Auf der Spur von Fanfare Ciocarlia & Co.

Musikalische Bildungsreisen in die rumänische Provinz

Die Band Fanfare Ciocârlia - übersetzt Lerchenbläser - in ihrem Heimatdorf Zece Prăjini.
International erfolgreich, trotzdem heimatverbunden: die Blechbläser der rumänischen Band Fanfare Ciocărlia in ihrem Heimatdorf. © Grit Friedrich
Von Grit Friedrich · 14.07.2016
Die Romabands Fanfare Ciocarlia und Taraf de Haidouks sind international bekannt. Doch kaum jemand weiß um die sozialen und kulturellen Verwurzelungen ihrer Musik. Nun bietet das Berliner Label "Asphalt Tango Records" Reisen in die Heimatdörfer der Musiker an.
Auf dem Teller dampft Ciorba, danach serviert Daniela Trifan den Gästen und ihrem Mann Kartoffelpüree mit Gemüse und Braten, dazu ein Glas Palinca. Frisch gestärkt trifft sich Monel Trifan an der Bar mit den Männer der Fanfare Ciocărlia.
Die Dorfjugend hat sich versammelt, denn nur selten kann man die weltbekannte Brass Band zu Hause erleben. Ein Fest für alle also, wenn Touristen das abgelegene Dorf entdecken.
Musikliebhaber, die erfahren wollen, wie sich das Leben dort anfühlt, wie es klingt, riecht und schmeckt. Monel und Daniela Trifan - sind warmherzige Gastgeber.
"Wir hatten schon Gäste aus Japan, andere aus Spanien blieben eine Woche hier. Was soll ich sagen, das macht uns Freude. Ich versteh mich sehr gut mit den Gästen. Sie schlafen dort im Gästezimmer und wir kochen alles, was sie wollen, aber ich sehe, dass ihnen unser Essen schmeckt. Sie gehen in den Wald, spazieren durch das Dorf und dann machen wir ein Grillfest und dazu spielt die Fanfare Ciocarlia."

Live-Musik für ein warmes Essen

Zece Prăjini unterscheidet sich äußerlich kaum von anderen Dörfern im Norden der Moldau: eine zerfahrene Dorfstraße, bunte Häuser, die sich an einen Hügel schmiegen. In einigen Orten der Gegend gibt es Blaskapellen, doch weltberühmt wurde nur die Fanfare Ciocârlia. Woher diese Blechbläsertradition stammt, kann man nicht genau sagen. Sicher ist, dass die rumänischen Fürstentümer Moldau und Walachei die Militärkapellen der Osmanen kennenlernten.

Solche Geschichten hört, wer bei den Musikern zu Gast ist. Auch wie der Erfolg im Ausland das Leben im Dorf verändert hat. Vor der Wende wurden Blaskapellen zu einer Hochzeit gerufen. Es gab Wein, Bier, ein warmes Essen und zur Gage meist noch ein gutes Trinkgeld. Das Repertoire dieser Fanfaren richtete sich immer nach den Wünschen der Auftraggeber. Das ist 2016 nicht anders als 1986, sagt der Tuba-Spieler Monel Trifan:
"Im Ausland spielen wir auf Konzerten und bei Festivals. Eine Hochzeit ist etwas anderes. Die hat ein bestimmtes Ritual. Heute trifft man sich bei einer Hochzeit gleich an der Kirche, im Festsaal oder im Restaurant. Früher hat man zuerst bei der Braut gespielt, ihr wurden die Kleider gezeigt und es gab eine bestimmte Melodie zu jedem Schritt dieses Rituals. Heute tanzt man bei uns nicht mal mehr die Tänze, die wir vor mehr als 20 Jahren gespielt haben."
Fanfare Ciocârlia vor der Bar in Zece Prăjini.
Musizieren, trinken, feiern: Fanfare Ciocârlia vor der Bar in Zece Prăjini.© Grit Friedrich

Besuch aus allen Ländern

Obwohl einige Musiker der Fanfare Ciocârlia nur noch an den Wochenenden in ihr Heimatdorf kommen, sind alle dem Dorf verbunden, haben Eltern oder Geschwister dort. Ohne den Welterfolg der Fanfare Ciocârlia hätten noch mehr Familien Zece Prăjini verlassen. Von Musik allein kann auf dem Land kaum überleben.
Seit einigen Jahren besucht im September eine Reisegruppe mithilfe des Berliner Labels Asphalt Tango Records Zece Prăjini, Siebenbürgen und Clejani - ein Musikerdorf im Süden. Wie durch ein Brennglas erhält man Insiderwissen über regionale Stile. Im Dorf Szászcsávás dominiert satter Streicherklang, wie vom Meistergeiger Jámbor István.
Die Szászcsávás Band beim gemeinsamen Musizieren in Szászcsávás, Rumänien.
Die Jambor Istvan Band beim gemeinsamen Musizieren in Szászcsávás, Rumänien.© Grit Friedrich

Tanzen, trinken, Spaß haben

Der Primas spielt für die eigene Romacommunity und für ungarische Nachbarn. Tänze wie Csárdás und Szökő aus der Region. Heute erklingen auch ungarische Lieder hören, gesungen von der Gastgeberfamilie Vas. Weil hier im Dorf auch eine seltene Mehrstimmigkeit gepflegt wird, kommen Besucher schon seit vielen Jahren.
"Es ist eine Freude für uns. Sie kamen zum Tanzhaus hierher, viele Leute sind vorbeigekommen. Komponisten und andere Musiker, sie haben sich alle immer sehr wohl hier gefühlt. Meine Frau hat Essen gekocht für alle. Die Stimmung war immer gut, wir haben auch gesungen, wenn man mich gebeten hat. Ich bin jetzt 70 Jahre alt, seit ich 20 Jahre alt war, besuchten uns die Leute wegen der Musik."
Csávás ist einzigartig, egal wo wir hinkommen, egal ob zu Hause oder in der Kirche, wir können die Töne anders singen, es klingt einfach anders. Und wir singen und tanzen bei Hochzeiten oder Taufen, nicht nur, um uns zu betrinken, sondern um gemeinsam Spaß zu haben.
Von Szászcsávás geht es dann in die UNESCO-Weltkulturerbestadt Sigișhoara und nach Deutsch-Weißkirch. Entdeckt man hier das architektonische Erbe der Siebenbürger Sachsen, folgt dann die dritte musikalische Station dieser Reise Clejani im Süden des Landes.

Instrument vom Vater gelernt

Die Besucher sitzen auf dem Hof des Akkordeonisten Tagoi, alles was er weiß, hat er von seinem Vater gelernt, dem Geiger Nicolae Neacșu. Der hatte die Romabend Taraf de Haidouks mit seinen Balladen weltberühmt gemacht, Anfang der 90er.
"Er hat diese Ballade im Bett mit gebrochenem Bein komponiert. Die Leute kommen, weil sie die traditionelle Lautarimusik aus Clejani hören wollen. Unsere Musik gefällt gebildeten Leuten, Journalisten, Künstlern, Theaterleuten. Wenn Besuch da ist, geht es uns besser, denn dann können wir spielen. Nur die Hände sollen weiter funktionieren. Ich habe das gemacht, seit ich zwölf war, bis heute spiele ich, doch was morgen sein wird, weiß niemand."
Die schillernde Bukarester Musikszene markiert das Ende der Entdeckungsfahrt.
Hier dominieren Manele, orientalischer Romapop mit großem kommerziellen Erfolg. Erfunden hat dieses Genre Dan Armeanca. Tanzmusik, die auf kaum einer Party fehlt und stark kontrovers diskutiert wird in Rumänien. Auch in Bukarest gibt es Gespräche mit Musikern. Denn die Reise an die Quellen der Romamusik bietet viele Blicke hinter die Kulissen. Die Engländerin Tiki Kyte nimmt starke Eindrücke mit und möchte wieder kommen nach Rumänien.
"Ich finde, es ist der beste Weg, ein Land über seine Musik kennenzulernen. Denn die Menschen singen über ihre Leiden und ihre Freuden. Ich wollte immer mehr über Rumänien und Osteuropa erfahren. Und dann habe ich zufällig über die Musikzeitschrift Songlines von dieser Reise erfahren. Ich bin noch neugieriger geworden, denn ich habe schon in Spanien Flamenco gehört und Musik in Rajasthan. Es gibt da Verbindungen. Und ich liebe spontane Musik, Musik die aus der Tradition kommt. Rumänien war für mich eine Neuentdeckung."

Es gibt noch Restplätze für Reisen 2016:www.transilvania-aktiv.de

Mehr zum Thema