDA-Oberfläche entsprechende Informationen automatisch angezeigt. Das funktioniert textlich, über Bild, aber auch über Audio-Kommentare."

Das Wielandgut in Oßmannstedt soll innerhalb der Stiftung Weimarer Klassik auch in Sachen Bildung eine Vorreiterrolle einnehmen. Künftig sollen Angebote an Schüler und Studenten vermittelt werden. Vor dem Hintergrund struktureller Reformen bei der Stiftung sei das Wielandgut ein Modellfall, so Präsident Hellmut Seemann:

" Hier könnte es glaubwürdig und sichtbar gelingen, die zeitgenössische Forschung mit der lebendigen, bildenden Vermittlung und der Vergegenwärtigung dessen, was wir als Realien des kulturellen Erbes verwalten, miteinander zu verknüpfen. Das ist die Aufgabe unserer Stiftung, das kann hier gelingen."

Beim Schlendern durch den neuangelegten Park, am Rosengarten vorbei, kommt Jan Philipp Reemtsma ins Schwärmen. Das Wielandgut als Bildungsstätte, um sich dem kulturellen Erbe Deutschlands, gar Europas, anzunähern - genau das sei seine Vision.

" Dass Oberstufenklassen bis Graduiertenkollegs sich hier treffen, Seminare abhalten, Konferenzen abhalten. Ich glaube, das ist ein sehr attraktiver Ort für Tagungen sehr unterschiedlicher Art und Weise. Das muss sich nicht immer alles um Wieland, ums 18. Jahrhundert und die Literatur drehen.

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Wielandgut