Auf der Spur des Schmetterlings

Von Annegret Faber |
Seit fünf Jahren werden in Deutschland Schmetterlinge gezählt. Über 500 freiwillige Helfer laufen einmal wöchentlich ein bestimmtes Gebiet ab und notieren alles, was ihnen über den Weg fliegt. Tagfalter-Monitoring nennt sich das Ganze, koordiniert vom Helmholzzentrum für Umweltforschung in Leipzig/Halle.
Erste Station. Ein Naturschutzgebiet in der Nähe von Quedlinburg am Rande des Ostharzes. Die idyllische Heidelandschaft bietet Lebensraum für seltene pflanzen und Tiere und natürlich für Schmetterlinge. Wissenschaftlern vom Helmholzzentrums für Umweltforschung, und freiwillige Helfer, beobachten dieses Gebiet. Die Fläche ist exakt definiert und unterteilt in viele kleine Abschnitte, die im Fachjargon "Transekt" genannt werden.

"Ja, dieses Transekt ist insgesamt 800 Meter lang ..."

Bernd Otto Bennedson ist einer von 500 freiwilligen Helfern deutschlandweit, die das Tagfalter-Monitoring möglich machen. Wöchentlich läuft er ein Transekt ab. Dabei notiert er alle Falterarten, die ihm über den Weg fliegen. Nur so kann die Forschung mit verlässlichen Zahlen arbeiten. Die chinesischen Wissenschaftler wollen genau wissen, wie es gemacht wird.

"Also, wir würden mit einem Kilometer pro Stunde vorwärts gehen, also sehr langsam, ... Chinesen wiederholen langsam.. eine Kilometer pro stunde …"

Die Arbeit ist zeitaufwendig. Man braucht Ruhe und Liebe zur Natur. Die Gäste aus China haben sie. Drei Stunden hören sie aufmerksam zu, wandern durch die hügelige Landschaft und fangen dabei Schmetterlinge. Der Biologe Reinhard Feldmann hat einen besonders schönen Falter im Netz:

"Zygaena filipendulae, gemeines Blutströpfchen oder Widderchen. Es gehört zu den tagaktiven Nachtfaltern. Beim Monitoring zählen wir es auf jeden Fall mit."

Der dunkelgraue Falter hat tropfenförmige, rote Flecken auf den Flügeln. Auch er wird immer seltener. Grund für das Faltersterben ist die Landnutzung. Seit den 50er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts gingen die Wiesenflächen um 30 Prozent zurück, so eine Studie des Bundesamtes für Naturschutz.

Der Lebensraum der Schmetterlinge und anderer Insekten, bis hin zu Vögeln, wird für den Anbau von Tierfutter, Lebensmitteln und Energiepflanzen zerstört. Besonders betroffen sind spezialisierte Arten, die sich ausschließlich von einer Pflanze ernähren, und andersrum genauso. Pflanzen sterben aus, weil sie keinen Besuch mehr von einer bestimmten Falterart bekommen.

Ortswechsel. Windischleuba in Thüringen. Ein weiteres Ziel der Exkursion. Jens Kipping begrüßt die Gäste. Die chinesischen Wissenschaftler hoffen hier den "Wiesenknopf Ameisenbläuling" in seinem Lebensraum beobachten zu können. Dieser Falter ernährt sich ausschließlich vom Wiesenknopf, einer Pflanze, die in Deutschland kaum noch wächst. Prof. Dr. Yalin Zhang ist aus Peking angereist.

Der Vorsitzende der jungen, chinesischen Tagfaltergesellschaft lobt die langjährige Forschungsarbeit der Deutschen und hofft, diese Erfahrungen nutzen zu können. Denn in seiner Heimat stecken die Schmetterlingsforscher noch in den Kinderschuhen. Agrarökologe Dr. Joseph Settele erklärt:

"Das liegt daran, dass es viel mehr Arten gibt in China, zehnmal so viel wie bei uns, und viel weniger Kollegen die damit arbeiten. Und dadurch gibt es gewissen Engpässe in der Forschung."

In Deutschland ist alles etwas übersichtlicher. Circa 200 Tagfalterarten leben hier. In China sind es 2000. Und darin liegt das Interesse der deutschen Schmetterlingsforscher.

" ... das wir unsere Forschungsarbeit geografisch entscheidend erweitern können und damit von den Arten viel mehr kennen lernen, als wir bislang wissen."

Wie flexibel sind bestimmte Falterarten? Unter welchen klimatischen Bedingungen verbreiten sie sich am besten? China bietet viel mehr Raum um das heraus zu finden.

Auch Sylvia Ritter, Biologin und Doktorandin am Helmholzzentrum für Umweltforschung, ist bei dieser Exkursion dabei. Sie hat das Glück den einzigen Wiesenknopf Ameisenbläuling an diesem Nachmittag zu sehen und mit dem Netz zu fangen. Vorsichtig tut sie ihn in eine durchsichtige Plastikdose, um ihn genau zu betrachten und später wieder frei zu lassen. Sie erklärt den Gästen, welcher Falter es ist.

Ein paar Meter weiter spricht Jens Kipping über die Bewirtschaftung von Wiesen und die Voraussetzungen, die der seltene Falter braucht, um zu überleben: keine Düngung und eine späte Mahd. Bedingungen, die nur noch auf Flächen zu finden sind, die schwer zu bewirtschaften sind, wie Berg – oder Auenwiesen.

So lange der Bauer zu wenig Geld für die Bewirtschaftung natürlicher Wiesen bekommt, wird sich an der allarmierenden Situation in Deutschland nichts ändern. Trotzdem: Der deutsch-chinesische Workshop ist ein Schritt nach vorne. Denn Forschungen zu Artenvielfalt und Umweltschutz geht alle Länder etwas an. In China wurde dieser Forschungszweig bisher durch wirtschaftliche Interessen bestimmt. Nun wollen sie von uns lernen und sich eventuell am Tagfalter-Monitoring beteiligen. Im Herbst dürfen sich die deutschen Forscher dann in China umsehen.