Aufklärungskino in der Sahelzone

"Aufklärung muss Spaß machen", so lautet das Motto von Martine de Souza. Deswegen fährt die ehemalige Tourismus-Managerin aus Benin mit ihrem Kinomobil über die Dörfer in den Sahelstaaten Mali, Niger und Burkina Faso. Dort zeigt sie Aufklärungsfilme über Aidsprävention, Gesundheitsvorsorge, Beschneidungen und Kinderhandel. Carsten Beyer hat die ungewöhnliche Filmvorführerin bei ihrer Arbeit begleitet.
Wie eine schneidige Geschäftsfrau sieht Martine de Souza eigentlich nicht aus: Kurze Hose, ein fleckiges T-Shirt und Wanderstiefel – nach mehreren Wochen auf den staubigen Pisten der Sahel-Zone hat die weibliche Eleganz der CNA-Chefin ein wenig gelitten.

CNA, das steht für Cinéma Numerique Ambulant – eine Art mobiles Kino in der Wüste – und das ist keineswegs so frivol, wie es sich anhört, im Gegenteil: In einem Land ohne moderne Kommunikationsmittel ist das Kino die effektivste Art der Aufklärung vor Ort.

"Meine Botschaften sind vor allem für die armen und die ländlichen Gegenden gedacht. Wer in den Städten lebt, der hat Glück, der hat zu allem Zugang. Aber auf dem Land, da gibt es kein Fernsehen, da gibt es noch nicht mal Elektrizität. Deswegen kommen wir zu ihnen – mit Filmen, von denen die Leute etwas lernen können."

Vor vier Jahren hatte Martine de Souza die Nase voll: Die einstige Spitzenmanagerin wollte einfach nicht mehr länger mit dem Cocktailglas in der Hand auf Empfängen herum stehen: Die 45-Jährige suchte nach einem praktischen Job, einer Arbeit, bei der sie auch wirklich das Gefühl hat, den Menschen in ihrer Heimat zu helfen: Deswegen hat sie damals –gemeinsam mit ein paar Gleichgesinnten – die CNA gegründet: 1 Million Dollar Anschubfinanzierung gab es von der EU, damit wurden vier Kinomobile angeschafft, komplett mit modernster Technik.

Martines eigenes Team ist an diesem Tag in Baskuy, einem Armenviertel am Westrand von Ouaagadougou, der Hauptstadt von Burkina Faso. Verarmte Bauern leben hier und zurückgekehrte Wanderarbeiter aus den Nachbarländern Ghana und Elfenbeinküste; in Elendsquartieren ohne Wasser, ohne Strom und ohne viel Hoffnung auf eine bessere Zukunft.

Schon bei der Ankunft auf dem Dorfplatz in Baskuy wird Martine von Kindern umringt- die Nachricht vom Eintreffen des Kinomobils verbreitet sich hier wie ein Lauffeuer. Freizeitvergnügungen sind rar in dieser Gegend, die meisten der Kinder waren noch nie in einem Kino, weil sie sich den Eintritt von 500 Westafrikanischen Francs, umgerechnet etwa 80 Cent, gar nicht leisten könnten.

Während Jerome und Louis, ihre beiden Helfer, die Leinwand aufbauen, betätigt Martine sich schon einmal als Animateur – und als DJ. Die dreifache Mutter versteht es, die Kinder bei Laune zu halten und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass auch möglichst viele der älteren Dorfbewohner an diesem Abend dabei sind.

"Ich rufe mal, um zu sehen, ob ihr schon alle da seid. Na, ihr seid ja toll! Dann können wir ja anfangen!"

Der Kampf gegen AIDS und andere Infektionskrankheiten steht ganz oben auf ihrer Agenda. Außerdem zeigt Martine de Souza Filme gegen die Beschneidung von Frauen und den in Westafrika immer noch verbreiteten Kinderhandel. Unterstützt wird sie dabei von den staatlichen Gesundheitsbehörden und von einigen NGOs, die erkannt haben, dass sie ihre Botschaften auf diese Weise am besten unter die Leute bringen können: in kleinen, lustigen Filmchen wie dem von Moussa, dem Taxifahrer, der bei seinen amourösen Abenteuern partout nicht die capote, das Kondom, benutzen will.

"Das waren also die Abenteuer von Moussa und ihr habt gemerkt: Man muss aufpassen, denn Aids existiert. Also immer das Präservativ mitnehmen. Habt ihr verstanden? Immer schön dran denken. Jetzt zeigen wir euch noch einen langen Film, der heißt Gito, der Undankbare."

Jeder einzelne Film wird anschließend von den Zuschauern erregt diskutiert – das ist ganz im Sinne von Martine, die schon die Allerjüngsten für das Thema Aids sensibilisieren will.

"Sicher, einige sagen, das ist doch alles Quatsch, aber bei sehr vielen kommt unsere Botschaft an und zwar rechtzeitig, bevor es zu spät ist. Wir wollen in Zukunft auch immer Kondome mitnehmen, wenn wir ein Dorf besuchen, denn wir bekommen immer wieder zu hören: Jetzt habt ihr soviel davon gesprochen, jetzt wollen wir auch sehen, wie man so ein Kondom benutzt. Also wir arbeiten dran, wir sprechen mit verschiedenen Leuten, dass wir da noch besser werden."

Auf den europäischen Betrachter wirkt die pädagogische Aufmachung der meisten Filme etwas penetrant, doch die Menschen in Baskuy an diesem Abend sind begeistert. Selbst die älteren Dorfbewohner, die sich anfangs noch etwas skeptisch im Hintergrund gehalten hatten, rücken immer näher an die Leinwand heran und für die Jüngeren gibt es ohnehin kein Halten.

"Wir sind sehr glücklich, dass wir diese Filme hier sehen können", sagt dieser Junge. "Im Kino, da musst du viel Geld bezahlen, aber hier ist alles gratis", und sein Freund ergänzt:

"Das kann nicht jeder, einfach umsonst einen Film angucken. Dafür wollen wir uns bedanken. Wir hoffen natürlich, dass Martine bald wiederkommen wird mit neuen Filmen, dann sind wir auf jeden Fall wieder dabei."

Während Martine sich noch von den Besuchern in Baskuy verabschiedet, ist ihr Team schon wieder am Abbauen: Noch am selben Abend wollen sie weiterfahren in Richtung Mali, wo der nächste Termin auf sie wartet. Nur vier solcher mobilen Projektionsteams hat CNA derzeit, das bedeutet sehr viel Fahrerei, damit alle Gegenden einigermaßen abgedeckt sind. Manchmal vergehen mehrere Wochen, bis Martine de Souza ihr Haus und ihre Familie wieder zu Gesicht bekommt. Und trotzdem: Sie würde mit keinem Manager dieser Welt tauschen:

"Klar, manchmal ist es traurig, wenn wir ein Dorf verlassen. Wir sind traurig, die Leute sind traurig und die Kinder fragen uns, wann wir wieder kommen. Aber das ist auch das Schöne: Wenn wir einen neuen Termin ausmachen, den merken sich die Kinder Monate im Voraus. Wenn wir dann wieder zurückkommen, dann stehen sie schon am Dorfeingang und begrüßen uns mit Sprechchören. Das ist einfach fantastisch!"