Aufklärungsarbeit notwendig

Eric Leiderer im Gespräch mit Nana Brink · 18.05.2010
Angesichts von ungesicherten Arbeitverhältnissen seien junge Beschäftigte nicht in der Lage, an die Rente zu denken, sagte IG-Metall-Bundesjugendsekretär Eric Leiderer. Dass es zum "großen Knall" bei der Altersicherung kommen könne, sei für viele nicht greifbar, erklärte er aus Anlass einer von der IG Metall beauftragten Jugendstudie.
Nana Brink: Haben Sie mal Ihre 16-jährige Tochter gefragt, ob sie sich schon mal Gedanken über ihre Rente gemacht hat? – Nicht? – Damit liegt sie absolut im Trend. Das ist wirklich meine allerletzte Sorge, so die gängige Antwort. Der Grund: Die heutigen Jugendlichen sind überfordert von Rentenreform und Alterssicherung, so das Ergebnis einer Studie "Jugend, Vorsorge, Finanzen – Herausforderung oder Überforderung", die der Jugendforscher Klaus Hurrelmann herausgegeben hat, im Auftrag der IG Metall. Dabei haben 61 Prozent aller jungen Menschen Angst davor, im Alter arm zu sein. Und warum tun sie dann nichts dagegen? – Und genau darüber möchte ich jetzt sprechen mit Eric Leiderer. Er ist Bundesjugendsekretär bei der IG Metall. Einen schönen guten Morgen, Herr Leiderer.

Eric Leiderer: Ja, schönen guten Morgen, Frau Brink.

Brink: Wie haben Sie denn für Ihr Alter vorgesorgt?

Leiderer: Ich persönlich habe drei Komponenten. Ich habe einmal über unser Versorgungswerk der Metallrente sozusagen eine Metall-Direktversicherung, ich bin für Berufsunfähigkeit abgesichert und wir haben bei der IG Metall auch eine betriebliche Altersversorgung.

Brink: Damit sind Sie ja weit vorne dran, besser als die meisten Jugendlichen. Wenn wir jetzt diese Studie nehmen: Warum sorgen sich so wenig junge Menschen um ihre Alterssicherung?

Leiderer: Ob die sich zu wenig sorgen, das würde ich ein bisschen anders einschätzen. Also die Studie hat ergeben, dass viele sich darum noch nicht kümmern und vor allem noch nicht irgendwie bereit sind, dort etwas zu investieren. Es ist ein großer Punkt, dass junge Menschen heute nach ihrer Ausbildung in prekäre Beschäftigungsverhältnisse wandern und dadurch auch eine sehr schwer planbare Zeit vor sich haben. Das heißt, sie sind in Leiharbeit geparkt, es sind einige, die in befristeten Beschäftigungsverhältnissen aktiv sind, und die kommen natürlich relativ schwer in einen überschaubaren Rahmen, was passiert in den nächsten paar Jahren, und den Gedanken jetzt schon an die Rente zu geben, ist für die eine sehr unsichere Situation.

Brink: Also praktisch die typische Situation der Generation Praktikum?

Leiderer: So würde ich das mal definieren. Wir geben den jungen Menschen viel zu wenig Möglichkeiten, um sich zu entfalten, sich eine Zukunft jetzt von Grund auf aufzubauen und dann damit natürlich auch sich für die Rente oder für die spätere Zeit abzusichern.

Brink: Die Studie heißt "Jugend, Vorsorge, Finanzen – Herausforderung oder Überforderung", und diese Studie zeigt auch, dass die meisten Jugendlichen dann auf die Rolle des Staates setzen nach dem Motto, ja, der wird dann schon für mich sorgen. Ist das überhaupt noch angebracht?

Leiderer: Na ja, angebracht? Was da sicher herausgekommen ist, dass es ein hohes Vertrauen nach wie vor in den Staat gibt und eine ganz klare Bekenntnis zum Sozialstaat. Viele junge Menschen haben das ja gar nicht erst erlebt. Auch die Elterngenerationen waren immer darauf vorbereitet, dass der Staat für sie im Alter sorgt. So und jetzt kommt die erste Lawine der jungen Generation, die in diese Zeitphase hineinrutschen wird, wo der große Knall kommt, und das ist noch nie erlebt worden. Das heißt, es gibt da noch keine Erfahrungen. Das ist für viele nicht greifbar und sehr weit weg.

Brink: Ja trotzdem - aber Sie sagen, es ist ja passiert, die Lawine ist im Rollen, die jungen Leute wissen das, sie wachsen auf im Bewusstsein dieser Krise. Gibt es da nicht auch eine Pflicht zur Flexibilität? Muss man sie deshalb bedauern?

Leiderer: Na gut, die Studie hat ja auch gezeigt, dass die junge Generation sehr flexibel und auch sehr leistungsorientiert ist. Also diese Voraussetzungen sind ja gegeben. Nur was halt da von den jungen Menschen abverlangt wird – es gibt halt auch eine hohe Erwartung an den Staat. Junge Menschen werden sich darauf vorbereiten, junge Menschen werden, je nachdem wie stark die Aufklärungsphase von der gesellschaftlichen Ebene läuft, was das bedeutet, muss hier halt auch der Staat wieder stärker in die Pflicht genommen werden.

Brink: Setzen da nicht zu viele Jugendliche auch auf das Modell Betriebsrente, was ja ein Auslaufmodell ist?

Leiderer: Ja. Betriebsrente, Auslaufmodell – eigentlich ist das ein Zukunftsmodell. Wir haben ja das Problem, dass wir in den Bereichen, wo wir als Metall stark drin sind, versuchen, solche Modelle zu implantieren. Wir haben das überwiegende Phänomen, dass das nur in Großbetrieben stattfindet, überwiegend im Westen und überwiegend Männer betrifft. Dieses Modell müsste stärker genutzt werden. Es gibt ja Beispiele auch aus den USA, wo diese Modelle angeboten werden müssen von Arbeitgeberseite und der Staat sozusagen den Rahmen dazu schafft. Das wäre auch ein Modell, das bei uns durchaus greifbar wäre.

Brink: Müsste, könnte, wollte - das sind ja alles Sachen, die sich in der Fantasie abspielen. Die Realität ist eine andere. Die Realität ist auch, wie diese Studie zeigt, dass die Jugendlichen sich dafür nicht interessieren. Wie kann man denn dann gesellschaftlich diesem Desinteresse entgegensteuern?

Leiderer: Damit man der jungen Generation auch wieder eine Chance und Hoffnung gibt in dem Land. Das ist ja derzeit wirklich in einer prekären Situation hineinzuwachsen.

Brink: Das ist aber sehr allgemein. Wie kann man das konkret machen?

Leiderer: Mit Aufklärungskampagnen. Also wir haben konkret: Da wo wir auf unsere Mitglieder zugehen können, in den Betrieben, diskutieren wir das Thema, thematisieren das. Die IG Metall startet jetzt gerade eine Kampagne für die junge Generation, gemeinsam für ein gutes Leben. Da ist das ein ganz wichtiger Aspekt, dass diese Themen in die Belegschaften reingetragen werden und wir denen auch Angebote machen. Die IG Metall hat ja vor rund zehn Jahren das Versorgungswerk der Metallrente gegründet und wir haben aus gewerkschaftlicher Sicht einige Tarifverträge, die diese Entgeltumwandlungen ermöglichen. Das heißt, dass man hier relativ frühzeitig in Vorsorge treten kann.

Brink: Das ist die eine Sache, was die Gewerkschaft tun kann. Aber liegt das Desinteresse nicht auch an Defiziten am schulischen System, dass die Schule zu wenig Aufklärung eigentlich über die Fiktionsweise von Wirtschaft, Finanzen und Rente gibt?

Leiderer: Ja, das würde ich so voll unterstreichen. Da gibt es wenig Einblicke. Junge Menschen werden erst in ihrem Berufsleben mit der Finanzsituation konfrontiert und da ist ein deutliches Defizit bei uns im Schulsystem, ja.

Brink: Eric Leiderer, Jugendsekretär bei der IG Metall, und wir sprachen über die mangelnde Vorsorge junger Menschen für ihre Rente. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Leiderer.

Leiderer: Danke schön.
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