Auf und Ab der österreichischen Geschichte

Der Untergang der österreichisch-ungarischen Monarchie hat das literarische Schaffen von Joseph Roth geprägt. In seinem 1938 im Pariser Exil entstandenen Roman "Die Kapuzinergruft" spielt die Begräbnisstätte der Habsburger eine entscheidende Rolle. Das Werk ist nun als Hörspiel erschienen.
"Ich war damals jung und töricht und lebte, wie man so sagt: in den Tag hinein."
Die Geschichte Franz Ferdinand Trottas, die zugleich die Geschichte der Grablegung der alten Donaumonarchie ist, setzt im Frühjahr 1913 ein. Sie erstreckt sich über die Zeit des Ersten Weltkriegs und endet 1938 mit dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich. Für das wechselvollen Auf und Ab der Geschichte, das Joseph Roths Roman "Die Kapuzinergruft" zugrunde liegt, findet der Erzähler Michael Rotschopf die gemäße Tonlage. Das Geschehen fließt unaufgeregt wie die Donau dahin. Nur gelegentlich auftretende Strudel – die Rotschopf hervorzuheben weiß – erinnern daran, dass die Ruhe trügerisch ist.
"Der Bruder meines Großvaters war jener einfache Infanterieleutnant, der dem Kaiser Franz Joseph in der Schlacht bei Solferino das Leben gerettet hat. Der Leutnant wurde geadelt. Eine lange Zeit hieß er in der Armee und in den Lesebüchern der k. und k. Monarchie, 'der Held von Solferino', bis sich seinem eigenen Wunsch gemäß, der Schatten der Vergessenheit über ihn senkte."
Trotta, der vom Ruhm seiner Vorfahren zehrt, verschläft die Zeit. Als er aufwacht, tobt in Europa der Erste Weltkrieg.
"Der Tod kreuzte seine knöchernen Hände nicht nur über den Bechern, aus denen wir tranken, sondern auch über den nächtlichen Betten, in denen wir mit Frauen schliefen."
Auf den Schlachtfeldern des Krieges macht der Tod reichlich Beute – Trotta aber hat Glück und entkommt ihm. Er wird zurück ins Leben geschickt. Aber als er dort ankommt, muss er feststellen, dass das Leben an ihm vorbeifließt. Haltlos treibt der Leutnant der Reserve dahin und kühl wird er von seiner Frau Elisabeth empfangen. Keine Umarmung, nicht einmal einen Handkuss gestattet sie ihm.
"Servus. Lass dich anschaun."
Auch die Gespräche mit seiner Mutter verlaufen nach einem unerwartet herzlichen Wiedersehen sehr bald wieder in gewohnten Bahnen.
"'Hast viel gelitten, Bub?'
'Nicht viel, Mutter.' –
'Hast dich nach Elisabeth gesehnt?'
'Nein, Mama.'
'Liebst sie noch?'
'Es ist zu weit, Mama.'"
In einer Umgebung, die ihm einst vertraut war, bleibt Trotta ein Fremder. Die Menschen haben es eilig. Sie wollen den Anschluss an das neue Zeitalter nicht verpassen. Die Freude über das Wiedersehen ist auch bei seinem Schwiegervater nur gering – schnell soll Krieg vergessen werden, wobei die, die ihn erlebt haben, nur stören.
"Ende gut, alles gut! Gehen wir essen."
Regisseur Harald Krewer lockert Trottas monologisches Sprechen gelegentlich durch Dialoge auf, die Birgit Doll, als Trottas Mutter, Gerti Drassl, als seine Ehefrau Elisabeth und Peter Simonischek, der den Schwiegervater Trottas in diesem Hörspiel spricht, so überzeugend zu sprechen wissen, dass sie wesentlich zum Gelingen dieser Produktion beitragen.
Den melancholischen Grundton des Handlungsgeschehens betont die Musik von Max Nagl, die aber – in Abhängigkeit des Geschehens – auch heitere Akzente zu setzen versteht. Ganz entscheidend aber prägt Michael Rotschopfs Stimme das Hörspiel. Sie ist auch dann dominant, wenn die Figur, zu der sie gehört, von der Zeit mehr und mehr an den Rand gedrängt wird.
"Ich war fremd hier. Und mit Fremden saß ich und aß ich an einem Tisch. Ihre Gespräche verstand ich nicht."
Trotta ist ein Untergeher, der mit dem Verschwinden der Donaumonarchie seinen Platz in der neu hereinbrechenden Zeit verliert. Sein Name, der einst von einer Aura umgeben war, löst keine Erinnerungen mehr aus. Dieses Schicksal teilt er mit den einst Mächtigen.
"Die Kapuzinergruft, wo meine Kaiser liegen, begraben in steinernen Särgen, war geschlossen. Der Bruder Kapuziner kam mir entgegen und fragte:
'Was wünschen Sie?'
'Ich will den Sarg meines Kaisers Franz Joseph besuchen.'
'Gott segne Sie!'
'Gott erhalte!'
'Pst.'"
Niemand, auch kein Gott, hat das Kaiserreich erhalten können. Die, die es einst in majestätischer Größe vor der Weltöffentlichkeit repräsentiert haben, sind zu Figuren im Strom der Geschichte geworden – der Thron, auf dem sie einst saßen und herrschten, ist verwaist.
Besprochen von Michael Opitz
Die Geschichte Franz Ferdinand Trottas, die zugleich die Geschichte der Grablegung der alten Donaumonarchie ist, setzt im Frühjahr 1913 ein. Sie erstreckt sich über die Zeit des Ersten Weltkriegs und endet 1938 mit dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich. Für das wechselvollen Auf und Ab der Geschichte, das Joseph Roths Roman "Die Kapuzinergruft" zugrunde liegt, findet der Erzähler Michael Rotschopf die gemäße Tonlage. Das Geschehen fließt unaufgeregt wie die Donau dahin. Nur gelegentlich auftretende Strudel – die Rotschopf hervorzuheben weiß – erinnern daran, dass die Ruhe trügerisch ist.
"Der Bruder meines Großvaters war jener einfache Infanterieleutnant, der dem Kaiser Franz Joseph in der Schlacht bei Solferino das Leben gerettet hat. Der Leutnant wurde geadelt. Eine lange Zeit hieß er in der Armee und in den Lesebüchern der k. und k. Monarchie, 'der Held von Solferino', bis sich seinem eigenen Wunsch gemäß, der Schatten der Vergessenheit über ihn senkte."
Trotta, der vom Ruhm seiner Vorfahren zehrt, verschläft die Zeit. Als er aufwacht, tobt in Europa der Erste Weltkrieg.
"Der Tod kreuzte seine knöchernen Hände nicht nur über den Bechern, aus denen wir tranken, sondern auch über den nächtlichen Betten, in denen wir mit Frauen schliefen."
Auf den Schlachtfeldern des Krieges macht der Tod reichlich Beute – Trotta aber hat Glück und entkommt ihm. Er wird zurück ins Leben geschickt. Aber als er dort ankommt, muss er feststellen, dass das Leben an ihm vorbeifließt. Haltlos treibt der Leutnant der Reserve dahin und kühl wird er von seiner Frau Elisabeth empfangen. Keine Umarmung, nicht einmal einen Handkuss gestattet sie ihm.
"Servus. Lass dich anschaun."
Auch die Gespräche mit seiner Mutter verlaufen nach einem unerwartet herzlichen Wiedersehen sehr bald wieder in gewohnten Bahnen.
"'Hast viel gelitten, Bub?'
'Nicht viel, Mutter.' –
'Hast dich nach Elisabeth gesehnt?'
'Nein, Mama.'
'Liebst sie noch?'
'Es ist zu weit, Mama.'"
In einer Umgebung, die ihm einst vertraut war, bleibt Trotta ein Fremder. Die Menschen haben es eilig. Sie wollen den Anschluss an das neue Zeitalter nicht verpassen. Die Freude über das Wiedersehen ist auch bei seinem Schwiegervater nur gering – schnell soll Krieg vergessen werden, wobei die, die ihn erlebt haben, nur stören.
"Ende gut, alles gut! Gehen wir essen."
Regisseur Harald Krewer lockert Trottas monologisches Sprechen gelegentlich durch Dialoge auf, die Birgit Doll, als Trottas Mutter, Gerti Drassl, als seine Ehefrau Elisabeth und Peter Simonischek, der den Schwiegervater Trottas in diesem Hörspiel spricht, so überzeugend zu sprechen wissen, dass sie wesentlich zum Gelingen dieser Produktion beitragen.
Den melancholischen Grundton des Handlungsgeschehens betont die Musik von Max Nagl, die aber – in Abhängigkeit des Geschehens – auch heitere Akzente zu setzen versteht. Ganz entscheidend aber prägt Michael Rotschopfs Stimme das Hörspiel. Sie ist auch dann dominant, wenn die Figur, zu der sie gehört, von der Zeit mehr und mehr an den Rand gedrängt wird.
"Ich war fremd hier. Und mit Fremden saß ich und aß ich an einem Tisch. Ihre Gespräche verstand ich nicht."
Trotta ist ein Untergeher, der mit dem Verschwinden der Donaumonarchie seinen Platz in der neu hereinbrechenden Zeit verliert. Sein Name, der einst von einer Aura umgeben war, löst keine Erinnerungen mehr aus. Dieses Schicksal teilt er mit den einst Mächtigen.
"Die Kapuzinergruft, wo meine Kaiser liegen, begraben in steinernen Särgen, war geschlossen. Der Bruder Kapuziner kam mir entgegen und fragte:
'Was wünschen Sie?'
'Ich will den Sarg meines Kaisers Franz Joseph besuchen.'
'Gott segne Sie!'
'Gott erhalte!'
'Pst.'"
Niemand, auch kein Gott, hat das Kaiserreich erhalten können. Die, die es einst in majestätischer Größe vor der Weltöffentlichkeit repräsentiert haben, sind zu Figuren im Strom der Geschichte geworden – der Thron, auf dem sie einst saßen und herrschten, ist verwaist.
Besprochen von Michael Opitz
Joseph Roth: Die Kapuzinergruft
Hörspiel, Bearbeitung: Helmut Peschina
speak low, Berlin 2013
2 CDs, Gesamtlaufzeit 110 Minuten, 16,80 Euro
Hörspiel, Bearbeitung: Helmut Peschina
speak low, Berlin 2013
2 CDs, Gesamtlaufzeit 110 Minuten, 16,80 Euro