Auf der Spur des größten menschlichen Geheimnisses

Der Roman ist eine atemlose Reise durch Zeit und Raum. Er nimmt seinen Anfang in der ältesten Wiener Kirche, wo ein Mord passiert. Dieses Ereignis ruft nicht nur Kommissar Berner auf den Plan, sondern auch den Journalisten Paul Wagner sowie dessen Freund Georg Sina, einen bekannten Historiker, der sich aber nach dem Unfalltod seiner Frau in die Einsamkeit einer niederösterreichischen Burg zurückgezogen hat.
Dass die drei aktiv werden, insbesondere, als wenige Tage später in einer zweiten Wiener Kirche neuerlich ein Mord geschieht, liegt im Kalkül derer, die sich hinter den Taten verbergen. Denn die Morde stecken nicht nur voller Rätsel, wie man es von einem Krimi erwartet, sondern auch voller Hinweise, die in die Vergangenheit führen.

Immer wieder stößt das Trio auf Kaiser Friedrich III. und die gleichsam leitmotivisch während seiner Regentschaft verwendeten fünf Vokale, deren Deutung noch heute strittig ist. Am häufigsten werden AEIOU als Abkürzung für "Alles Erdreich ist Oesterreich untertan" interpretiert.

Wagner und Sina setzen sich auf die Spur der Rätsel des Kaisers, die meist mehrere Ebenen haben und sehen sich alsbald selbst als Gejagte: Denn es gibt nicht nur jene dunklen Mächte, die die beiden benutzen, um über sie an das größte menschliche Geheimnis zu kommen, sondern auch jene, die es seit Jahrhunderten zu bewahren verstehen. Die Situation wird lebensbedrohlich, halsbrecherisch und bisweilen so phantastisch unglaubwürdig wie ein James-Bond-Film. Dann, wenn die Helden dutzende andere gewaltsam ums Leben Gekommene mit unsagbarem Glück überleben.

Schon bald greift das Geschehen auch aufs Ausland über, schaltet sich der Mossad ein, werden Kapitel aus der Geschichte eingeschoben, von Faust bis zur NS-Größe Heydrich, von den chinesischen Tonkriegern bis Rasputin. Nichts scheinen die beiden Autoren in ihrem Thriller, der sich im Kern nur über wenige Tage erstreckt, auszulassen.

Was ihn jedoch deutlich von anderen Werken dieses Spannungsmilieus abhebt, ist die verblüffende Geschichtskenntnis der Autoren, ihre beachtliche Recherchearbeit, die Dichtung und Wahrheit verschwimmen lässt. Immer wieder stellt sich der Leser die Frage, wo belegte Fakten enden, wo Spekulation beginnt. Kunstvoll verknüpfen die Autoren Nachprüfbares, geben ihm einen neuen Sinn und schaffen völlig Neues, das letztlich schlüssig auf das größte Geheimnis des Menschen, den Stein der Weisen, zuläuft.

Wer große Literatur erwartet, wird enttäuscht sein. Die Beschreibungen schaffen zwar auch in kleinsten Szenen stimmige Atmosphäre, die Spannung wird nicht zuletzt durch den fortwährenden Orts- und Zeitwechsel über hunderte Seiten gehalten, doch die lockeren Sprüche wirken mitunter ein wenig bemüht. Wer historisch interessiert ist, wird aber aus dem Staunen nicht herauskommen, mitunter das eine oder andere nachschlagen und bestätigt finden. Darin besteht die große Leistung von Schilddorfer und Weiss: Aus vorhandenem historischem Material und nicht aus einer Hypothese ein logisches Ganzes zu formen, das auf überzeugende Weise zum Krimistoff wird.

Besprochen von Stefan May

Gerd Schilddorfer & David G. L. Weiss: Ewig
LangenMüller Verlag, München 2009
528 Seiten, 19,95 Euro