Aufmüpfige Frauen
Kinder, Küche und Kirche: Elizabeth Bowens Kurzgeschichten erzählen von Frauen, die gegen gutbürgerliche Rollenzuschreibungen aufbegehren. Doch es ist kein lautstarker, offener Protest. Unauffällig und raffiniert agieren Bowens weibliche Figuren, um sich Selbstbestimmung und Freiheit zu erkämpfen.
Was die Romane und Erzählungen von Elizabeth Bowen von jeher auszeichnet, ist die Abwesenheit von Klischees. Ihre Figuren sind zwar immer recht typische Vertreter ihrer sozialen Schicht und ihres kulturellen Milieus - aber sie sind stets auch unverwechselbare Gestalten, mit höchst individuellen Schrullen und mit Eigenheiten, die dem äußeren Rahmen, in den sie gestellt sind, nicht ganz entsprechen. In diesem Spannungsfeld - zwischen dem fast geheimen inneren Leben ihrer Figuren und dem Sichtbaren, dem Konventionellen - entwickelt sich Bowens subtile Erzählkunst.
Die irische Schriftstellerin, die von 1899 bis 1973 lebte, hat siebenundzwanzig Bücher hinterlassen, darunter eine ebenso interessante wie diskrete Autobiografie. Diskretion und eine große emotionale Selbstbeherrschung sind Eigenschaften, die ihr von vielen nachgesagt wurden und die auch in den Erzählungen des vorliegenden Band eine wichtige Rolle spielen.
Im Mittelpunkt dieser Geschichten stehen fast immer Frauen. Sie haben, wie es der Zeit und der gutbürgerlichen Gesellschaftsschicht entsprach, keinen Beruf, sondern gehen völlig in der Funktion auf, Mütter, Ehefrauen, Schwestern, Töchter zu sein. Was ihnen nicht immer liegt. Es gibt in ihrem Verhältnis zu den Umständen, in denen sie leben, feine Haarrisse oder Sollbruchstellen, die Elizabeth Bowen mit viel Takt und Raffinement bloßlegt - und manchmal, aber nicht immer, wirklich aufbrechen lässt.
So geschieht es beispielsweise in der Eingangserzählung "Das neue Haus", in dem eine ziemlich unterdrückte brave Schwester sich aus dem gemeinsamen Haushalt verabschiedet. Sie tut das zwar auf sehr konventionelle Weise - indem sie sich verlobt -, aber Bowen lässt keinen Zweifel daran, dass es sich um einen Akt der Befreiung handelt. Diese Art der weiblichen Aufmüpfigkeit, so unauffällig sie manchmal sein mag, ist eins der Kriterien, nach denen die Herausgeberinnen diesen Band zusammengestellt haben.
Eine Personifizierung dieser Aufmüpfigkeit ist auch Mrs. Windermere, die in der gleichnamigen Erzählung hauptsächlich damit beschäftigt ist, junge Ehefrauen zu verunsichern und sie - je nach Perspektive - zur Eigenständigkeit zu motivieren oder zum Ehebruch aufzuhetzen. Diese bemerkenswerte Dame führt zu diesem Zweck Reden von wahnsinniger Komik und gleichzeitig ätzender Wahrhaftigkeit.
Das machen auch viele andere Figuren in diesem Buch, wobei ihre Aufrichtigkeit natürlich immer durch die eigene Perspektive beschränkt und ihre Giftigkeit ziemlich ressentimentgeladen ist.
Elizabeth Bowen war eine gnadenlose Beobachterin und eine begnadete Erzählerin, das beweist auch dieses Buch wieder aufs Neue. Man kann dem Schöffling Verlag nur dankbar sein, dass er uns das Werk dieser Autorin nach und nach auf Deutsch und in einer sehr schönen Übersetzung zugänglich macht.
Rezensiert von Katharina Döbler
Elizabeth Bowen: Sommernacht
Aus dem Englischen von Sigrid Ruschmeier
Herausgegeben von Elsemarie Maletzke und Sigrid Ruschmeier
Verlag Schöffling & Co, Frankfurt/Main 2007
256 Seiten, 19,90 Euro
Die irische Schriftstellerin, die von 1899 bis 1973 lebte, hat siebenundzwanzig Bücher hinterlassen, darunter eine ebenso interessante wie diskrete Autobiografie. Diskretion und eine große emotionale Selbstbeherrschung sind Eigenschaften, die ihr von vielen nachgesagt wurden und die auch in den Erzählungen des vorliegenden Band eine wichtige Rolle spielen.
Im Mittelpunkt dieser Geschichten stehen fast immer Frauen. Sie haben, wie es der Zeit und der gutbürgerlichen Gesellschaftsschicht entsprach, keinen Beruf, sondern gehen völlig in der Funktion auf, Mütter, Ehefrauen, Schwestern, Töchter zu sein. Was ihnen nicht immer liegt. Es gibt in ihrem Verhältnis zu den Umständen, in denen sie leben, feine Haarrisse oder Sollbruchstellen, die Elizabeth Bowen mit viel Takt und Raffinement bloßlegt - und manchmal, aber nicht immer, wirklich aufbrechen lässt.
So geschieht es beispielsweise in der Eingangserzählung "Das neue Haus", in dem eine ziemlich unterdrückte brave Schwester sich aus dem gemeinsamen Haushalt verabschiedet. Sie tut das zwar auf sehr konventionelle Weise - indem sie sich verlobt -, aber Bowen lässt keinen Zweifel daran, dass es sich um einen Akt der Befreiung handelt. Diese Art der weiblichen Aufmüpfigkeit, so unauffällig sie manchmal sein mag, ist eins der Kriterien, nach denen die Herausgeberinnen diesen Band zusammengestellt haben.
Eine Personifizierung dieser Aufmüpfigkeit ist auch Mrs. Windermere, die in der gleichnamigen Erzählung hauptsächlich damit beschäftigt ist, junge Ehefrauen zu verunsichern und sie - je nach Perspektive - zur Eigenständigkeit zu motivieren oder zum Ehebruch aufzuhetzen. Diese bemerkenswerte Dame führt zu diesem Zweck Reden von wahnsinniger Komik und gleichzeitig ätzender Wahrhaftigkeit.
Das machen auch viele andere Figuren in diesem Buch, wobei ihre Aufrichtigkeit natürlich immer durch die eigene Perspektive beschränkt und ihre Giftigkeit ziemlich ressentimentgeladen ist.
Elizabeth Bowen war eine gnadenlose Beobachterin und eine begnadete Erzählerin, das beweist auch dieses Buch wieder aufs Neue. Man kann dem Schöffling Verlag nur dankbar sein, dass er uns das Werk dieser Autorin nach und nach auf Deutsch und in einer sehr schönen Übersetzung zugänglich macht.
Rezensiert von Katharina Döbler
Elizabeth Bowen: Sommernacht
Aus dem Englischen von Sigrid Ruschmeier
Herausgegeben von Elsemarie Maletzke und Sigrid Ruschmeier
Verlag Schöffling & Co, Frankfurt/Main 2007
256 Seiten, 19,90 Euro