Auf Tuchfühlung mit dem Tod

Von Alexandra Gerlach |
Das <papaya:link href="http://www.dhmd.de" text="Deutsche Hygiene-Museum" title="Hygiene-Museum" target="_blank" /> in Dresden zeigt in der Ausstellung "Six Feet Under", wie unterschiedliche Künstler aus aller Welt mit den Themen Tod, Abschied und Bestattung umgehen. Deutlich wird dabei, dass gerade im europäischen Kulturraum die Toten aus dem Alltagsleben verdrängt worden sind.
Der Weg hinein führt über ein Gräberfeld. Graue Granit-Grabsteine stehen im Foyer, sie tragen in goldenen Lettern die Inschrift von Menschen, die mit Namen "Niemand" hießen. Doch gleich hinter dem Eingang wird die Sprache der Künstler drastischer:

"Hier das ist Witkin, und der also so ganz ästhetisierend, barock anmutenden, niederländisch anmutende Stillleben mit Leichenteilen gestaltet, und wenn man eben genauer hinguckt, sind da neben Früchten und Fischen und Muscheln, was üblicherweise so drauf ist, Hände, Füße und andere Körperteile zu sehen."

Kühl und sachlich führt Sybille Walther durch die Räume, deren Exponate manchmal erst auf den zweiten Blick das Grausen lehren. Sie ist für die wissenschaftliche Begleitung der Schau zuständig, hat sich an manchen Anblick längst gewöhnt. Auch an den der kristallklaren Akrylkästen, auf deren Oberfläche gelbliche Flecken kleben, die fest eingetrocknet sind:

"Hier in dieser Installation sind Körperflüssigkeiten aufbewahrt, die beim Öffnen von Leichen sozusagen austreten und hier angetrocknet sind, und das sind oft Menschen, die am Rande der Gesellschaft leben, und um die sich keiner kümmert, und denen versucht sie eben auf diesen Weise ein Denkmal zu setzen."

Eine Arbeit einer mexikanischen Künstlerin. Eine weitere ist daneben aufgebaut und verstört.
Säuberlich in Reih und Glied nebeneinander aufgehängt sind ramponierte Wolldecken mit Resten von klebrigem Paketband. Eine gängige Mordmethode sei dies, so erklärt der Begleittext. Die Opfer werden eng in Wolldecken gewickelt, fest verschnürt und sterben langsam.

Via-a-vis stechen großformatige Fotografien ins Auge. Eine zeigt bläulich und aufgedunsen das Profil eines Ertrunkenen, daneben das eines Verbrannten und schließlich das gebrochene Auge eines Gewaltopfers. Bilder, die beklemmen, weil sie den Tod so nahe bringen. Und genau das will die Ausstellung, wie Museumsdirektor Klaus Vogel betont:

"Der Tod und noch mehr der Tote, der Leichnam ist wegdelegiert, an Spezialisten, an Fachleute, er hat keine Rolle."

Dies ist allenfalls anders im Fernsehen, wo der Tod tagtäglich in den Nachrichten oder im abendlichen Krimi nach Hause kommt.

Auch diese Realität ist ein Thema für die Künstler. An den Völkermord in Ruanda mit 800.000 Toten erinnert die Arbeit eines jungen Künstlers aus Sachsen. Er prangert an, per Tastendruck. Auf seinem Taschenrechner lässt er die Zahlen über das Display rasen:

"Indem er hier per Taschenrechner sozusagen demonstriert, wie viel Mal man sozusagen abdrücken muss, um 800.000 Menschen zu töten."

Keine echte Leiche ist zu sehen, und doch ist der Tod in diesen Räumen allgegenwärtig. Die Toten, der Abschied, die Bestattung und die Trauer. Allesamt Themen für Künstler aus aller Welt. In Videoinstallationen suchen sie das Gespräch mit Verstorbenen oder üben den Selbstmord und drehen dann, wenn er geglückt ist, einfach den Film zurück, so als wäre nichts gewesen.

Ganz anders der Umgang mit dem Tod in den Arbeiten des Japanischen Fotokünstlers Izima Kaoru. Er präsentiert ausschließlich Models als - im wahrsten Sinne des Wortes - bildschöne Leichen in Designerkleidern, auf kunstvoll inszenierten großen, bunten Bildern.

Farbenfroh präsentieren sich daneben Bestattungsrituale aus Ghana. Hier kann man den Stand und Stellenwert des Toten in der Gesellschaft schon am Sarg ablesen. Der kommt daher bunt und fröhlich in Form eines Huhns, eines Konzertflügels, eines Gasthauses oder einer Krabbe und ist selbstverständlich innen luxuriös ausgestattet.
In Indien leben die Toten weiter, am 13. Tag kommt man ihnen zu Ehren zu einem Festschmauss zusammen und ehrt den Verstorbenen mit seiner Lieblingsspeise.

Und wem das alles zu bunt ist, der kann sich seinen Sarg selbst zimmern, wie der Künstler Joe Scanlan empfiehlt

"Ein Sarg, der aus dem Billy-Regal, das jeder kennt, umfunktioniert ist, … auch mit der Anleitung 'Do-It-Yourself' auch mit dem Ikea-Design versehen."

Eines von 140 Kunstwerken, die ab Samstag zu sehen sind im Dresdner Hygiene-Museum.

Service: Die Ausstellung "Six Feet Under. Autopsie unseres Umgangs mit Toten" ist vom 22. September 2007 bis zum 30. März 2008 zu sehen.