Auf Lebenszeit geprägt
Die Französische Psychoanalytikerin Isabelle Filliozat hat sich mit dem oft schwierigen Verhältnis zwischen Erwachsenn und ihren Eltern auseinandergesetzt. In ihrem Buch "Elternliebe - Elternhass" plädiert sie für eine offene und schonungslose Aussprache. Nur so lasse sich für Erwachsene eine entspannte und ehrliche Beziehung zu ihren Eltern herstellen.
Alle Eltern waren irgendwann einmal Kinder. Und sie bleiben es ihr Leben lang, denn die Rollenverteilung zwischen Kindern und Eltern ändert sich im Erwachsenen-Alter nur selten. Die französische Psychoanalytikerin Isabelle Filliozat sieht in diesem Umstand einen Grundkonflikt, der die Beziehung zwischen erwachsenen Kindern und ihren Eltern oft sehr schwierig gestaltet.
Konflikte zwischen Eltern und Kindern sind in der Sachbuchliteratur ein häufiges und viel beschriebenes Thema. Wie erziehe ich meine Kinder, wie erziehen meine Kinder mich, usw. Die Autorin geht bewusst einen anderen Weg. Sie richtet den Fokus gezielt auf das Verhältnis erwachsener Kinder zu ihren Eltern.
Warum, fragt sie, fühlen sich so viele Menschen ihren Erzeugern gegenüber hilflos und ausgeliefert? Warum spielen Erwachsene jedes Wochenende bei Kaffee und Kuchen die liebenswerte Tochter oder den freundlichen Sohn, obwohl sie in Wirklichkeit wütend auf ihre Eltern sind?
Weil die Macht der Eltern über ihre Kinder ein Leben lang fortbesteht, sagt die Autorin:
"Sie haben Gehorsam und Unterwerfung gefordert und uns damit auf Lebzeiten geprägt. Und diese von Angst bestimmten Verhaltensweisen werden jederzeit wieder aktiviert."
Ungerechtigkeiten, elterliche Machtspiele oder fehlendes Einfühlungsvermögen können Kinderseelen ein Leben lang tief verletzen, schreibt Filliozat. Es muss nicht immer Gewalt und Missbrauch sein, um die Beziehung zwischen Eltern und Kindern zu erschweren.
Alle Eltern machen Fehler, sagt die Psychoanalytikerin und folgert daraus pauschal: Fast jedes erwachsene Eltern-Kind-Verhältnis ist problematisch. Selbst wer der Meinung ist, ein entspanntes Verhältnis zu seinen Eltern zu haben, sich aber beim Familienbesuch langweilt, hat ein Problem mit seinen Eltern.
Solche Sätze machen stutzig. Vor allem, wenn man liest, dass die Autorin selbst ein schwieriges Verhältnis zu ihren Eltern hat, das sie für nicht therapierbar, also lösbar hält. Allen anderen aber will sie helfen.
Ein zwiespältiges Buch, das das Thema Familienbeziehung sehr einseitig beleuchtet. Die Autorin hat zwar keine Kampfschrift gegen die Elterngeneration verfasst, ist in ihrer Haltung allerdings parteiisch.
Der gesellschaftliche Umstand einer immer älter werdenden Elterngeneration und ihrer erwachsenen Kindern wird nur sporadisch besprochen. Auf Hintergründe und mögliche Konsequenzen wartet der Leser vergeblich. Satt dessen erhält er praktische Tipps zur Konfliktlösung aus der Praxis der Psychoanalytikerin.
Die Beispiele, in denen es um schwerwiegende traumatische Erfahrungen in der Kindheit geht, sind für Betroffene sicher lesenswert. Hier erhalten Opfer radikaler Erziehungsmethoden hilfreiche Ratschläge. Denn wenn Erwachsene sich diesen Erfahrungen stellen und die Lösung im Gespräch mit ihren Eltern suchen, können sie die negativen Gefühle erfolgreich bewältigen. Die Autorin erklärt, wie sich Betroffene am besten Schritt für Schritt einer Aussöhnung nähern sollen. Am Ende jedes Kapitel stellt sie konkrete Fragen und fordert den Leser auf, diese ehrlich zu beantworten, am besten schriftlich.
"Nehmen Sie Stift und Papier zur Hand. Beschreiben sie eine sich wiederholende Situation aus ihrem Leben."
Fast immer sind es die Kinder, die eine angespannte Situation zu ihren Eltern leid sind und den ersten Schritt machen. Der Weg zur Aussöhnung ist wichtig, aber nicht einfach, betont Isabelle Filliozat. Ihr Buch soll Anregung dafür sein. Für die therapeutische Arbeit selbst, sei ein Experte hinzu zu ziehen.
Der Ratschlag ist wichtig, vermittelt sich im Buch allerdings nur vage. "Elternliebe - Elternhass" liest sich vielmehr wie eine Selbstanleitung zur Konfliktlösung. Die Autorin trennt leider nicht deutlich genug, wo ihre Empfehlungen sich an Betroffene und wo an behandelnde Therapeuten richten.
Diese Unentschlossenheit und die Fokussierung auf ausschließlich autoritäre Erziehungsstile lassen das Thema in vielen Punkten oberflächlich erscheinen. Wie sich die Beziehung zwischen Eltern und Kindern zum Beispiel innerhalb des gesellschaftlichen Wandels im 21. Jahrhundert verändert, bleibt ebenso unbeantwortet wie die Frage, ob es Erziehungsmodelle gibt, die dem Verhältnis zwischen Eltern und Kindern nicht schaden.
Isabelle Filliozat: Elternliebe - Elternhass. Das lebenslange Drama zwischen Eltern und Kindern
Übersetzt von Enrico Heinemann
Piper-Verlag 2005
19,90 Euro
Konflikte zwischen Eltern und Kindern sind in der Sachbuchliteratur ein häufiges und viel beschriebenes Thema. Wie erziehe ich meine Kinder, wie erziehen meine Kinder mich, usw. Die Autorin geht bewusst einen anderen Weg. Sie richtet den Fokus gezielt auf das Verhältnis erwachsener Kinder zu ihren Eltern.
Warum, fragt sie, fühlen sich so viele Menschen ihren Erzeugern gegenüber hilflos und ausgeliefert? Warum spielen Erwachsene jedes Wochenende bei Kaffee und Kuchen die liebenswerte Tochter oder den freundlichen Sohn, obwohl sie in Wirklichkeit wütend auf ihre Eltern sind?
Weil die Macht der Eltern über ihre Kinder ein Leben lang fortbesteht, sagt die Autorin:
"Sie haben Gehorsam und Unterwerfung gefordert und uns damit auf Lebzeiten geprägt. Und diese von Angst bestimmten Verhaltensweisen werden jederzeit wieder aktiviert."
Ungerechtigkeiten, elterliche Machtspiele oder fehlendes Einfühlungsvermögen können Kinderseelen ein Leben lang tief verletzen, schreibt Filliozat. Es muss nicht immer Gewalt und Missbrauch sein, um die Beziehung zwischen Eltern und Kindern zu erschweren.
Alle Eltern machen Fehler, sagt die Psychoanalytikerin und folgert daraus pauschal: Fast jedes erwachsene Eltern-Kind-Verhältnis ist problematisch. Selbst wer der Meinung ist, ein entspanntes Verhältnis zu seinen Eltern zu haben, sich aber beim Familienbesuch langweilt, hat ein Problem mit seinen Eltern.
Solche Sätze machen stutzig. Vor allem, wenn man liest, dass die Autorin selbst ein schwieriges Verhältnis zu ihren Eltern hat, das sie für nicht therapierbar, also lösbar hält. Allen anderen aber will sie helfen.
Ein zwiespältiges Buch, das das Thema Familienbeziehung sehr einseitig beleuchtet. Die Autorin hat zwar keine Kampfschrift gegen die Elterngeneration verfasst, ist in ihrer Haltung allerdings parteiisch.
Der gesellschaftliche Umstand einer immer älter werdenden Elterngeneration und ihrer erwachsenen Kindern wird nur sporadisch besprochen. Auf Hintergründe und mögliche Konsequenzen wartet der Leser vergeblich. Satt dessen erhält er praktische Tipps zur Konfliktlösung aus der Praxis der Psychoanalytikerin.
Die Beispiele, in denen es um schwerwiegende traumatische Erfahrungen in der Kindheit geht, sind für Betroffene sicher lesenswert. Hier erhalten Opfer radikaler Erziehungsmethoden hilfreiche Ratschläge. Denn wenn Erwachsene sich diesen Erfahrungen stellen und die Lösung im Gespräch mit ihren Eltern suchen, können sie die negativen Gefühle erfolgreich bewältigen. Die Autorin erklärt, wie sich Betroffene am besten Schritt für Schritt einer Aussöhnung nähern sollen. Am Ende jedes Kapitel stellt sie konkrete Fragen und fordert den Leser auf, diese ehrlich zu beantworten, am besten schriftlich.
"Nehmen Sie Stift und Papier zur Hand. Beschreiben sie eine sich wiederholende Situation aus ihrem Leben."
Fast immer sind es die Kinder, die eine angespannte Situation zu ihren Eltern leid sind und den ersten Schritt machen. Der Weg zur Aussöhnung ist wichtig, aber nicht einfach, betont Isabelle Filliozat. Ihr Buch soll Anregung dafür sein. Für die therapeutische Arbeit selbst, sei ein Experte hinzu zu ziehen.
Der Ratschlag ist wichtig, vermittelt sich im Buch allerdings nur vage. "Elternliebe - Elternhass" liest sich vielmehr wie eine Selbstanleitung zur Konfliktlösung. Die Autorin trennt leider nicht deutlich genug, wo ihre Empfehlungen sich an Betroffene und wo an behandelnde Therapeuten richten.
Diese Unentschlossenheit und die Fokussierung auf ausschließlich autoritäre Erziehungsstile lassen das Thema in vielen Punkten oberflächlich erscheinen. Wie sich die Beziehung zwischen Eltern und Kindern zum Beispiel innerhalb des gesellschaftlichen Wandels im 21. Jahrhundert verändert, bleibt ebenso unbeantwortet wie die Frage, ob es Erziehungsmodelle gibt, die dem Verhältnis zwischen Eltern und Kindern nicht schaden.
Isabelle Filliozat: Elternliebe - Elternhass. Das lebenslange Drama zwischen Eltern und Kindern
Übersetzt von Enrico Heinemann
Piper-Verlag 2005
19,90 Euro