Auf der Suche nach den atmosphärischen Waschmitteln

Von Thomas Wagner |
Die Luftqualität wird über stark bewohnten Regionen immer schlechter - und das, obwohl die Atmosphäre an sich auch über Selbstreinigungskräfte verfügt. Wie diese atmosphärischen "Waschmittel" funktionieren und in welchem Ausmaß es ihnen gelingt, die Atmosphäre tatsächlich zu reinigen, will das Forschungszentrum Jülich mit einem neuen Zeppelin erforschen.
Friedrichshafen, nur ein paar hundert Meter vom Bodenseeufer entfernt: Wie ein riesiger Fahrstuhl steigt der 70 Meter lange Zeppelin NT etwa 300 Meter nach oben. Doch statt Passagiere, die einen Rundflug gebucht haben, befinden sich eine Unmenge an Kabeln und geheimnisvoll blinkenden Kästchen an Bord. Darüber hinaus verfügt das Luftschiff über eine Art "Dach-Gepäckträger":

"Zusätzlich wird aber oben auf dem Zeppelin die größte Apparatur mit 350 Kilo, die laserinduzierte Floureszenzapparatur, stehen, mit der dann die Radikale gemessen werden."

Und das, erklärt Professor Andreas Wahner vom Forschungszentrum Jülich, ist das zentrale Experiment im Rahmen der Messflüge mit dem Zeppelin NT: Die angesprochenen Radikale, ein Begriff aus der Chemie, gelten als wichtigstes Waschmittel der Atmosphäre.

"Spuren- und Schadgase in der Atmosphäre werden ja abgebaut. Das nennt man die Selbstreinigungsfähigkeit der Atmosphäre. Und die wird bewirkt durch ein einziges Molekül, ein Radikal, ein eher reaktives Teilchen, das in der Atmosphäre gebildet wird. Das bestimmt den ersten Schritt allen Spurengasabbaus, die sozusagen dann wieder aus der Atmosphäre entfernt werden."

"Hydroxil-Radikale" nennen die Chemiker diese nur in ganz geringen Konzentrationen vorkommenden Moleküle, die aber die atmosphärischen Schadstoffe regelrecht auffressen und in andere, weniger gefährliche Verbindungen zerlegen. Doch wie laufen diese Prozesse genau ab? In welchen Höhen kommt dieses Atmosphären-Waschmittel besonders häufig, wo weniger häufig vor? Die Antworten auf diese Fragen geben auch Rückschlüsse über die Auswirkungen des Klimawandels auf die Atmosphäre. – Antworten, die die Jülicher Forscher so präzise nur mit ihren Zeppelin-Messflügen finden können.

"Wir werden jetzt in der Luft stehen bleiben. Wir stellen die Nase in den Wind und werden so in der Luft stehen bleiben, damit Sie sehen, wie wir zum Großteil für die Forscher arbeiten werden!"

Zeppelin-Pilot Hans-Paul Ströhle hat sich bei seinen Manövern genau mit den Jülicher Forschern abgestimmt: Wenn es sein muss, kann er das Luftschiff stundenlang über einem fixen Punkt parken. Und das ist eine wichtige Flugeigenschaft, über die Flugzeuge nicht verfügen.

"Beim Zeppelin ist ganz klar der Vorteil: Wir können Vertikalprofile an einer Stelle machen, hoch und runter langsam gehen und dann sozusagen Konzentrationsänderungen beobachten, höhenabhängig. Und wir können den Luftmassen folgen. Wir können die Entwicklung von der Quelle, einer Stadt zum Beispiel, hinaus in die ländliche Region verfolgen. All diese Komponenten zusammen bietet nur der Zeppelin!"

Vor allem dann, erklärt Professor Andreas Wahner vom Forschungszentrum Jülich, wenn er über dem Bodenseeraum fliegt. Der nämlich gilt für die Atmosphärenforscher als regelrechte ‚Modellregion’.

"Wir haben hier den Bodensee, der keine Emissionen abgibt. Wir haben hier kleinere Städte, die Stickoxide und andere durch Verkehr bedingte Emissionen abgeben. Wir haben Waldgebiete mit biogenen Emissionen. Wir haben andere agraisch genutzte Gebiete. Und all diese Gebiete sind erreichbar mit dem Zeppelin."

Das bedeutet auch für Zeppelin-Pilot Hans-Paul Ströhle eine neue Herausforderung:

"Das Interessante ist bei diesen Forschungsflügen, dass wir zum Teil auch recht tief fliegen. Und man muss dann sehr präzise fliegen. Das heißt: Die Forscher wollen dann schon, dass man sehr genaue Höhen, sehr genau Positionen einhält, um ihre Messungen ordentlich durchführen zu können. Und das benötigt etwas mehr Konzentration einerseits, macht andererseits aber auch mehr Spaß!"

"Meine Damen, wir werden in Kürze wieder in Friedrichshafen landen. Wir möchten Sie bitten, wieder Platz zu nehmen und sich anzuschnallen!"

Das Forschungsprojekt mit dem Zeppelin gilt als weltweit einzigartig. Nie zuvor ist untersucht worden, wie die atmosphärischen Waschmittel in verschiedenen Höhen wirken – und welche Prozesse genau ablaufen, wenn die Atmosphäre vom Schmutz der Erde gereinigt wird.