Auf Kosten Afrikas

Von Wolfgang Stenke · 26.02.2010
Am 26. Februar 1885 ging in Berlin die sogenannte Kongo-Konferenz zu Ende. Insgesamt 14 Mächte, allesamt interessiert an den Rohstoffen der riesigen Kongoregion, waren in Berlin vertreten – allerdings kein einziger Abgesandter von afrikanischen Staaten.
"In Berlin hat man sich im Jahre 1885 unseren Kontinent
aufgeteilt.
Ohne jemand zu fragen, hatte man sich unseres Elends angenommen.
Man kam, um uns aus unserem jahrhundertelangen Elend zu herauszuziehen.
Man kam, uns zu erziehen
Man kam, uns zu zivilisieren
Dieser Vertrag von Berlin hat mich lange gekränkt.
Jedes Mal, wenn ich auf dieses Datum stieß, empfand ich dieselbe Verachtung."


Michel Kayoya, Dichter und Priester aus Burundi – ein Hutu, 1972, mit 38 Jahren, erschossen von marodierenden Tutsi. Seine Verse beklagen die Folgen der Kongokonferenz, die am 26. Februar 1885 in Berlin zu Ende ging. Die diplomatischen Vertreter von 14 Mächten - Afrikaner waren nicht darunter - hatten seit November 1884 drei Monate in der Reichshauptstadt getagt, um ihre Einflussgebiete auf dem afrikanischen Kontinent abzustecken. Als der Vorsitzende Otto von Bismarck, der "eiserne Kanzler" des Deutschen Reiches, im Palais auf der Wilhelmstraße die Delegationen begrüßte, erklärte er, Zweck der Konferenz sei, "die Eingeborenen Afrikas mit der Zivilisation zu verbinden."

In Wirklichkeit schacherten unter anderem Engländer, Franzosen, Belgier, Portugiesen, Deutsche, Amerikaner und Türken um Handelsinteressen und Eigentumsrechte auf dem afrikanischen Kontinent. Es ging vor allem um die Frage, ob das riesige Kongogebiet zum kolonialen Besitz der Belgier, Franzosen und Portugiesen werden sollte – oder ob die Länder südlich des Äquators als Freihandelszone den Kapitalinteressen aller interessierten Nationen offenstehen würden. Bismarck plädierte für eine Politik der "offenen Tür" und erklärte:

"Die Ausdehnung unserer kolonialen Besitzungen ist nicht Gegenstand unserer Politik, wir haben nur im Auge, dem deutschen Handel den Eingang nach Afrika zu sichern."

Der belgische König Leopold II. war dagegen darauf aus, in Konkurrenz mit den Franzosen die Ausbeutung des Kongos durch die Internationale Kongo-Assoziation, seine private Kolonialgesellschaft, voranzutreiben. In ihrem Auftrag hatte der britische Journalist Henry Morton Stanley die Region erkundet und schon etliche Stammesfürsten um ihr Land betrogen. Mit drakonischer Härte wurden die Eingeborenen gezwungen, Rohstoffe wie Kautschuk oder Palmöl abzuliefern. Dieses System kostete die Kongolesen bis ins 20. Jahrhundert etwa acht Millionen Menschenleben.

Leopold II. schaffte es auf der Berliner Konferenz, seine Herrschaft in der Kongoregion international legalisieren zu lassen – der Begriff "Kongogreuel" wurde danach zum feststehenden Begriff. Patrice Lumumba, der erste Ministerpräsident der Demokratischen Republik Kongo, brachte diese Schreckensgeschichte 1960 bei den Feierlichkeiten zur Unabhängigkeit im Beisein des belgischen Königs Baudouin auf den Punkt:

"Wir sind geschlagen worden, morgens, mittags und abends, nur weil wir Neger waren. Wer wird jemals vergessen können, dass man einen Schwarzen duzte, natürlich nicht wie einen Freund, sondern weil das ehrerbietige 'Sie' nur für die Weißen da war? (...) Wir mussten die Plünderung unseres Landes mit ansehen. Unsere Wunden sind noch zu frisch und zu schmerzhaft, um dies bereits aus unserer Erinnerung zu tilgen."

1885, auf der Berliner Konferenz, einigten sich die Delegationen neben der Aufteilung des Kongo in eine französische und eine belgische Kolonie auf die Schaffung einer Freihandelszone, die quer über den afrikanischen Kontinent reichen sollte. Die in Berlin beschlossene Kongoakte proklamierte offiziell das Verbot des Sklavenhandels und legte zugleich völkerrechtliche Regeln für die weitere koloniale Besitzergreifung fest. Feinsinnig wurde zwischen Annexionen und Protektoraten unterschieden. Im Konferenzsaal hing eine fünf Meter hohe Afrikakarte. Auf ihr wurden die künftigen Grenzen eingezogen – schnurgerade, wie mit dem Lineal. Vorgeblich, um den Afrikanern die Segnungen der europäischen Kultur zu bringen.

"Vor unseren unbeweglichen Gesichtern breitete man die Folgen aus:
Die Befriedung Afrikas
Die Wohltaten der Zivilisation in Afrika
Den Mut der Forscher
Den selbstlosen Humanismus
Aber niemand wies hin auf die Beleidigung
Auf die Schmach, die uns überall begleitete."