Aufklärung durch Halbwahrheiten?
Über den Islam und islamische Sitten und Gebräuche gibt es hierzulande viele Missverständnisse. Der Journalist Alfred Hackensberger will mit dem „Lexikon der Islam-Irrtümer“ aufklären über all das, was wir zu wissen glauben, ohne es tatsächlich zu wissen. Allerdings produziert er durch plumpe Binsenweisheiten neue Missverständnisse.
Seit dem 11. September 2001 hat das Interesse am Islam stetig zugenommen. Nicht aber unbedingt das Wissen über die Differenzen zwischen Alltagskultur und Religion der Muslime. Gleich, ob es um Heilige Krieger, Ehrenmorde oder Moscheenbau geht – die meisten von uns haben eine Meinung dazu, doch nicht immer ein Hintergrundwissen. Der Frankfurter Eichborn-Verlag hat ein Buch herausgebracht, das mit Vorurteilen, Halbwahrheiten und Missverständnissen aufräumen will: Das „Lexikon der Islam-Irrtümer.“ Autor ist der umtriebige Münchner Journalist und Kriegsberichterstatter Alfred Hackensberger.
Grün, wie die Farbe des Propheten, ist der Einband, grün ist die Schrift, groß der Anspruch seines Buches. Aufgrund „ethnozentrischer Denkgewohnheiten“ entstünden „perspektivische Verzerrungen“ beim Blick auf den Islam, stellt der Autor im Vorwort fest. Sein Lexikon will Beitrag zur Klärung solcher Verzerrungen sein, „mit einem offenen Blick auf Religion, Menschen und Kultur in islamischen Ländern.“
Überproportional viel erfährt der Leser allerdings über die Verhältnisse in Marokko – dem Land, in dem der Autor lebt, etliche Details auch aus dem Libanon, wo Hackensberger ebenfalls einige Jahre verbracht hat. Was er ansonsten über „die islamische Welt“ zu erzählen hat, wirkt angelesen, flott recherchiert, leicht konsumierbar und mitunter etwas einseitig.
Beliebigen Stichwörtern wie „Alkohol“, „Bilder“, „Koran“, „Palästina“ oder „Frauen“ ist jeweils ein „Vorurteil“ zugeordnet – beispielsweise: „Die muslimische Frau ist ein unterdrücktes Wesen“. Der jeweils folgende Artikel bietet inhaltlich nichts anderes als einer ohne solchen Aufhänger. Nur durch dieses Strickmuster, den Titel und den munteren Plauderton des Autors unterscheidet sich das Lexikon der „Islam-Irrtümer“ von einem klassischen Islam-Lexikon. Die Themenfelder sind dieselben.
In seiner Substanz ist das Hackensbergersche Lexikon kein origineller Wurf. Mal zitiert der Autor Dialoge mit Studenten, Taxifahrern oder Hisbollah-Mitgliedern. Dann wiederum Statistiken, den Koran, historische oder belletristische Literatur. Über siebzig Stichwörter hat er versammelt, die Zahl der einzelnen Artikel ist jedoch geringer. Unter „Erotik“ beispielsweise findet sich allein der erhellende Verweis auf „Sexualität“.
Wer es sich einfach machen will mit „Religion, Menschen und Kultur in islamischen Ländern“, der möge dieses „Lexikon der Islam-Irrtümer“ lesen. Recht schnell ist ein Überblick zu gewinnen, serviert im gutmütigen Ton eines „Kenners“, der unbedarften Lesern die Angst nimmt, sich überhaupt einmal mit dem Islam zu beschäftigen.
Unempfindlich muss man jedoch sein gegen Binsenweisheiten, die einem dabei mitgeliefert werden: „Über die Jahrhunderte ist es in einigen muslimischen Ländern nicht immer friedlich gegenüber jüdischen Gemeinden zugegangen“, oder auch „Der Islam und moderne Technik stehen sich nicht im Wege.“
Der Impetus des Autors, „Missverständnisse“ zu beseitigen, führt mitunter dazu, dass er einfach neue installiert. Kopftuch und Schleier seien eben nicht Zeichen der Unterdrückung, sondern Ausdruck einer neuen islamischen Populärkultur. Nun wissen wir's endlich!
Rezensiert von Carsten Hueck
Alfred Hackensberger: Lexikon der Islam-Irrtümer. Vorurteile, Halbwahrheiten und Missverständnisse von Al-Qaida bis Zeitehe
Eichborn Verlag, Frankfurt 2008
273 Seiten, 20 EUR
Grün, wie die Farbe des Propheten, ist der Einband, grün ist die Schrift, groß der Anspruch seines Buches. Aufgrund „ethnozentrischer Denkgewohnheiten“ entstünden „perspektivische Verzerrungen“ beim Blick auf den Islam, stellt der Autor im Vorwort fest. Sein Lexikon will Beitrag zur Klärung solcher Verzerrungen sein, „mit einem offenen Blick auf Religion, Menschen und Kultur in islamischen Ländern.“
Überproportional viel erfährt der Leser allerdings über die Verhältnisse in Marokko – dem Land, in dem der Autor lebt, etliche Details auch aus dem Libanon, wo Hackensberger ebenfalls einige Jahre verbracht hat. Was er ansonsten über „die islamische Welt“ zu erzählen hat, wirkt angelesen, flott recherchiert, leicht konsumierbar und mitunter etwas einseitig.
Beliebigen Stichwörtern wie „Alkohol“, „Bilder“, „Koran“, „Palästina“ oder „Frauen“ ist jeweils ein „Vorurteil“ zugeordnet – beispielsweise: „Die muslimische Frau ist ein unterdrücktes Wesen“. Der jeweils folgende Artikel bietet inhaltlich nichts anderes als einer ohne solchen Aufhänger. Nur durch dieses Strickmuster, den Titel und den munteren Plauderton des Autors unterscheidet sich das Lexikon der „Islam-Irrtümer“ von einem klassischen Islam-Lexikon. Die Themenfelder sind dieselben.
In seiner Substanz ist das Hackensbergersche Lexikon kein origineller Wurf. Mal zitiert der Autor Dialoge mit Studenten, Taxifahrern oder Hisbollah-Mitgliedern. Dann wiederum Statistiken, den Koran, historische oder belletristische Literatur. Über siebzig Stichwörter hat er versammelt, die Zahl der einzelnen Artikel ist jedoch geringer. Unter „Erotik“ beispielsweise findet sich allein der erhellende Verweis auf „Sexualität“.
Wer es sich einfach machen will mit „Religion, Menschen und Kultur in islamischen Ländern“, der möge dieses „Lexikon der Islam-Irrtümer“ lesen. Recht schnell ist ein Überblick zu gewinnen, serviert im gutmütigen Ton eines „Kenners“, der unbedarften Lesern die Angst nimmt, sich überhaupt einmal mit dem Islam zu beschäftigen.
Unempfindlich muss man jedoch sein gegen Binsenweisheiten, die einem dabei mitgeliefert werden: „Über die Jahrhunderte ist es in einigen muslimischen Ländern nicht immer friedlich gegenüber jüdischen Gemeinden zugegangen“, oder auch „Der Islam und moderne Technik stehen sich nicht im Wege.“
Der Impetus des Autors, „Missverständnisse“ zu beseitigen, führt mitunter dazu, dass er einfach neue installiert. Kopftuch und Schleier seien eben nicht Zeichen der Unterdrückung, sondern Ausdruck einer neuen islamischen Populärkultur. Nun wissen wir's endlich!
Rezensiert von Carsten Hueck
Alfred Hackensberger: Lexikon der Islam-Irrtümer. Vorurteile, Halbwahrheiten und Missverständnisse von Al-Qaida bis Zeitehe
Eichborn Verlag, Frankfurt 2008
273 Seiten, 20 EUR